"Peitschenwort Nachhaltigkeit"

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Für Zukunftsforscher Matthias Horx wird Nachhaltigkeit zur "moralinen Fassade" jener, die nicht erkennen, dass die Grenze zwischen Arm und Reich durchlässig wird.

Nachhaltigkeit, das droht zum Peitschenwort zu werden, zu einer moralinen Fassade, die den Blick auf die Wirklichkeit verdeckt", sagte Matthias Horx bei den Wirtschaftsgesprächen des diesjährigen Forum Alpbach. Ungetrübt von derartigen "Verschwörungstheorien" dafür von Weltbank und UNO darin bestätigt, sieht der deutsche Zukunftsforscher, "dass es immer weniger Arme in der Welt gibt, dass in den vergangenen 50 Jahren die Armut stärker gefallen ist als in den letzten 500..."

Doch das allgemeine Denken in "der Welt des Westens" erreichen solche Meldungen nicht, klagte Horx. "Unser wunderbar geordnetes, von den zarten Rabatten von Betroffenheit und Schuldvorwurf gesäumtes Weltbild", gerate durch solche gute Nachrichten nicht ins Wanken. Horx: "Wenn wir über Wohlstand reden, dann können wir es immer nur mit der Schuldhaltung des Sünders tun, der so schnell wie möglich abrüsten, zurücktreten, sich selbst kleinreden muss."

Ein Club der Reichen für alle

Des Zukunftsforschers Zukunft sieht hingegen ganz anders aus: "Die vor uns liegende Zeit öffnet die Schleusen, überspült langsam die Demarkationslinien zwischen Arm und Reich und macht jeden Versuch der Exklusivierung zunichte." Der Club der Reichen werde seine Mitglieder verlieren, ist Horx überzeugt, "weil nun alle eintreten können, auch die Parvenüs, die Gangster und die Heiratsschwindler." Und was kommt dabei raus? Horx: "Am Ende steht eine verwirrende Welt. Eine Welt, die vielleicht zunächst nicht gleicher ist, aber in vielfacher Weise gerechter."

Gerechte Welt - das Stichwort brachte Franz Josef Radermacher in Alpbach in Rage. Sehr emotional stellte der deutsche Wirtschaftswissenschafter und Vizechef des Ökosozialen Forums Europa seinen Blick auf die Wirklichkeit dem Zukunftsszenario von Horx entgegen: "20 Prozent der Weltbevölkerung verfügen über 80 Prozent des Reichtums dieser Erde. 24.000 Menschen verhungern täglich, über eine Milliarde Kinder erhält keine Schulausbildung." Radermacher zweifelt daran, ob man wirklich Gerechtigkeit auf dieser Welt wünsche, oder ob man das Biotop des Reichtums doch lieber so belassen möchte.

Nach den Terroranschlägen vom 11. September war es ein Leichtes gewesen, 100 Milliarden Dollar im Jahr für den so genannten Heimatschutz aufzutreiben, rechnete Radermacher vor. Die nötigen 60 Milliarden Dollar um im Rahmen der UN-Millennium-Entwicklungsziele bis 2015 die Armutsbekämpfung voranzutreiben, brächten die Industrienationen jedoch nicht auf. Die vorherrschende Agenda lautet für Radermacher deswegen: "Wie kommt noch mehr Geld zu jenen, die es ohnehin im Überfluss haben."

Um diese unheilvolle Entwicklung zu stoppen, propagiert Radermacher den Global Marshall Plan. Mit ihm sollte es möglich sein, die Zerstörungsprozesse in weltweite Balance umzuwandeln. Mit 35-prozentiger Wahrscheinlichkeit, glaubt Radermacher, sei es möglich, "dass jetzige System in etwas besseres zu transformieren, indem wir weltweit eine ökosoziale Marktwirtschaft durchsetzen." Was macht ihn zuversichtlich? "Die Historie macht Mut", sagte Radermacher: "Man muss Nein sagen, zum Vorteil aller."

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