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Pensionsdynamik: erste Phase

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Da in der ersten Septemberhälfte der von den beiden Regierungsparteien eingesetzte Unterausschuß für Sozialversicherung seine Beratungen über die Pensionsdynamik wieder aufnehmen wu-d, ist sicherlich die Frage am Platz, wie weit man bei den diesbezüglichen Verhandlungen vor der Sommerpause eigentlich gekommen ist.

Nun, in drei Punkten ist man sich einig geworden:

• Es ist unmöglich, bis zum 1. Jänner 1965 der Regierung einen fertigen Gesetzentwurf über die Einführung der Rentendynamik in unserer Pensionsversicherung vorzulegen; hierfür ist eine längere Anlaufzeit notwendig. Man rechnet mit der Einführung der Dynamik zum 1. Jänner 1966.

• Als Zwischenlösung denkt man sich für das kommende Jahr 1965 eine weitere Aufwertung der seit 1960 um mindestens 18 Prozent hinter den Preisen und Löhnen zurückgebliebenen Sozialpensionen. Die 13. Novelle zum ASVG vom 12. Dezember 1963 hat hier allerdings eine maximale sechsprozentige Abschlagszahlung zum 1. Jänner 1964 gebracht; nun soll als Zwischenstufe eine weitere Valorisierung der ASVG-Pensionen in zwei Etappen vorgenommen werden, deren erste bereits für den 1. Jänner 1965 angesetzt wurde. Hierzu hat die Bundeswirtschaftskammer eine Forderung auf gleiche Behandlung auch der GSPVG-Pensionisten angemeldet.

• An eine echte Pensionsautomatik, wie etwa bei den öffentlichen Bediensteten, wo bei einer Erhöhung der Aktivbezüge regelmäßig auch die Pensionen um den gleichen Prozentsatz steigen, wird nicht gedacht; es wird vielmehr ein nach bundesdeutschem Vorbild eingesetzter, aus Fachleuten bestehender Sozialbeirat der Regierung die allfällige Nachziehung der Pensionen zu empfehlen haben, die dann auf- Grund eines vom Parlament zu beschließenden Gesetzes durchzuführen wäre.

Offene Fragen

Nicht einigen konnte man sich über die Frage der Finanzierung der Dynamik. Die Pensionsversicherung der Unselbständigen nach dem ASVG hat sich zwar im ersten Quartal 1964 finanziell durchaus günstig entwickelt. Einnahmen von 3076 Millionen Schilling standen Ausgaben von 3041 Millionen Schilling gegenüber, so daß ein Überschuß von 35 Millionen Schilling erzielt werden konnte, während sich in der gleichen Zeit des Vorjahres ein Abgang von 81 Millionen Schilling ergeben hatte. Dennoch stellen die vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger dem Ausschuß vorgelegten Unterlagen eine recht düstere Prognose für die Zukunft. Nach ihnen soll der Pensionsaufwand auch ohne Dynamik 1970 um 38,9 Prozent höher sein als gegenwärtig, und der Bundeszuschuß zur Pensionsversicherung, der heuer 3,2 Milliarden Schilling beträgt, soll sich, gleichfalls ohne Dynamik, 1970 bereits auf 5,1 Milliarden Schilling erhöhen; um wieviel erst mit der Dynamik! Anderseits nimmt Finanzminister Schmitz hier einen sehr entgegenkommenden Standpunkt ein; er erklärt die Pensionsdynamik für eine Sache des ganzen Volkes, nicht nur der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, und ist daher zu weiteren Zuschüssen aus Steuergeldern bereit. Hier sind auch zwei verschiedene Gedanken neu in die Diskussion geworfen worden: 1. den Pensionsversicherungsbeitrag zu dritteln, wobei je ein Drittel desselben vom Arbeitgeber, Arbeitnehmer und vom Bund zu tragen wäre;

2. die bisherige Höchstbeitragsgrundlage in der Pensionsversicherung nach dem ASVG von 4800 aui 6000 Schilling zu erhöhen. Diesem letzteren Plan widerstrebt jedoch die SPÖ; sie würde dieser Erhöhung nur zu dem Zweck beistimmen, um die bisherige Unterversicherung dei Angestellten zu beseitigen, vor denen ein ganzes Drittel bereits mehr als 4800 Schilling monatlich verdient, keineswegs aber, um damit die Pensionsdynamik zu finanzieren.

Auch über den Aufwertungsfaktoi für die Dynamik hat man siel gleichfalls bis jetzt noch nicht einigen können. Die SPÖ erachtete den Lohnindex als den verläßlichsten Faktor, die ÖVP wünscht sich hingegen einen Mischindex, der alle maßgeblichen Elemente der Volkswirtschaft, wie Löhne, Preise, Bruttonationalprodukt und anderes berücksichtigt Daß dieses letztere im ersten Vierteljahr 1964 um volle sieben Prozent höher war als im Vergleichsjahr 1963, verdient in diesem Zusammenhang Erwähnung.

Die große Überraschung

Die letzte Sitzung des Unterausschusses für Sozialversicherung vor den Sommerferien brachte dann eine große Überraschung. Sein Mitglied, Abgeordneter Uhlir, der Sozialexperte der SPÖ, legte im Namen seiner Partei dem Ausschuß einen Antrag auf Aufhebung der soviel umstrittenen Ruhensbestim- mung des Paragraphen 94, ASVG, vor, dessen sofortige Annahme allerdings einstweilen am Widerspruch der Mitglieder des Ausschusses Hillegeist (SPÖ) und Reich (ÖVP) scheiterte. Vorangegangen war eine in letzter Zeit äußerst heftig geführte Pressekampagne, in der von allen österreichischen Tagesblättem einhellig die Forderung nach sofortiger Eliminierung des Paragraphen 94 aus dem ASVG erhoben wurde. Fast gleichzeitig hatten aber auch die Landeshauptleute Krainer (Steiermark) und Dr. Lechner (Salzburg) ihre Bereitwilligkeit dazu erklärt, im Namen ihrer Landesregierungen eine Überprüfung dieser Gesetzesstelle durch den Verfassungs gerichtshof herbeizuführen. Gegen sie nahm weiter die Landesparteileitung der ÖVP in Oberösterreich Stellung, und der Verband österreichischer Rentner und Pensionisten, der gegenwärtig 210.000 Mitglieder umfaßt, erklärte es nunmehr als eine seiner wichtigsten Zukunftsaufgaben, die Aufhebung des Paragraphen 94 durchzusetzen. Als dann Bundeskanzler Dr. Klaus von Salzburg aus mitteilte, auch er sei für die Aufhebung der ASVG-Ruhens- bestimmungen und für die Einführung der Pensionsdynamik, müsse aber beides von einer vorherigen Einigung der Regierungsparteien über die Wirtschaftswachstumsge- gesetze abhängig machen, nahm der Rentnerverband gegen eine solche Junktimierung scharf Stellung und erklärte die Frage der Pensionsautomatik für eine Existenzfrage einer großen Anzahl seiner Mitglie der, die noch immer sozial bedürftig seien.

Den letzten Anstoß für die Antragstellung der SPÖ im Unterausschuß bot dann der bekannte Erlaß des Unterrichtsministeriums, mit dem die pensionierten Lehrer aufgefordert wurden, sich zwecks Beseitigung des Lehrermangels in den Bundesländern wieder in den Dienst zu stellen. Hier wurde den Pensionisten der öffentlichen Hand neben ihrem vollen Ruhegenuß ein weiterer sehr ansehnlicher Vertragsbezug in Aussicht gestellt, während den ASVG-Pensionisten (den ehemaligen Lehrern an Privatschulen) die völlige Einstellung des Grundbetrages ihrer Sozialpension drohte. Diese krasse Ungleichheit, die in der Öffentlichkeit heftigen Widerspruch auslöste, hat dann die SPÖ veranlaßt, ihren Antrag auf Aufhebung des § 94, ASVG, einzubringen.

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