Windenergie - © Foto: iStock / Marcus Millo

Peter Böhler über nachhaltiges Investment: „Wir zeigen das Maximalrisiko“

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Wie man Kunden in Zeiten von Negativzinsen berät, warum sich Risiko lohnen kann und Donald Trump kein Investment wert wäre. Interview mit Peter Böhler, Vorstand der Ethik- und Nachhaltigkeitsbank Schelhammer und Schattera.

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Wie man Kunden in Zeiten von Negativzinsen berät, warum sich Risiko lohnen kann und Donald Trump kein Investment wert wäre. Interview mit Peter Böhler, Vorstand der Ethik- und Nachhaltigkeitsbank Schelhammer und Schattera.

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Die Covidkrise wird die Finanzmärkte noch Jahre beschäftigen und Entwicklungen wie die Negativzinsen verstärken. Wie soll man in einem solchen Umfeld Geld anlegen? Peter Böhler ist Vorstand von Schelhammer & Schattera, einer Bank, die auf nachhaltiges und ethisches Investment setzt.

DIE FURCHE: Wir stehen in einer Pandemie, die Verschuldung der Staaten steigt extrem. Die Zinsen sind niedrig bis negativ. Bank­direktor zu sein, ist derzeit kein ruhiger Job.
Peter Böhler: Ich bin seit fast 40 Jahren im Bankgeschäft. Es gab immer wieder Krisen und Blasen und alle möglichen Verwerfungen. Neu ist, dass diese Situation mit den Negativzinsen jetzt schon sehr lange dauert. Es wird immer schwieriger Renditen zu erzielen mit herkömmlichen Anlagen. Damit steigt jetzt auch die Bereitschaft, sich höherwertige Anlageformen anzuschauen.

DIE FURCHE: Und Corona im Speziellen?
Böhler: Die Pandemie hat zu einem unglaublichen Boom unseres Onlinegeschäfts geführt. Der Bereich ist ­geradezu explodiert. Auf der Finanzierungsseite waren wir stark gefordert, was etwa Kredit­stundungen betrifft. Wenn diese Stundungen dann auslaufen in den kommenden Monaten, wird man erst sehen, wie sich die Pandemie auf die Zahlungsfähigkeit ausgewirkt hat. Da könnte also noch etwas kommen.

DIE FURCHE: Sie haben das höhere Risiko für Anleger angesprochen durch die Negativzinsen. Wie vermitteln Sie das höhere Risiko Ihren Kunden?
Böhler: Wir ziehen es immer von der Risiko­seite her auf. Das heißt, wir zeigen dem Kunden, wenn er eine bestimmte Ertragserwartung hat, mit welchem Risiko das verbunden ist und nicht, welchen Gewinn er im besten Fall erwarten kann. Das Maximal­risiko zu zeigen hat sich sehr gut bewährt.

DIE FURCHE: Ihre Bank steht für Nachhaltigkeit und ethisches Investment. Nun gilt eine Bank, die rein auf ethisches Investment setzt, als unrentabel. Zumindest war das die Meinung einiger Experten. Wie hoch ist der Anteil an ethischem Investment in Ihrer Bilanz?
Böhler: In unserer Eigenveranlagung waren zum 31.12. 2020 etwa 60 Prozent des Portfolios nach den gleichen Kriterien, die auch für unsere ethisch-nachhaltigen Fonds gelten, veranlagt. Das bedeutet aber nicht, dass 40 Prozent der Eigenveran­lagung nicht nachhaltig wären. Dieser Teil ist aber keinen definierten Kriterien unterworfen und wird folglich nicht nach unseren Standards beurteilt. In den Depots unserer Kunden ist der nachhaltige Anteil etwa zwei Drittel.

DIE FURCHE: Ganz konkret, wenn ich in ­einen risikoreichen, aber ethisch einwandfreien Fonds investiert hätte, wie viel hätte ich in den vergangenen Jahren gewonnen oder verloren?
Böhler: Sie hätten mit unserem „SUPER­IOR 6“-Fonds, der ein reiner Aktienfonds ist und damit die höchste Risikostufe hat, in den vergangenen zehn Jahren etwa 10 Prozent jährlich gewonnen. Auch im vergangenen Jahr hatte dieser Fonds eine Rendite von knapp 9 Prozent pro Jahr.

DIE FURCHE: Das klingt doch sehr rentabel. Warum bieten Sie nicht ausschließlich nachhaltige Investments an?
Böhler: Zunächst geht es auch um die Wünsche der Kunden. Wenn jemand in Atomstrom investieren möchte und auch die Alternativen, die wir anbieten, nicht haben möchte, werden wir diesem Wunsch nachkommen. Zweitens muss man auch differenzieren nach Branchen und Regionen. Man kann, was die Standards an Arbeitsplatzsicherheit in der Aluminium­industrie betrifft, schwer das Gleiche erwarten wie etwa bei einem Unternehmen der IT-Branche. Wenn man da dieselben Standards ansetzt, würde vieles unmöglich werden. Wir wollen deshalb in jeder Branche die Besten auswählen. Auch regional: Man kann nicht erwarten, dass jedes indische Unternehmen EU-Standards aufweist. Aber wenn ein indischer Unternehmer bereit ist, Gehälter über dem Mindestlohn zu zahlen, seine Fabriks­abwässer zu reinigen etc., dann ist das ein Fortschritt, den man unterstützen sollte.

Langfristig zeigt sich: Je kürzer der Veranlagungszeitraum, desto spekulativer ist die Anlage. Wer fünf bis zehn Jahre bei seiner Anlage bleibt, hat die besten Aussichten.

DIE FURCHE: Aber wie komme ich als Bank zu solchen Unternehmen, die das Beste wollen und auch noch rentabel sind?
Böhler: Das schließt einander nicht aus, im Gegenteil. Es heißt nicht umsonst: Nachhaltigkeitsrisiken sind Portfoliorisiken. Ein Beispiel: Wir haben aufgrund unserer Nachhaltigkeitskriterien BP ausgeschlossen, lange bevor die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko passiert ist. Nicht, weil unser Fondsmanager gesagt hat, BP passt mir nicht. Sondern weil BP hat schon in den Jahren davor ganz klar gegen Umweltkriterien verstoßen hat, weil es Verurteilungen und Strafzahlungen gab, Beschwerden von Mitarbeitern, was die Arbeitsplatzsicherheit betrifft. Mit anderen Worten: Unternehmen, die sich moralisch nicht einwandfrei verhalten, werden früher oder später ein Problem bekommen. Im Wirtschafts­leben kann es ja nicht sein, dass sich jemand 20 Jahre nicht an die Regeln hält und dabei keine Schwierigkeiten bekommt.

DIE FURCHE: Es sei denn, man heißt Donald Trump und wird trotz allem zum Präsidenten der USA gewählt. Dann kann man die Stunde der Wahrheit zumindest hinauszögern.
Böhler: Hinauszögern wohl, aber nicht verhindern, wie man sieht. Ist aber auch ein gutes Beispiel. Die Kunst beim Investieren liegt darin, Unternehmen auszuwählen, die langfristig stabil sind und eine Krise überstehen können. Anhand der langfristigen Entwicklungen zeigt sich: Je geringer der Veranlagungs-Zeitraum, desto spekulativer ist die Anlage. Wer sein Geld nach einem Jahr wieder möchte, kann 30 Prozent gewonnen, aber auch 30 Prozent verloren haben. Wenn der Investor bereit ist, mindestens fünf bis zehn Jahre bei seiner Anlage zu bleiben, dann ist die Chance größer, das angepeilte Veranlagungsziel zu erreichen. Vorausgesetzt natürlich, man glaubt daran, dass unser Wirtschaftssystem sich so wie in den vergangenen Jahren ständig weiterentwickelt und nicht
irgendwann zusammenbricht.

DIE FURCHE: Aber dann helfen Bitcoin vermutlich auch nichts mehr.
Böhler: Dann ist alles unsicher und es gibt keine geeignete Veranlagungsform.

DIE FURCHE: Wie sehr ist Investitionsverhalten von politischen Ereignissen mitbestimmt? Wie etwa hat sich Trumps Wahl auf nachhaltige Investitionen ausgewirkt?
Böhler: Kurzfristig hat es schon Auswirkungen. Als Trump Fracking gefördert hat, sind solche Unternehmen kurzfristig im Kurs gestiegen, dann aber wieder stark gesunken. Generell kann man sagen: Bereitschaft nachhaltig zu investieren steigt kontinuierlich im zweistelligen Prozentbereich weltweit an. Das Pariser Klima­abkommen und die Wahl von Joe Biden haben diesen Anstieg noch einmal befördert.

DIE FURCHE: Trotzdem rechnen Wirtschaftsforscher der UN mit einer Krise, deren Auswirkungen bis 2030 spürbar sein könnten.
Böhler: Dass wir substanziell in den nächsten Jahren ganz schlechte Zeiten ­haben, erwarte ich nicht. Sobald eine ausreichende Impfrate erreicht ist, wird sich das Leben wieder normalisieren. Die ­Leute werden wieder mit Freude arbeiten und konsumieren. Ich glaube auch, dass die Investitionszurückhaltung wieder rasch vergehen wird. Der Mensch liebt es, seine Situation durch Arbeit und Wertschöpfung zu verbessern. Das wird weiter so sein.

DIE FURCHE: Beim Klimawandel wird die Zeit schon etwas knapp. Angesichts des Rückstands, sollte man da nicht mit ­strengeren Gesetzen arbeiten, um zu effektiven Fortschritten zu kommen?
Böhler: Ich bin zutiefst überzeugt, dass wir den kommenden Generationen etwas hinterlassen sollen, worauf sie bauen können und nicht etwas, das sie sanieren müssen. Wenn man das den Leuten ehrlich vermittelt, dann werden sie sich auch dazu verpflichten. Es wird wenig bringen, wenn ich alles reguliere und nur mit Strafen drohe, wenn die Menschen nicht motiviert sind.

Peter Böhler - © Foto:  peterberger.photography

Peter Böhler studierte Betriebswirtschaft in Wien und arbeitete bei Chase Manhattan und der Ersten Bank, ehe er als Vorstand zu Schelhammer & Schattera wechselte.

Peter Böhler studierte Betriebswirtschaft in Wien und arbeitete bei Chase Manhattan und der Ersten Bank, ehe er als Vorstand zu Schelhammer & Schattera wechselte.

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