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Phänomen „Arbeiterbank“

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Än der Spitze der Privatbanken unseres Landes steht als Kapitalsammelstelle von Gewerkschaften und Konsumgenossenschaften die „Arbeiterbank Aktiengesellschaft Wien“, die im Juni dieses Jahres ihren Titel in „Bank für Arbeit und Wirtschaft AG.“ ändern wird.

Ihrer Eigenart und den Bestimmungsgründen des Ursprungs entsprechend ist die Arbeiterbank ein sogenannter „Tendenzbetrieb“, eine Kooperation von Gesinnung und Durchführung wertefreier Arbeitsaufgaben im Interesse der Realisierung von Ideen.

Insoweit kann man die Arbeiterbank mit Finanzinstituten, die kirchlichen Interessen dienen, vergleichen, deren von Naiven und Romantikern oft nicht verstandene Aufgabe es ist, das, was an kirchlichen Einrichtungen Apparat ist, in ihrer Tätigkeit, die doch auch eine solche in der Welt ist, zu unterstützen.

Von Renner bis heute

Die Idee, eine Arbeiterbank zu errichten, stammt von Karl Renner, der sich in vielen Situationen an die Wirklichkeit zu adaptieren verstand und auch die Tatsache erkannte, daß die auch in der Ersten Republik nicht unbeachtlichen Mittel der Arbeiterbewegung dieser unmittelbar verfügbar gehalten werden müßten. Das Institut hatte übrigens im „Kreditverband österreichischer Arbeitervereinigungen“ (einer Genossenschaft mit beschränkter Haftung), der bereits 1912 errichtet worden war, eine Vorgängerorganisation.

Die offizielle Gründung der Arbel-terbank fand am 22. Juni 1922 statt; die Schalter wurden am 2. Jänner 1923 eröffnet, in einer Zeit, in der Wirtschaft und Währung Österreichs vor dem Zusammenbruch standen. Ein Jahr später wurde von den gleichen Propo-nenten in Salzburg die „Salzburger Volkskreditbank“ ins Leben gerufen, deren Wiedererrichtung als Filiale der Arbeiterbank AG. in diesem Jahr vollzogen worden ist. Der erste Geschäftsführer des Salzburger Institutes war der Jetzige Bürgermeister von Salzburg, B 5 ck. Der neue Leiter ist der Landtagsvizepräsident Kimmel.

Die Gründer und Aktionäre der alten Arbeiterbank waren die Freien (sozialistischen) Gewerkschaften und die Konsumgenossenschaften. Da an die Stelle der Richtungsgewerkschaften nunmehr der überparteiliche Gewerkschaftsbund getreten ist, sitzt jetzt im Aufsichtsrat der einst nur sozialistischen Arbeiterbank auch ein Vertreter der Fraktion christlicher Gewerkschafter (1961 war es nach dem Geschäftsbericht Sekretär W e d e n i g).

Im Jahre 1934 wurde die Arbeiterbank, wie alle Einrichtungen der sozialistischen Partei, aufgelöst. An die Wiedererrichtung konnte erst im Jahre 1947 geschritten werden.

Das Filialnetz der Arbeiterbank ist nicht so umfangreich, wie man es unter Bedachtnahme auf das Volumen der Geschäftsverbindungen vermuten

müßte. Derzeit gibt es neun Niederlassungen und Geschäftsstellen, denen freilich als Sammelstellen für Spargelder die Konsumvereinsfilialen zuzurechnen sind.

Die Aufgaben

Im Ursprung und den Intentionen der Gründer entsprechend, war die Arbeiterbank eine Clearingstelle sozialistischer Organisationen, ein institutioneller Versuch, gleichsam klassenintern einen Kreditmarkt zu errichten. Vor allem ging es darum, die beachtlichen Beitragsfonds der Gewerkschaften, der Sozialdemokratischen Partei und der Konsumvereine, nicht in die Depots der privaten Banken zu geben,

sondern sie, akkumuliert, den sozialistischen Organisationen dienstbar zu halten. Gleichzeitig gelang es dadurch, die Fonds der Arbeiterbewegung den spekulativen und daher risikointensiven Operationen der privaten Geldinstitute zu entziehen. Schließlich hatte die Sozialdemokratische Partei auch noch der Partei nahestehende Unternehmungen wie die jetzt nicht mehr im Konzern der Arbeiterbank befindlichen Hammerbrotwerke kreditmäßig zu versorgen, wozu sich eine Eigenbank besser eignete als eine Kommerzbank.

Heute ist die Arbeiterbank mit ihren fast 250 Mitarbeitern wohl noch immer ein Institut, das in erster Linie in einer Art Umlageverfahren „Arbeitergeld“ ansammelt und an nahestehende Organisationen als Kredit weitergibt. Darüber hinaus wird aber in einem steigenden Umfang das Kleinkreditgeschäft gepflegt, wie auch jedes bankmäßig vertretbare Geschäft gemacht. Die Geschäftspartner sind nicht mehr allein die Organisationen der Arbeiterbewegung, sondern alle Unternehmungen, ob sie nun dem Bereich der Gemeinwirtschaft oder dem sogenannten privaten Sektor angehören. Das Prinzip der bedingten Solidarität wurde zugunsten einer allgemeinen Solidarität aufgegeben. Die Arbeiterbank ist eine Kommerzbank geworden.

Auf diese Weise kommt es zu der vor allem in den USA, aber auch in anderen Ländern keineswegs mehr als erstaunlich empfundenen Tatsache, daß die Klassenkampfpartner einander nicht nur auf dem Arbeitsmarkt begegnen, sondern auch beim Bankschalter und dadurch auf dem Geld- wie auch auf dem Kapitalmarkt. Nichts vermöchte drastischer die gewandelte sozialökonomische Situation zu markieren als das Phänomen, daß „Ausbeuter“ bei den Geldinstituten der „Ausgebeuteten“ Kredite aufnehmen, sich also einen Teil der von ihren Arbeitnehmern ge-

zahlten Gewerkschaftsbeiträge auf dem Kreditweg wieder zurückholen, wodurch sie unter die „Zinsknechtschaft“ der Bank der Arbeiter kommen.

Die Führung

Nach der Pensionierung des bisherigen Generaldirektors Kom.-Rat D i 11 r i c h hat seit Jahresbeginn die Führung des Institutes Professor Fritz K 1 e n n e r, Österreichs Gewerkschaftshistoriker, der vom beurlaubten Botschafter W o d a k in Fragen des Außenhandels beraten wird.

Interessant ist, daß sich die Bezüge des sechsköpfigen Vorstandes im Jahre 1961 insgesamt nur auf 573.000 Schilling beliefen, was bedeutet, daß bei 14 Monatsgehältern auf das einzelne Vorstandsmitglied lediglich ein Monatsgehalt von zirka 7000 Schilling entfiel. Die Mitglieder des Aufsichtsrates erhielten für ihre Tätigkeit keinerlei Vergütung.

Der Anzeiger der Größe eines Geldinstitutes ist vor allem die Bilanz-

summe. Diese ist im Jahre 1961, für welches der Jahresbericht vorliegt, sehr beachtlich gewesen: 2.632,905.000 Schilling. Der Anstieg gegenüber

1960 betrug nicht weniger als 13 Prozent. Im Berichtsjahr gab es Ausleihungen von 1.305,386.000 Schilling.

Die Eigenkapitalsrentabilität belief sich auf etwa sieben Prozent und zeigt mit Rücksicht auf die Höhe einzelner Passivierungen einen guten Durchschnitt.

Die Struktur des Fremdkapitals weist auf die Eigenart der Mehrheit der Einleger hin, die über ihr Geld nur langfristig disponieren. Von 2431 Millionen Schilling Fremdkapital sind 1181 Millionen Schilling mit einer sich bis auf zwölf Monate erstreckenden Kündigungsfrist gebunden, wozu noch Spareinlagen kommen (wahrscheinlich zum Teil über den Apparat der Konsumvereine), von denen ebenfalls, wie bei anderen Geldinstituten, ein relativ großer Teil faktisch langfristig auf den Konten belassen wird. Die Folge eines auf relativ lange Fristen verfügbaren Fremkapitals ist, daß die Arbeiterbank im Sinne der Goldenen Bankregel selbst wieder langfristige Kredite geben kann.

Die Haftungssumme gemäß Paragraph 11, Absatz 2 des Kreditwesengesetzes betrug nicht weniger als 150 Millionen (Grundkapital und Rücklagen unterschiedlicher Zweckbestimmung). Die liquiden Mittel erster Ordnung (Kassenbestände und sofort liquidierbare Forderungen) betrugen

1961 524 Millionen, sind also auch beachtlich und beweisen nicht nur eine Entsprechung zu den Bestimmungen des KWG, sondern auch die durchaus kommerzielle, vorsichtige Führung des Institutes; immerhin verwaltet die Bank auch die Mittel des Streikfonds, das heißt politische Gelder, die nicht nur überhaupt, sondern in relativ kurzer Frist liquidierbar sein müssen.

Gestern und Heute

Von Organisationen für Organisationen errichtet, ist die Arbeiterbank heute zuerst eine Kommerzbank. Wie viele andere. Die Verankerung im Bereich der privaten Wirtschaft als Finanzier eines beachtlichen Teiles der österreichischen Produktion und auch als Geldgeber für Transaktionen im Ausland beweist, daß die Arbeiterbank der Ersten und der Zweiten Republik nur mehr den Namen gemeinsam haben. Nicht, als ob die Arbeiterbank ihrer ursprünglichen Aufgabe untreu geworden wäre. Sie hat lediglich den klassenmäßig fixierten Aufgaben neue hinzugefügt und will diesen Sachverhalt nunmehr auch durch eine Namensänderung vor aller Öffentlichkeit andeuten.

Obwohl noch Hausbank von mehrheitlich sozialistischen Organisationen und Kassenführer von unterschiedlichen Kapitalsammelstellen der Arbeiterschaft, ist die Arbeiterbank keineswegs mehr eine Parteibank, ebenso wenig, wie die im Eigentum der Republik befindlichen Großbanken ihre Bindung an den so gut wie einzigen Eigentümer kaum für die Öffentlichkeit wahrnehmen lassen. Zumindest gilt das nicht für die Habenseite der Schlußbilanz, für die Ausleihungen. Die Sollseite der Bilanz der Arbeiterbank ist interessant. Auch wenn man den internen Geschäftsbericht nicht einsehen kann, so fällt doch auf, daß die Arbeiterbank ihre Stellung als Depot von Mitteln halten konnte, stellt sie doch das Bankinstitut des Organisationsbereiches einer sozialen Großgruppe dar. So konnte die Arbeiterbank ihre Eigenart als Tendenzbetrieb, als Kooperation von Gesinnung und Durchführung wertefreier Arbeitsaufgaben im Interesse der Realisierung von Projekten ideeller Natur erhalten.

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