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Probleme der Selbständigenversicherung

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Der Nationalratsäusschuß für soziale Verwaltung will demnächst Beratungen über einen Initiativantrag auf Schaffung eines Gesetzes über die Versicherung der selbständig erwerbstätigen Personen aufnehmen.

Es ist kein Schritt in sozialpolitisches Neuland, der da gemacht werden soll, da dazu schon eine Reihe von Vorbildern, unter anderen die 1939 eingeführte Deutsche Handwerkerversicherung, besonders aber das tschechoslowakische Selbständigen - Versicherungsgesetz aus dem Jahre 1925, das allerdings erst 1945 in Kraft trat, existieren. Vorerst wird es notwendig sein, den Umkreis der versicherungspflichtigen Personen abzustecken: Soll er sich nur auf die in der gewerblichen Wirtschaft selbständig erwerbstätigen Personen oder auch auf die Landwirte beziehen? Die österreichische Landwirtschaft zeigt wenig Interesse dafür, daß ihre Mitglieder in eine Zwangsversicherung einbezogen werden; sie ist der Anschauung, daß durch das Ausgedinge genügend Vorsorge für das Alter getroffen ist. Soll den Advokaten, Ärzten und Tierärzten eine Sonderstellung innerhalb der Versicherung gewährt werden und wird eine in das Gesetz einzubauende Zusatzversicherung hiezu genügen? Soll weiter lediglich die Kranken-, Alters- und Hinterbliebenenversicherung geregelt oder soll auch die Versicherung gegen Invalidität eingeführt werden, der, wie mancherseits betont wird, in der Selbständigenversicherung im Gegensatz zur Angestellten- und Arbeiterversicherung nur geringe Bedeutung zukommt. Würde man auf sie verzichten, so gäbe dies die Möglichkeit, entweder den Versicherungsbeitrag wesentlich zu senken oder die vorbeugende Heilfürsorge im Rahmen der Krankenversicherung entsprechend auszugestalten. In diesem Falle würden sich somit die Leistungen der Rentenversicherung auf Alters-, Witwen-, Witwer- und Waisenrenten beschränken, wobei als Einmalleistungen der Ausstattungsbeitrag (im Falle der Eheschließung einer weiblichen Versicherten) und das Begräbnisgeld hinzukämen, letzteres allerdings nur unter der Voraussetzung, daß eine solche Leistung nicht schon in der Krankenversicherung anfallen würde. Die Altersrenten müßten, soferne der Rentner Kinder unter 18 Jahren hat, die noch nicht als erwerbsfähig angesehen werden können, durch Erziehungszuschüsse ergänzt werden. Soll die Altersrente weiter bei Männern mit dem 65. oder mit dem 60. Lebensjahre anfallen und sollen für Frauen die gleichen Bestimmungen gelten? Welchen Einfluß übt der Umstand auf den Rentenanfall aus, daß der Versicherte zwar das gesetzliche Alter erreicht hat, aber noch weiterhin erwerbstätig ist? Wie soll die Einreihimg der Versicherten in den einzelnen Einkommensklassen erfolgen: auf Grund der Selbsteinschätzung oder der letzten Er-werbssteuerfassion? Wie erfolgt bei Nichtabfuhr der Versicherungsbeiträge deren Eintreibung? Darf doch keineswegs vergessen werden, daß sich hier nicht wie in der Arbeiter- und Angestelltenversicherung eine dritte Person (der Arbeitgeber) zwischen den Versicherten und dem Versicherungsträger einschiebt.

Daß die Selbständigenversicherung zwangsläufig (obligatorisch) und ohne obere Alters- und Erwerbsgrenze sein muß, ist selbstverständlich. Diese Momente gehören zu den Kriterien jeder öffentlich-rechtlichen Versicherung. Hingegen wäre es aus finanziellen Gründen verfehlt, der Selbständigenversicherung einen Ipso-jure-Charakter zu geben, das heißt daß schon die Ausübung einer Versicherungspflichten Tätigkeit allein die Versicherung begründet, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob eine Anmeldung beim Versicherungsträger erfolgte und die Beiträge auch abgeführt wurden. Besondere Berücksichtigung wird man auch dem Umstand schenken müssen, daß ein gewisser Teil der unter die neue Versicherung fallenden Personen ihre frühere Angestellten- oder Arbeiterversicherung freiwillig fortsetzen; hier wird es nach dem Inkrafttreten des Selbständigenver-sicherungsgesetzes zu einer Uberweisung der Prämienreserven (des Deckungsanteils) an den neuen Versicherungsträger kommen müssen.

Und damit kommt man zu einem weiteren hochwichtigen Problem: Wie soll denn dieser Versicherungsträger organisatorisch aufgebaut sein? Bei aller Sparsamkeit — die Regie wird nicht mehr wie sechs Prozent der Prämieneinnahmen betragen dürfen — wird doch, soll die neue Versicherung einwandfrei funktionieren, eine Anlehnung an die bestehenden Sozialversicherungsträger nicht in Frage kommen können. Empfehlenswert wäre die Dreiteilung:

1. Zentralanstalt für Selbständigenversicherung in Wien;

2. Landesstellen in den Hauptstädten der Bundesländer;

3. Exposituren für die Krankenversicherung in allen größeren Orten, denen dann auch die Einhebung und Abfuhr des einheitlichen Versicherungsbeitrages obliegen würde.

Der Versicherungsträger wäre durch demokratisch gewählte Organe zu verwalten, denen die Versicherten anzugehören hätten; zweckmäßig wäre hiebei die Kooptierung von nicht der Anstalt angehörigen Versicherungsfachleuten, die den Sitzungen der Verwaltungsorgane mit beratender Stimme beizuwohnen hätten. Daß Vertreter des Staates als Aufsichtskommissäre an der Verwaltung des Versicherungsträgers teilnehmen, ist schon deshalb notwendig, weil für die ersten Jahre des Bestandes der neuen Anstalt die Zuwendung eines Staatsbeitrages erwünscht sein wird.

So würde denn die Einführung der Selbständigenversicherung das große Werk der österreichischen Sozialversicherung erst krönen und von neuem bestätigen, daß Österreich trotz der schweren Lasten der Besatzung auf sozialpolitischem Gebiet in vorderster Reihe steht.

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