"Radovan KaradÇzi´c - Steig herab von den Bergen "

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Schon wieder gescheitert: Die von der NATO geführte Stabilisierungstruppe in Bosnien-Herzegowina (SFOR) hat am Wochenende erneut erfolglos die beiden als Kriegsverbrecher angeklagten Radovan KaradÇzi´c und Ratko Mladi´c gefahndet. 80 Soldaten umstellten einen Radiosender, der KaradÇzi´cs Tochter Sonja gehört, das Haus seiner Frau Ljiljana sowie ein früheres Wohnhaus des mutmaßlichen Kriegsverbrechers und durchsuchten mehrere Krankenhäuser sowie eine serbisch-orthodoxe Kirche. Doch KaradÇzi´c und Mladi´c blieben unauffindbar.

In der Schlacht sterben

"Ich habe NATO-Soldaten weinen sehen. Aber Radovan ist Serbe. Er wird eher in der Schlacht sterben als sich ergeben", sagt Miroslav Toholj, ein serbischer Buchverleger, der Radovan KaradÇzi´c im Programm hat. Gerade ist ein Kinderbuch des ehemaligen Präsidenten der Serbischen Republik fertig geworden. Etwas älter ist das Drama "Sitovacija", eine Satire über Politiker des Nachkriegbosniens. Kein herausragendes Werk muss der Verleger gestehen: "Aber bedenken Sie unter welchen Bedingungen KaradÇzi´c geschrieben hat: Bei Kerzenlicht in einer entlegenen Berghütte? In der kahlen Zelle eines serbisch-orthodoxen Klosters? Im Allradwagen auf der Fluch vor NATO-Truppen?" - "Ich habe das Manuskript von seiner Frau Ljiljana. Keine Ahnung, wo er steckt", bekennt der Verkeger in einem Interview gegenüber der Züricher Weltwoche.

Kirche als Unterschlupf

Die SFOR hatte am Samstag Hinweise über einen erkrankten oder verletzten Kriegsverbrecher erhalten, der ärztlich versorgt werden sollte. Inoffiziell hieß es, es habe sich um KaradÇzic gehandelt. Auch dessen Armeebefehlshaber Mladi´c käme in Frage, weil er seit Jahren als schwer krank gilt.

Der ehemalige Präsident der Serbischen Republik war 1996 untergetaucht und wird seitdem im Osten Bosniens vermutet. Die Chefanklägerin des UNO-Kriegsverbrechertribunals, Carla del Ponte, hatte unlängst die serbisch-orthodoxe Kirche beschuldigt, dem flüchtigen Angeklagten in ihren Kirchen und Klöstern Zuflucht zu bieten. Mladi´c soll sich nach Angaben des UNO-Tribunals im Westen Serbiens, nahe der Grenze zu Bosnien, versteckt halten. Belgrad hat dies immer wieder dementiert.

Zum Mythos geworden

Es wird vermutet, dass KaradÇzi´c zwischen 20 und 40 Beschützer um sich hat. Sie sollen in drei Ringen postiert sein, wobei nur die Wachen des innersten Ringes wirklich wissen, wo er sich aufhält. Die Leibwächter kommen aus serbischen Eliteeinheiten, sind "sehr professionell und gut informiert", weiß Julian Braithwaite, der Sprecher des Hohen Repräsentanten in Sarajewo. "Und KaradÇzi´c kann sich auf Mittelsmänner überall in der Republika Srpska verlassen."

Der 58-jährige KaradÇzi´c ist vor dem UNO-Tribunal in Den Haag wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnien-Krieges (1992-1995) angeklagt. Aber in der Region ist KaradÇzi´c ein Mythos: "Steig herab, Rascho KaradÇzi´c, steig herab von den Bergen / du warst vier Jahre nicht bei uns", heißt es in einem populären Schlager in der Republika Srpska . WM/APA

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