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Randbemerkungen ZUR WOCHE

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EIN GEFÄHRLICHER WEG ist von denen beschritten worden, die am Donnerstag Bau- und Holzarbeiter auf die Ringstraße schickten, um gegen den Haushaltsplan des Finanzministers zu demonstrieren. Kein Wort gegen die Kritik eines staatswirtschaftlichen Konzepts, selbst dann nicht, wenn die Notwendigkeit strenger Planung so nahe liegt, wie in diesem kleinen notgeplagten Lande. Aber die Straße ist kein Argument für Budgetsanierung. Alle Achtung vor dem Können der Arbeiter, der Maurer und Zimmerer, die unsere Häuser und Brücken bauen. Aber in Sachen der Bewilligung einer Milliardenschuld im Staatshaushalt sind sie schwerlich die zuständigen Fachleute. Die Straße, ihre erhobene Faust, ihre Drohung? Was das bedeutet, welche Geister man da rief, welchen Interessen da gedient wurde, das zeigte sich sofort in der Einreihung von Wagenladungen voll kommunistischer Jugendlicher in die Demonstration. Abermals näherte sich der sozialistischen Arbeiterschaft mit seinen Fraterni- sierungskünsten der Versucher, dem die Erfinder dieser Straßendemonstration selbst das Hölzel geworfen hatten. Und dann war auch schon die verdiente Lektion da: Die Straße war ganz überflüssig gewesen, man hatte sie für nichts und wieder nichts mobilisiert. So wie es sich geziemt, war am Verhandlungstisch, ohne daß jemandem ein Haar ausgerissen wurde, zwischen den beiden in gleicher Weise verantwortlichen Regierungsparteien ein Einvernehmen erzielt worden, das ohne folgenschwere Kürzungen und ohne neue Steuern für Ordnung im Staatshaushaltspläne sorgt. Auf die Art, wie es in der Demokratie zu sein hat. Wer es anders probiert, wer mit dem Terror zu fackeln beginnt, der vergreift sich an der Demokratie, dem Gesetz unseres staatlichen Bestandes.

MIT GROSSER SCHNELLIGKEIT wächst der Anteil der indirekten Steuern an den österreichischen Staatseinnahmen. Dafür gibt es mancherlei Gründe: ihre Einhebung ist nicht nur vergleichsweise einfach, sie erfolgt auch in einer Form, die jeden Einspruch des Steuerzahlers ausschaltet. Es gibt keine „Berufung“ dagegen, daß in den Preis eines Gebrauchsgegenstandes die Umsatzsteuer mit dem Satz von je 5 Prozent nacheinander vier-, fünf- oder gar sechsmal einbezogen ist. Denn diese Steuer verfolgt jeden geschäftlichen oder Erzeugungsvorgang wirklich „von der Wiege bis zur Bahre“, vom Rohstoff bis zum Verkauf des Endprodukts, und das ist in der modernen Wirtschaft ein langer Weg. So trägt sie denn auch in aller Stille ihren redlichen Anteil an dem überhöhten Preisniveau. Die indirekten Steuern sind aber nicht nur bei den Staatsverwaltungen beliebt. Sie werden auch von allen jenen befürwortet, die die Progression der direkten Steuern fürchten, bei denen also, die zum Steueraufkommen auf Grund ihrer erhöhten Wirtschaftskraft einen erhöhten Anteil zu leisten hätten. Überdies ist die Umsatzsteuer eine rechtens auf den Konsumenten ,,überwälzbare“ Abgabe, wird also nicht vom Erzeuger selbst getragen. Dem ist jedoch die alte Feststellung entgegenzuhalten, daß die indirekten Abgaben, für die wir nur ein einziges Beispiel genannt haben, zu denen aber auch die Zölle und Tarife gehören, gerade die Minderbemitttel- ten besonders hart treffen, jene Kreise also, deren Einkommen im Konsum aufgeht. Und schließlich wächst ihre Last, wie die katholische deutsche Wochenzeitung „Michael“ mit Recht bemerkt, mit der Kind er- zah l“.

„Überdenkt heute ein Familienvater seinen kleinen Etat, so kann er überhaupt nicht mehr feststellen, wieviel er von seinem Verdienst oder Gesamteinkommen an Steuern abgibt. Die direkten Steuern sind zwar herauszufinden, aber die indirekten sind zu einer unbekannten großen Belastung geworden. Fast alle Verbrauchsgüter werden mehr oder weniger besteuert. Es ist erwiesen, daß die Summe der indirekten Steuern in einer Familie mit der Zahl der Verbraucher und der Menge des Verbrauchs wächst…

In der kinderreichen Familie kann diese Belastung des Lebensstandards schließlich zur Notlage führen… Ist für den Familienvater die direkte Steuer (Lohnsteuer) auch etwas herabgesetzt, so wird ihm doch durch die indirekte Steuer wesentlich mehr abgenommen als dem Alleinstehenden … In einer mehrköpfigen Familie wird prozentual mehr für Ernährung ausgegeben als für andere Zwecke. Somit ist die Belastung durch indirekte Steuern für diese Familie besonders groß, in jedem Fall größer als für den Kinderlosen oder den kinderlos Verheirateten.“ Es ist Übung geworden, daß dem österreichischen Parlament alljährlich ein „Steueränderungsgesetz“ vorgelegt wird, das die Einhebung und Verteilung der Steuerlasten den Erfordernissen der Zeit anpaßt. Ein solches Gesetz, ist eben wieder in Vorberatung und wird in Kürze dem Nationalrat vorgelegt werden. Der Augenblick ist also da, eine sozial gerechtere Verteilung der Staatslasten vorzunehmen.

DIE ITALIENER SIND INDIVIDUALISTEN und lieben die Freiheit sehr. Man kann sich daher vorstellen, daß es einen harten Kampf gegeben hat, bis die Kammer nun den Gesetzentwurf der Regierung annahm, der für alle Jugendschriften eine Vorzensur einführt. Aber schließlich hat es doch 265 Stimmen dafür gegeben und nur 34 dagegen. Die Sozialisten und die Liberalen versuchten, das Gesetz so zu ändern, daß zwar sein Zweck einigermaßen erfüllt, aber doch des Zensors Rotstift vermieden werde, und in der Öffentlichkeit Wurden sie von manchem Schriftsteller und Künstler unterstützt. Die Christlichen Demokraten aber ließen sich nichts abhandeln. Nun hat freilich in Italien das Unwesen der Groschenhefte für die Jugend besonders stark überhandgenommen, vor allem in der Form der gezeichneten Fortsetzungsgeschichten, und daß etwas dagegen geschehen sollte, gaben auch die Gegner des Zensurgesetzes zu. Dem, der die Vorzensur umgeht oder entgegen einem ablehnenden Bescheid eines der Uberwachungsausschüsse Druckerzeugnisse in den Handel bringt, drohen empfindliche Strafen. Sehr viel wird darauf ankommen, wie diese Ausschüsse arbeiten. Sie zählen eine ganze Reihe von Mitgliedern; der Staatsanwalt gehört ebenso dazu wie einige Lehrer und wie, was .bei dem ausgeprägten Familiensinn der Italiener wichtig ist, ein Familienvater und, die Mutter einer Familie. Sie in erster Linie sollen „den gesunden Menschenverstand“ vertreten. Gewissermaßen zur Kontrolle ist in dem Gesetz die Bestimmung auf genommen, daß die Entscheidungen der Zensurausschüsse öffentlich bei der Staatsanwaltschaft ausgelegt werden müssen. Der Senat muß dem Gesetz noch zustimmen. Wenn er es tut und die Vorzensur dann in Kraft tritt, wird das Verfahren ein Versuch sein, der Väter und Mütter, Erzieher, Schriftsteller und Verleger nicht nur in Italien interessiert.

FENNOSKANDIA ist ein heute noch wenig bekannter Begriff. Aber- das kann sich leicht ändern. Denn das Siedlungsgebiet der Lappen, das unter dieser geographischen Bezeichnung zusammengefaßt wird, ist trotz seiner, scheinbaren Abgelegenheit und tatsächlichen Unwirtlichkeit ein weltpolitisch wichtiger Landstrich. Er umfaßt den nördlchen Teil von Finnland, Norwegen und Schweden nebst dem angrenzenden sowjetischen Landstreifen bis zum Weißen Meer. Und gerade von diesem letzten Gebiet aus wird eine Bewegung gestartet, die die Befreiung der unter norwegischer, finnischer und schwedischer Flagge lebenden Lappen proklamiert, In „Fennoskandia“ liegen die weltbekannten Erzgruben von Kiruna und Kirkenes, die Nickellager von Petsamo, und der. Nordsaum dieses heute noch imaginären Landes, vom Golfstrom bespült, weist eisfreie Häfen, wie etwa Hammerfest, auf. Lappland ist. zu alledem noch der dem nordamerikanischen Kontinent am nächsten gelegene Teil Europas. So werden den Lappländern die Schönheiten eines eigenen Lappenstaates dargelegt, in dem sie ohne Ausbeutung durch die artfremden weißen Männer ein freies Dasein führen könnten. Und wie immer in solchen Fällen finden sich auch reale Ansatzpunkte für eine solche Propaganda in alten Rückständigkeiten und Zurücksetzungen, die wohl in raschem Schwinden begriffen sind, aber eben deshalb noch schnell politisch ausgemünzt werden sollen. Es ist dies .der vielleicht bedrohlichste Anschlag auf die nordskandinavischen Länder, ihre Einheit und Sicherheit, der sich hier abzeichnet: der archimedische Punkt, von dem aus dieser neutrale Staatenblock aus den Angeln gehoben werden soll.

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