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Reform?

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Nach den jahrelangen. Diskussionen und Polemiken über alles, was mit Wohnungen zusammenhängt, ist alle Welt für eine Reform. Wird aber das dem Nationalrat vorgelegte Reformwerk das Wohnungsproblem auch einer Lösung näherbringen? Prognosen sind hier problematisch, weil zu viele unbekannte Faktoren in der Rechnung stehen. Man drf sich jedoch von den neuen Förderungsbestimmungen kaum menr Wohnungen als bisher erwurten und sicher keine billigeren. Vielleicht wird das Angebot an Altwohnungen durch die freie Zinsvereinbarung größer.

Es gibt allerdings manches Begrüßenswerte, das nicht übersehen werden darf. Dazu gehört vor allem die Zusammenlegung der diversen Fonds und die Vereinheitlichung der Förderungsbestimmungen. Dadurch entfällt zumindest für die fernere Zukunft eine völlig unbegründete Diskriminierung oder Bevorzugung von Wohnungswerbern, die durch die jeweilige Finanzierungsart eines Baues bedingt ist. Allerdings wird das neue Finanzierungsschema von 60 Prozent öffentlichen Mitteln, 30 Prozent kommerziellen Darlehen und 10 Prozent Eigenmitteln eine empfindliche Verteuerung der Mieten beziehungsweise Rückzahlungen für Neubauwohnungen nach sich ziehen. Es wäre vernünftig, wenn man den Anteil des öffentlichen Fonds, wie von Opposition und Familienorganisationen angeregt, generell auf 70 Prozent hinaufsetzen würde.

Um die Anteile der einzelnen Bundesländer an den Förderungsmitteln wird bereits seit Monaten vor und hinter den Kulissen heftigst gerungen. Die Landeshauptleute konnten in diesem Punkt zu keiner Einigung gelangen und überließen es somit der Bundesregierung, eine Entscheidung zu treffen. Diese muß zu Lasten Wiens gehen. Man sollte darin aber keineswegs nur das Produkt einer Gegen-Wien-Politik sehen. Der Anteil Wiens war bisher mit rund 43 Prozent der öffentlichen Wohnbaumittel außerordentlich hoch. Dies nicht unberechtigt, weil die Bundeshauptstadt im Krieg sehr gelitten hat und überdies ihr qualitativer Wohnungsfehlbestand noch immer sehr groß ist. In den vergangenen 20 Jahren konnte nun manches aufgeholt werden. Die Argumente der anderen Gemeinden Österreichs, vor allem jener mit starkem Bevölkerungszuwachs, haben aber dazu geführt, daß es zu einer Umverteilung der Förderungsmittel zu Lasten Wiens kommen wird.

Ein heikler Punkt des Wohnbau-förderungsgesetzes 1968 ist die seit langem von Familienverbänden und auch von führenden Politikern der Volkspartei verlangte Subjektförderung. Diese sieht in der Regierungsvorlage zwar besser aus als im ersten Entwurf, sie ist aber trotzdem nur ein Torso. Das geplante Wohnbeihilfengesetz hängt in seiner Wirksamkeit ausschließlich von den Durchführungsbestimmungen der Länder ab, und bereits bestehende Systeme dieser Art lassen nicht außerordentlich viel erwarten.

Im Zusammenhang mit der Neuordnung des Förderungswesens wäre auch eine Überprüfung der Organisation des gesamten Wohnungsbaues überfällig. Es gibt eine Unzahl sogenannter gemeinnütziger Gesellschaften, die nicht in der Lage sind, rationell Wohnbau zu betreiben. Hier wäre eine Strukturbereinigung durch Konzentration dringend notwendig und die öffentliche Hand könnte diesen Prozeß durch eine gewisse Selektion bei der Förderung beschleunigen.

Der Mieterschutz in seiner heutigen Form wird als eine österreichische, ja sogar als eine Wiener Besonderheit hingestellt. Den Minderwertigkeitsgefühlen vieler Österreicher entsprechend, wird daraus gerne geschlossen, daß dieser Mieterschutz deswegen eine schlechte Sache sein müsse. Er ist es aber, der Idee nach, sicher nicht. Insbesondere der Kündigungsschutz als ein wesentlicher Bestandteil dieses Systems stellt ein Element der Stabilität dar, auf das man unter den gegebenen österreichischen Verhältnissen nicht ganz verzichten sollte.

Was bringt nun das angekündigte Mietrechtsänderungsgesetz? Vorerst zum Mißvergnügen vieler Hausbesitzer keine offene allgemeine Zinserhöhung. Aber entgegen manchen Zusicherungen wird es zu indirekten Mietenerhöhungen kommen, und zwar in Form von Zuschlägen für die Verwaltung der Häuser. Diese können bis zu vier Schilling pro Quadratmeter und Jahr betragen. Es läßt sich bereits heute mit ziemlicher Sicherheit voraussagen, daß kaum ein Hauseigentümer, aber auch nur wenige „Gemeinnützige“ und vielleicht nicht einmal die Gemeinde Wien unter dieser Grenze bleiben werden. Weiter ist eine Erhöhung der Mieten für Geschäftslofeale auf drei Schilling pro Quadratmeter vorgesehen, dies allerdings in Etappen. Zahlt sich die Verärgerung einiger kleiner Geschäftsleute aus?

Der zentrale Punkt der Mietrechtsvereinbarung liegt bei der freien Vereinbarung von Mieten für leerstehende Wohnungen. Offiziell wird erwartet — zumindest die Erläuterung zur Regierungsvorlage erwartet es —, daß mit den frei vereinbarten Mieten der Afolösewucher verschwinden wird. Die Mehrzahl der Hauseigentümer dürfte dagegen eher auf eine Kombination von Ablöse und hoher Miete bedacht sein. Aber auch Altmieter können unter Umständen zur Zahlung höherer Mieten gelangen, da der ominöse Paragraph 7 nicht nur in Fällen von unbedingt notwendigen, sondern auch „ordnungsmäßiger“ Reparaturen herangezogen werden kann. Dies allerdings nur dann, wenn zwei Drittel der Mieter eines Hauses einer solchen Vorgangsweise zustimmen.

Die geplanten Änderungen des Mietenrechts lassen, eher bewußt als unbewußt, in manchen Punkten verschiedene Interpretationen offen. Es ergibt sich somit ein zusätzliches reiches Betätigungsfeld für den Erfindungsgeist Interessierter.

Das Fazit: Von den beiden Initiativen am Wohnungssektor besitzt die Regelung der Wohnbauförderung ohne Zweifel viel mehr positive Aspekte als die angekündigte Mietrechtsänderung. Das Wohnungsproblem wird aber weiterhin auf der Tagesordnung unserer Innenpolitik bleiben. Ein Ausgleich wird sich wahrscheinlich erst auf einem höheren Niveau unserer wirtschaftlichen Entwicklung einstellen, wenn die Masseneinkommen besser mit den Wohruungswünschen harmonieren.

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