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Reformmöglichkeiten

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Diese gegenseitigen Lieferungen und Leistungen zur Aufrechterhaltung des Angebotssortimente s lösen aber als zwischenbetriebliche Umsätze die volle Umsatzsteuerpflicht aus. Darüber hinaus kann sich die wettbewerbsverzerrende Wirkung dieser Kumulativsteuer auch ins Gegental verkehren, das heißt die Bruttoumsatzsteuer benachteiligt bei hohen betrieblichen Wertschöpfungen die Organschaften und Zusammenschlüsse in der Erzeugung, die aber aus Gründen der Rationalisierung und der besseren Kapazitätsausnutzung notwendig sind.

Ein Beispiel: Fabriiksabgabepreis an den Großhandel 100 Schilling, davon 5,25 Prozent Umsatzsteuer = 5.25 Schilling. Großhandelsabgabe preis an den Einzelhändler 200 Schalling, davon 1,8 Prozent Umsatzsteuer = 3.60 Schilling; bisher aufgelaufene Steuer = 8.85 Schilling. Im Falle eines Organschaftsverhältnisses zwischen Erzeugungs- und Großhandelsbetrieb, beträgt die Umsatzsteuer 5,25 Prozent von 200 Schilling = 10.50 Schilling. Diese an Hand vereinfachter Beispiele dargestellten, schwerwiegenden

Nachteile unseres gegenwärtigen Umsatzsteuersystems werden im grenzüberschreitenden Warenverkehr noch verschärft.

Es gilt nun, die Bruttoallphasensteuer durch ein neues System zu ersetzen, das diese Nachteile wegschafft, aber gleichzeitig die Vorteile des alten Systems umschließt, wie etwa ihre Breitenwirkung, die ein Ausweichen auf steuerfreie Vorgänge ausschließt, die leichte Uber-wälzbarkeit im Preise auf den Letztverbraucher, und nicht zuletzt die niedrigein Verwaltungskosten für den Fiskus, die derzeit kaum 1 Prozent des gesamten Umsatzsteueraufkommens betragen.

Da bieten sich einmal das Einphasensystem oder die Phasenpauschalierung an, Systeme, die die Kumulativwirkung aufheben und mithin das Preisgefüge nicht zerreißen. So knüpft beispielsweise das Einphasensystem, wie es in der Schweiz in Form der Grossisten-Steuer angewendet wird, an die Großhandels- oder Einzelhandelsstufe an und läßt alle übrigen zwischenbetrieblichen Umsätze steuerfrei. Doch die Nachteile einer solchen Besteuerungsform überwiegen: der Kreis der steuerpflichtigen Unternehmer ist enger gezogen und ermöglicht Steuerumgehungen. Anderseits erfaßt die Einphasensteuer meist eine große Zahl leistungsschwacher Unternehmer, was den Grundsätzen einer gerechten und gleichmäßigen Besteuerung zuwiderläuft.

Alternative: Mehrwertsteuer

Als Kompromißlösung bleibt schließlich nur noch die von F. v. Siemens im Jahre 1921 vorgeschlagene und seit 1954 in Frankreich beheimatete Mehrwert- oder Nettoallphasenumsatzsteuer, die als „taxe sur la valeur ajoutee“ lediglich den im Betrieb geschaffenen Mehrwert erfaßt. Da die Mehrwertsteuer nur auf dem Bruttogewinn oder auf der Handelsspanne liegt, ist es belanglos, wieviele Wirf-' schaftsstufen ein und dasselbe Produkt passieren muß, da die Gesamtsteuerbelastung im Endverbraucherpreis — unabhängig vom Konzentrationsgrad der hintereinandergeschalteten Betriebe — stets die gleiche bleibt. Ein Beispiel soll diesen Zusammenhang veranschaulichen. (Siehe Tabelle!)

Anforderungen an die Mehrwertsteuer

Ob nun diese vier Wirtschaftsstufen in einem Betrieb zusammengefaßt werden oder separat bleiben, ist umsatzsteuerlich ohne jeden Einfluß, denn die Mehrwertsteuer knüpft lediglich an die Differenz zwischen Bruttoumsatz und Wert der Vorleistungen an.

Die Wettbewerbsneutralität und die das Preisgefüge nicht verschiebende Wirkung der Mehrwertsteuer gilt als ihr größter Vorzug.

Schon der EWG-Vertrag greift insofern in die Steuerhoheit der Mitgliedsstaaten ein, als er im Rahmen einer Umsatzsteuerharmonisierung den Staaten die Einführung einer allgemeinen und einheitlichen Mehrwertsteuer empfiehlt. Zwischenzeitig haben sich die BRD mit 1. Jänner 1968 und Dänemark ab Juli 1967 zum Übergang auf die Mehrwertsteuer entschlossen. Um jedoch von einer echten Reform sprechen zu können, müssen von der Netto-allphasensteuer verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein, auf die großteils im deutschen Mehrwertsteuergesetz 1967 Bedacht genommen worden ist:

• Ihre fiskalische Ergiebigkeit darf per Saldo nicht vermindert werden, so daß ein höherer Mehrwertsteuersatz von beispielsweise 10 Prozent wegen der geringeren Besteuerungs-menge notwendig ist. Allerdings dürften psychische Steuerwiderstände als Reaktion auf die Erhöhung des Steuersatzes nicht zu umgehen sein.

• Belastungsverschiebungen zu Lasten einzelner Wirtschaftszweige mit einem hohen Wertschöpfungsgrad, die eine zwangsläufige Folge des höheren Satzes sind, müssen vermieden werden; so wird in der BRD für die freien Berufe und andere Dienstleistungszweige — wie Steuerberater, Rechtsanwälte, Theaterunternehmungen, Kinos — ein auf 5 Prozent ermäßigter Satz angewendet.

• Die Mehranforderungen an die kaufmännische und öffentliche Verwaltung, die das kompliziertere System automatisch mit sich bringt, müssen im Rahmen bleiben. Ob dabei der Technik des Vorleistungsabzuges mit i der Bemessungsgrund-lage des Mehrwertes oder dem Vorsteuerabzug der Vorzug gegeben werden soll, ist eine Tatbestandsfrage. Deutschland hat sich für die Methode des Vorsteuerabzuges entschieden, das heißt die Mehrwertsteuer wird vorerst vom Brutto-umsatzerlös berechnet und dann um die auf der Vorleistung, auf dem Einkaufspreis liegende Umsatzsteuer gekürzt.

• Ein Problem ist auch der Vorsteuerabzug auf Investitionsgüter, wo sich Fiskus und Zensit um den sofortigen oder ratenweisen Vorsteuerabzug streiten werden!

Dieser kurze Abriß zeigt die vielfältigen Schwierigkeiten, die eine solche Reform mit sich bringt. Es heißt, mit größter Sorgfalt ans Werk heranzugehen, damit nicht widerstreitende Interessen zwischen Privatwirtschaft und Volkswirtschaft die mühevolle Arbeit zum Scheitern bringen. Nichtsdestoweniger wird aber auch Österreich im Hinblick auf die europäische Integration und mit Rücksicht auf eine wettbewerbsneutrale Steuerpolitik die Frage eines Systemwechsels ernsthaft zu prüfen haben.

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