Reif für reife Mitarbeiter

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Ältere Semester haben es auf dem Arbeitsmarkt schwer, der Trend zur jungen Belegschaft ist ungebrochen. Der "Nestor" soll gegensteuern.

Es würde wohl niemandem einfallen, bei einem über-50-jährigen Topmanager dessen Alter als Problem zu bezeichnen. Im Gegenteil: Älteren Führungskräften wird gern attestiert, sie brächten die nötige Erfahrung mit, um ein Unternehmen erfolgreich führen zu können. Weiter unten in der Hierarchie sieht es in den meisten Betrieben dann aber anders aus: Hier dominiert die Jugend, von älteren Mitarbeitern ist oft wenig zu sehen. Dass der Trend zum immer jüngeren Mitarbeiterstab entgegen der Demografie läuft, ist vielen Wirtschaftstreibenden zwar schon aufgefallen, und Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung warnen vor künftigem Arbeitnehmermangel. Aber nur wenige Unternehmen haben bisher darauf reagiert, dass bereits 2010 rund 53 Prozent der Arbeitsmarkt-Teilnehmer älter als 40 sein werden. Wenn Ältere vom Job oder im Job von Weiterbildung und Aufstieg ausgeschlossen sind, werden dementsprechend bald viel zu wenige gut ausgebildete Mitarbeiter zur Verfügung stehen.

Davon haben derzeit freilich Menschen um die 50, die bereits aus dem Arbeitsleben "ausgemustert" wurden, wenig. Zu alt, zu oft krank, mit den Gedanken längst in der Pension, technikscheu und lernunfähig sowieso, und überhaupt bringen erst die Jungen den richtigen Drive. Diese Vorurteile schlagen sich in der Personalpolitik vieler Firmen nieder. Die Folgen: 76.000 Über-45-Jährige waren im Vorjahr durchschnittlich beim Arbeitsmarktservice (ams) als arbeitssuchend vorgemerkt. Nur 28,8 Prozent der 55-bis 64-Jährigen gingen im selben Jahr einer Arbeit nach; das eu-Ziel, bis 2010 die Quote in dieser Altersgruppe auf 50 Prozent zu erhöhen, scheint unerreichbar.

Erfolg mit Belegschaft 50+

Das Sozialministerium will gegensteuern. Mit dem "Nestor 2006" sollen Unternehmen ausgezeichnet werden, die besonderes Engagement für ihre älteren Mitarbeiter zeigen (siehe Kasten). Wobei der Begriff "älter" angesichts der immer höheren Lebenserwartung doch einigermaßen verwundert und wohl der Einstellung vieler Wirtschaftstreibender Tribut zollt: So sind ältere Arbeitnehmerinnen laut Nestor-Ausschreibung Frauen ab 40 und Männer ab 45. Zum Vergleich: Beim Schachspiel wird ein Spieler ab 75 Jahren als "Nestor" bezeichnet ...

Dass "Nestoren" für den Unternehmenserfolg wesentlich sind, hat etwa die britische Handelskette B&Q längst festgestellt: Der oberen Führungsebene wurde schon Ende der 1980er Jahre das Problem der Demografie bewusst. Aber weil ältere Arbeitnehmern mit meist negativen Assoziationen belegt sind, machte B&Q die Probe aufs Exempel: Das Unternehmen mit weltweit 23.000 Mitarbeitern und 300 Verkaufshäusern eröffnete eine Filiale, in der ausschließlich Mitarbeiter über 50 eingestellt wurden. Mit großem Erfolg: Der Gewinn war um 18 Prozent höher, die Fluktuation sechsmal geringer als in vergleichbaren Filialen mit dem üblichen Altersdurchschnitt. Auch 39 Prozent weniger Abwesenheitszeiten, 59 Prozent weniger Warenschwund und höhere Kundenzufriedenheit konnten das Management überzeugen. So radikal ging das Unternehmen seinen Weg dann freilich nicht weiter - aber heute ist die Altersstruktur Teil der Personalpolitik, 18 Prozent der Belegschaft sind älter als 50, viele davon werden als Mentoren für jüngere Mitarbeiter eingesetzt. Das Erfolgsgeheimnis sei die richtige Mischung aus Alt und Jung, heißt es seitens der Firmenleitung.

Um diese richtige Mischung aus Alt und Jung auch in die österreichischen Betriebe zu bekommen, gibt es seit zwei Jahren den Nestor: Wer sich besonders um seine älteren Mitarbeiter kümmert, soll vor den Vorhang geholt werden. Gesundheitsvorsorge, Stressreduktion, Weiter-und Bewusstseinsbildung sind Bereiche, in denen viel getan werden kann. Das Wissen darüber scheint bei den Personalverantwortlichen allerdings gering, wie die Arbeiterkammer (ak) Oberösterreich aus einer Umfrage herausliest, die vom Institut für Berufs-und Erwachsenenbildung bei Personalverantwortlichen von Unternehmen mit 250 bis 1000 Mitarbeitern durchgeführt wurde: Es gebe kaum Wissen über die Altersstruktur in den Firmen oder geeignete Maßnahmen, um eine längere Beschäftigung im Alter zu fördern, beklagt die ak.

Mit 60 "agil", mit 45 "alt"

Kunden ab 60 würden mit positiven Attributen wie "agil", "unternehmungslustig" und "finanzstark" assoziiert, Mitarbeiter ab 45 dagegen würden als "alt", "leistungsgemindert" oder "teuer" eingestuft. Die Folgen laut ak: Es würden eher Jüngere eingestellt, obwohl der Vorrang der Qualifikation vor dem Alter betont werde; Erfahrung, Identifikation mit dem Unternehmen und Loyalität der Älteren wögen die Einschätzung, teuer zu sein, nicht auf.

Aber einige Firmen machen doch vor, wie es anders gehen könnte. So etwa die Erste Bank, die im Vorjahr für ihr Projekt "Lifetime" den Nestor bekommen hat. In der Bank werden österreichweit in zehn Jahren 74 Prozent der Mitarbeiter älter als 40 sein. Als Konsequenz wurde ein Konzept entwickelt, mit dem vor allem Gesundheitsvorsorge, Weiterbildung und Unternehmenskultur an die künftigen Gegebenheiten angepasst werden sollen: Führungskräfte werden über die Stärken-und Schwächenprofile der verschiedenen Generationen informiert, damit diese bei der Aufgabenverteilung berücksichtigt werden können. Bei Neueinstellungen soll darauf geachtet werden, dass alle Altersgruppen im Team vertreten sind. Weiterbildungsangebote sollen künftig auch an die Bedürfnisse der älteren Mitarbeiter angepasst werden. Auf die ergonomische Gestaltung der Arbeitsplätze wird geachtet, zusätzlich sollen ambulante Vorsorgeuntersuchungen, Angebote für den Bewegungs-und Stützapparat sowie Betreuung durch Physiotherapeuten die Gesundheit der Mitarbeiter erhalten.

Mitarbeiter: "Mein Kapital"

Dass auch Kleinstbetriebe etwas tun können und das gar nicht viel kosten muss, zeigt der Frisör "Look" in Schladming, der ebenfalls 2005 mit dem Nestor ausgezeichnet wurde. Einmal in der Woche steht dort Nordic Walking auf dem Programm. Freiwillig natürlich. Es habe sich herausgestellt, sagt Chefin Sigrid Danklmaier, dass damit nicht nur die körperliche Fitness gestärkt, sondern auch Stress abgebaut werde. Zudem achtet Danklmaier darauf, ältere und jüngere Mitarbeiter gleich zu behandeln. So haben etwa alle dieselben Weiterbildungsmöglichkeiten. Drei der neun Angestellten sind älter als 40 Jahre. Sie sind seit der Geschäftseröffnung vor zehn Jahren dabei: "Sie sind mein Kapital, da muss ich auch etwas für sie tun."

Nestor 2006

Mit dem Nestor 2006 zeichnet das Sozialministerium in Kooperation mit Arbeitsmarktservice, Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung Unternehmen aus, die sich durch innerbetriebliche Maßnahmen in besonderer Weise um die Belange ihrer älteren Mitarbeiter kümmern.

Der Name "Nestor" entstammt der griechischen Mythologie und geht zurück auf den gleichnamigen Helden, der sich laut Brockhaus im Trojanischen Krieg "vor allem als weiser Ratgeber der Griechen auszeichnete".

Der Nestor wird heuer bereits zum dritten Mal vergeben. Er soll das Bewusstsein der österreichischen Unternehmen und der Öffentlichkeit für die Thematik der älter werdenden Belegschaften verstärken und Unternehmen dazu motivieren, für diese aktiv zu werden und nicht auf deren Knowhow zu verzichten.

Projekte können noch bis 15. Juli eingereicht werden, die Preisverleihung findet im Herbst statt. Um die Chancengleichheit aller Teilnehmer zu gewährleisten, wird die Nestor-Skulptur in fünf Kategorien vergeben: Kleinstunternehmen bis 50 Mitarbeiter, Klein-und Mittelbetriebe bis 200 Mitarbeiter, Großunternehmen ab 201 Mitarbeiter, Non-Profit-Organisationen sowie in einer gemeinsamen Gruppe öffentlich-rechtliche Unternehmen, öffentliche Verwaltung und Interessensvertretungen.

Weitere Informationen zum Nestor sowie Online-Einreichung der Unterlagen im Internet unter www.nestor.at

Infoline (Mo-Fr, 9-16 Uhr):

(01) 711 00-3250

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