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Reisen, Bauen, Handel

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Der österreichische Fremdenverkehr hat sich Im vergangenen Jahrzehnt zu einem der bedeutendsten Wirtschaftsfaktoren entwickelt.

Diese Tatsache wird allmählich nicht nur in Fachkreisen, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit erkannt und beachtet. Vor allem steht zu Recht die außenwirtschaftliche Funktion des Fremdenverkehrs immer häufiger im Blickpunkt wirtschaftspolitischer Betrachtungen. Dies ist verständlich, weil die Nettoerträge aus dem Fremdenverkehr von 1955 bis 1961 das österreichische Handelsbilanzpassivum in folgendem Ausmaß abdeckten:

Wenig beachtet werden aber noch die Auswirkungen eines intensiven Fremdenverkehrs beziehungsweise einer ständig wachsenden Fremdenverkehrswirtschaft auf die übrigen Wirtschaftszweige. Dies vermutlich deshalb, weil es sich hier um quantitativ nur schwer erfaßbare Tatbestände handelt. Von einem intensiven Fremdenverkehr gehen aber nachweislich starke, befruchtende Fernwirkungen aus, die nachstehend zumindest für zwei Wirtschaftssparten dargestellt werden sollen.

Der Kreis, der durch den Fremdenverkehr befruchteten Wirtschaftszweige ist groß. Er reicht von der Landwirtschaft über das Gewerbe zur Industrie, Handel und zum Banken- und Versicherungswesen. Wie erwähnt, sollen in diesem Rahmen aber vor allem die positiven Wirkungen des Fremdenverkehrs auf das Baugewerbe und den Handel aufgezeigt werden.

Die Fremdenverkehrswirtschaft entfaltet einen großen Baubedarf. Dieser ergibt sich aus der Notwendigkeit, die Wirtschaftseinrichtungen des Fremdenverkehrs, wozu wir außer dem Hotel-und Gastgewerbe auch die speziellen Verkehrsmittel (Seilbahnen, Bergbahnen, Lifte, FV-Straßen) sowie die Kur- und Badeeinrichtungen zählen, der ständig steigenden Nachfrage in quantitativer und qualitativer Hinsicht anzupassen. Was die quantitative Seite anlangt, so war es notwendig, die Kapazität der österreichischen Fremdenverkehrswirtschaft den Zunahmen der Fremdennächtigungen von 14 Millionen im

Jahre 1950 auf 42 Millionen im Jahre 1960, das sind 28 Millionen, anzupassen. Dies erfolgte

Diese Zahl beinhaltet neben der Bettenzunahme durch Kapazitätserweiterung auch jene durch Verfeinerung der amtlichen Statistik. Da diese jedoch erfahrungsgemäß den Bettenstand zufolge Mängeln in der Erhebung zu niedrig ausweist, dürfte sich per durch Steigerung der Zahl der Fremdenbetten in nachstehendem Ausmaß:

- Dieser Satz dürfte eher zu niedrig sein, weil beispielsweise in Hotelbetrieben der Kategorie A Kosten je Betrieb von etwa 200.000 bis 250.000 S anfallen.

Multipliziert man die Kapazitätszunahme von rund 164.000 gewerblichen bzw. rund 180.000 privaten Fremdenbetten mit der derzeitigen Erfahrungssätzen der Investitionskosten je Bett, so erhält man die durch die Fremdenverkehrswirtschaft veranlaßten Investitionen. Von der so ermittelten Summe von 14.212 Millionen Schilling entfallen — wiederum als Erfahrungsregel — zirka 65 Prozent oder 10,6 Milliarden Schilling auf Roh- und Ausbau (bauliche Investitionen im weiteren Sinne), zirka 10 Prozent oder zirka 1,6 Milliarden Schilling auf Honorare und Gebühren und die restlichen 25 Prozent, zirka 4,1 Milliarden Schilling, auf Einrichtungskosten. Nach dieser Berechnung gingen also allein durch die Erweiterung der gewerblichen Bettenkapazität etwa 10,670 Milliarden Schilling in die Bauwirtschaft. Dazu kommen die baulichen Investitionen im Zuge der Privatbettenvermehrung. Ein diesbezüglicher Investitionssatz liegt nicht vor; man wird aber nicht fehlgehen, wenn man die reinen Roh- und Ausbaukosten trotz der Tatsache, daß es sich bei der Privatzimmervermehrung vorwiegend um Ausbauten handelt, mit 5000 S veranschlagt. Schätzungsweise ergibt sich somit ein Gesamtbetrag von 11,6 Milliarden Schilling.

Qualitativ ging es für die österreichische Fremdenverkehrswirtschaft darum, durch Adaptierungen, Modernisierungen und Rationalisierungen zunächst die Einwirkungen des Krieges zu beseitigen und in der folgenden Phase den gestiegenen und ständig steigenden Ansprüchen des Gastes durch entsprechende Investitionen Rechnung zu tragen. Auf welche Summe sich diese Aufträge an das Bau- und Baunebengewerbe belaufen, läßt sich allerdings nicht annäherungsweise feststellen.

Immerhin wurden für Modernisierungen allein aus ERP-Mitteln Kredite in der Höhe von mehr als 355 Millionen Schilling aufgewendet; dazu kommen mehr als 7,4 Millionen Schilling, die für sanitäre Anlagen aufgewendet wurden. Zu diesen Beträgen kommt die Eigenfinanzierungsquote (25 bis 33 Prozent der Kreditsumme) hinzu. Freilich gingen diese Summen nicht nur in das Bau- und Baunebengewerbe. Auch andere Branchen erhielten davon erhebliche Anteile — wie etwa die Textilindustrie (Möbel- und Vorhangstoffe, Bettwäsche usw.), die Erzeuger von Kücheneinrichtungen und -maschinen und andere mehr.

Für die Höhe der baulichen Investitionen auf dem Seilbahn- und Liftsektor können ebenfalls Anhaltspunkte gegeben werden. In diese Verkehrmittel wurden an ERP-Krediten seit 1953 rund 235 Millionen Schilling investiert; die Eigenmittelaufbringung erreichte im Durchschnitt 40 Prozent dieser Summe, also 157 Millionen Schilling. Einschließlich der ohne ERP-Mittel finanzierten Seilbahnen- und Liftanlagen dürfte sich für den Zeitraum von 1950 bis 1961 eine Summe von etwa 800 Millionen Schilling ergeben (Schätzung der zuständigen Abteilung des Verkehrsministeriums). Rund die Hälfte davon, also 400 Millionen Schilling, entfällt wiederum auf Aufträge an die Bauwirtschaft, 400 Millionen auf die Maschinenindustrie.

Die Ausführungen über die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Fremdenverkehr und Bau-und Baunebengewerbe abschließend, kann also gesagt werden, daß sich das auf die Fremdenverkehrswirtschaft zurückgehende Bauvolumen im Zeitraum von 1950 bis 1961 auf etwa 12 Milliarden Schilling belaufen dürfte. Diese Zahl ist bestimmt nicht unerheblich; sie gewinnt aber an besonderem Aussagewert, wenn man sie in Beziehung zum gesamtö'sterreichischen Bauvolumen setzt. Dieses belief sich laut Bauhandbuch 1961 im Jahre 1959 auf 17,3 Milliarden Schilling. Die Fremdenverkehrswirtschaft erreichte daher in den vergangenen zehn Jahren durch ihre laufenden Aufträge einen nennenswerten Anteil am jährlichen Bauvolumen.

Der Handel stellt das Bindeglied zwischen Produktion und Konsumation dar. Überall, wo Konsumkraft gegeben ist, findet er daher Aufgaben und Betätigungsmöglichkeiten. Der moderne Fremdenverkehr ist durch sein massenhaftes Auftreten Verbraucher größten Stils. Dieser Sachverhalt bedarf keines weiteren Nachweises, wenn man sich vergegenwärtigt, daß im Jahre 1961 in Österreich 8,4 Millionen Fremdenmeldungen mit 47,8 Millionen Übernachtungen registriert wurden. Unmöglich ist allerdings die ywn Tahlfnmäfiigis- Fus auf den touristischen Konsum zurückgehenden Umsatzanteils der Handelsbetriebe. Immerhin .ist aber der starke Einfluß des Fremdenverkehrs für einige Handelssparten evident.

Im Bereich des Großhandels profitieren vom Fremdenverkehr (abgesehen vom Ausfuhrhandel) vor allem der Baustoffhandel, der Handel mit Textilien, Glas und Keramik, der Photohandel und der Nahrungs- und Genußmittel-sowie der Wein- und Spirituosenhandel.

Im Einzelhandel sind die Nutznießer des Fremdenverkehrs wiederum der Nahrungsund Genußmittel- und der Wein- und Spirituosenhandel, sodann die Textilgeschäfte (für Trachten, modische Spezialerzeugnisse usw.), die Lederwaren- und Sportgeschäfte, die Photogeschäfte und nicht zuletzt der Handel mit Reiseutensilien, Reiseführern und Reiselektüre.

Im einzelnen kann gesagt werden, daß Handelsbetriebe an Fremdenverkehrsorten vielfach überwiegend, oft sogar ausschließlich vom Fremdenverkehr abhängig sind. Dies beweisen schweizerische Untersuchungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse am Fremdenverkehrsort, die unter anderem zu dem Ergebnis kamen, daß in Fremdenverkehrsorten um zwei Drittel mehr Handelsbetriebe mit fast 40 Prozent mehr Beschäftigten bestehen als in Nichtfremdenverkehrsorten. Aber auch eine diesbezügliche Erhebung in Tirol hat ergeben, daß es durch den Fremdenverkehr zu recht erheblichen saisonalen Umsatzsteigerungen im Handel kommt.

Teilweise handelt es sich dabei um Umsätze, die ohne Fremdenverkehr nie zustande gekommen wären. Dazu zählt natürlich zur Gänze der Handelsumsatz, der auf den Ausländerfremdenverkehr zurückgeht. Einen Anhaltspunkt über die Größenordnung dieses Umsatzes gibt folgende Überlegung: Die Durchschnittsausgaben der Ausländer pro Tag belaufen sich derzeit auf 300 S; von diesem Satz geht ein erheblicher Teil direkt oder indirekt über den Handel. Da sich die Zahl der Aufenthaltstage der Ausländer in Österreich derzeit auf rund 30 Millionen beläuft, wird klar, daß es sich dabei um sehr bedeutende Summen handelt.

Aber auch im Zusammenhang mit dem Inländerfremdenverkehr — das wird weniger beachtet — wird insofern zusätzlich Handelsumsatz getätigt, als der Fremdenverkehr Kaufimpulse für verschiedene mit dem Reise- und Ferienaufenthalt zusammenhängende Konsumgüter auslöst; es handelt sich hierbei um den großen Bereich der Reise- und Sportbekleidung sowie der Reise- und Sportausrüstung, einschließlich Photowaren.

III.

Die gegebenen Darlegungen haben die Tatsache des Bestehens eines wirtschaftlichen Zusammenhanges zwischen Fremdenverkehr und Baugewerbe und Handel deutlich gezeigt. Über das absolute Ausmaß desselben konnten allerdings nur Anhaltspunkte vermittelt werden. Es kann aber als sicher gelten,- daß'der sich einer genauen Quantifizierung entziehende Einfluß des Fremdenverkehrs auf Baugewerbe und Handel mit der Steigerung des Tourismus weiter zunehmen wird. Es ist daher keine Übertreibung, wenn man feststellt, daß die Förderung des Fremdenverkehrs mittelbar auch einer Förderung von Baugewerbe und Handel gleichkommt.

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