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Reiseziel Österreich

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Alljährlich, wenn sich die Welt zum Weihnachtsfest und zur Jahreswende rüstet, hat für die Fremdenverkehrsfachleute längst ein neues Jahr der Arbeit begonnen, und die ersten Anzeichen des künftigen Fremdenverkehrs werden aufmerksam registriert. Der Fremdenverkehr hat seine eigene Zeitrechnung. Für ihn beginnt ein neues Jahr jeweils am 1. November, und was man allgemein als die letzten Fest- und Ferientage des Jahres ansieht, bedeutet daher für ihn bereits ein erstes Ergebnis, auf das sich die Abschätzung künftiger Feriengeneigtheit zunächst stützt. Die Fremdenverkehrsverantwortlichen stehen in diesen Tagen gewissermaßen zwischen vergangenem und zukünftigem Geschehen, aus der Rückschau schöpfen sie den zusammenfassenden Ueberblick und die stets neuen Erfahrungen eines Fremdenverkehrsjahres, die Vorschau läßt sie aus ersten Ansätzen den künftigen Zug der Fremdenverkehrsströme, ihre Intensität und Richtung abschätzen, und darauf müssen sie ihre Dispositionen abstellen.

Ein Blick in die Werkstätten der Fremdenverkehrsförderung zeigt eine sehr beachtliche Vielfalt von Maßnahmen und Arbeiten, die alle dem Ziel dienen, Einfluß auf die Nachfrage des Phänomens Fremdenverkehr zu gewinnen, Wunschbildungen hinsichtlich künftiger Reiseziele hervorzurufen, neuen Werbeideen nachzugehen; aber auch die Angebotseite von fremdenverkehrspolitischen Notwendigkeiten zu überzeugen, die im Wettbewerb der Länder entscheidend sein können. Wie in einem strategischen Hauptquartier werden auf Tabellen und in graphischen Darstellungen die Bewegungen der touristischen Nachfrage festgehalten, Frequenzschwankungen verzeichnet, die Reiseströme festgehalten, die Sprachengruppen und ihre zahlenmäßigen Veränderungen gemessen, die Herkunftsländer in ihrem Anteil am Gesamtfremdenverkehr gezählt und vieles andere mehr.

Aber aus den Büros und Ateliers greifen die Fühler des modernen Apparates der Fremdenverkehrswerbung in die Staaten, die als Herkunftsländer der fremden Besucher interessant sind. Die Veränderungen der Einkommen, der Vorlieben und Abneigungen, der Konsumgewohnheiten, der Verwendung der Haushaltsbudgets und die fortwährend sich ändernden Modeströmungen sind entscheidende Faktoren, über die eine moderne Fremdenverkehrswerbung sich laufend orientieren muß, um mit entsprechenden Maßnahmen raschest reagieren zu können. Marktanalysen, Motivenforschung, aber auch genaue Beobachtung der jeweiligen wirtschaftlichen und sogar der politischen Situationen in den verschiedenen Ländern sind entscheidende Voraussetzungen für den Erfolg einer Fremdenverkehrswerbung.

Kein Erfolg fällt unverdient vom Himmel, und so kann auch Oesterreich mit Befriedigung die Auswirkungen seiner Anstrengungen vermerken. Blicken wir zurück auf das abgelaufene Fremdenverkehrsjahr 1957/58, so können wir nunmehr die Behauptung, daß dieses Jahr neuerdings ein Rekordjahr des österreichischen Fremdenverkehrs werden wird, an Hand der Erfolgszahlen bestätigen. Mit einer Uebernachtungsziffer von rund 3 5 Millionen Nächtigungen, wovon 20 Millionen Ausländernächtigungen sind, wurde ein Devisenerlös von 4,6 Milliarden Schilling erzielt. Man ist von solchen Rekordergebnissen des Fremdenverkehrs gar nicht mehr überrascht und nimmt sie eigentlich mit einer Selbstverständlichkeit hin. Es mag daher sehr instruktiv sein, sich wieder einmal in Form einer Tabelle die Fremdenverkehrsentwicklung der letzten zehn Jahre vor Augen zu halten:

) Für das Fremdenverkehrsjahr 1958 wurden die Zahlen schätzungsweise angenommen.

Gegenüber dem Vorjahr haben die Ausländernächtigungen in Oesterreich um. rund 12 Prozent zugenommen. Dies ist um so beachtlicher, als zum erstenmal die Entwicklung der Ausländerfrequenzen in den europäischen Fremdenverkehrsländern verschieden war, die meisten weisen geringere Anstiege auf als Oesterreich, manche hatten sogar schlechtere Ergebnisse als im Vorjahr zu verzeichnen. Aber auch bei uns ergaben sich Abweichungen in den Frequenzanstiegen. Der verhältnismäßig größte Zuwachs zeigt sich bei den Besuchern aus der Deutschen Bundesrepublik mit 18 Prozent; gefolgt von den Nächtigungen der Amerikaner, die um 17 Prozent zugenommen haben, wodurch den amerikanischen Besuchern in der Gesamtreihung der vierte Platz zukommt. Italiener und Schweden steigerten ihre Frequenz um je 9,3 Prozent, Dänen um 6 Prozent, die Schweizer um 3 Prozent und die Gäste aus Großbritannien um 2 Prozent.

Aber auch Rückgänge mußte die österreichische Fremdenverkehrsstatistik verzeichnen, die französischen Nächtigungen sanken um 34 Prozent, die belgischen um 6 Prozent und die holländischen um 2 Prozent. Diese Rückgänge sind in erster Linie auf die Brüsseler Weltausstellung, die der Franzosen auf die Verringerung der Devisenzuteilungen und zum Teil auch auf die 100-Jahr-Feiern in Lourdes zurückzuführen.

In manchen prominenten Fremdenverkehrsgebieten ist die vergangene Sommersaison sehr zögernd angelaufen. Es schien, als ob die Erwartungen, die in das abgelaufene Fremdenverkehrsjahr gesetzt wurden, enttäuscht werden sollten, und für manche Fremdenverkehrsländer ist es auch bei dieser Enttäuschung geblieben. Sie haben gegenüber dem Jahr vorher Einbußen ihrer Fremdenverkehrsfrequenzen erlitten. Oesterreich darf mit Befriedigung feststellen, daß seine Fremdenverkehrsbilanz hiervon verschont geblieben ist. Unbefriedigend war im vergangenen Jahr, so wie bisher, die Dotierung der Oesterreichischen Fremdenverkehrswerbung. Sie muß mit einem Budget von 19 Millionen Schilling arbeiten, während die Werbebudgets unserer Nachbarländer zwischen 35 und 60 Millionen Schilling liegen. Daß Oesterreich sich werblich bisher trotzdem behaupten konnte, findet nicht allein materiellen Ausdruck in den Ergebnissen des Fremdenverkehrs, sondern auch ideelle Anerkennung, indem man Oesterreich für das neue Fremdenverkehrsjahr die Präsidentschaft der Internationalen Union offizieller Fremdenverkehrsorganisationen übertragen hat.

Ein Fremdenverkehrsrückblick wäre aber unvollständig, wenn man nur seine Aktiven in Betracht zieht; auch die Entwicklung des passiven Fremdenverkehrs muß verfolgt und in seinen Auswirkungen denen des aktiven gegenübergestellt werden. Den Deviseneinnahmen von 4,6 Milliarden Schilling aus dem Titel des Fremdenverkehrs stehen zirka 860 Millionen Schilling Devisenausgang gegenüber. Die Ausgänge sind demnach perzentuell stärker gestiegen als die Einnahmen, es wurden nämlich um 26 Prozent mehr Ausreisedevisen angefordert und um

15 Prozent mehr eingenommen. Der Mehraufwand der Oesterreicher für Auslandsreisen ist nicht nur auf eine absolute Erhöhung der Zahl der Reisenden zurückzuführen, sondern auch auf erhöhten individuellen Aufwand sowie auf Freissteigerungen in einer Reihe von Zielländern.

Die Aussichten für den Fremdenverkehr 1959 zu beurteilen, ist heuer schwieriger als sonst. Sind doch eine Reihe von vollkommen neuen Faktoren in Erscheinung getreten, wie; der

Düsenflugverkehr über den Atlantik; die Einführung einer verbilligten ECONOMIC-CLASS im Transatlantikflug; der EURAIL-PASS, eine Gemeinschaftsnetzkarte der europäischen Eisenbahnen mit zweimonatiger Gültigkeit, die in den Vereinigten Staaten und in Kanada zum Preis von 125 Dollar zum Verkauf gelangt; der weitere Ausbau des europäischen Straßennetzes; die Eröffnung von zwei Teilstrecken der Autobahn Salzburg—Wien, womit die Bundeshauptstadt besseren Anschluß an die Touristenströme der westlichen Bundesländer gefunden hat; vor allem aber der Großwirtschaftsraum der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.

Die Beurteilung dieser nur streiflichtig angeführten Tatsachen in ihrer Auswirkung für den Fremdenverkehr ist sehr unterschiedlich. Während man nämlich mit der Einführung der ECONOMIC-CLASS und mit der Kapazitätsausweitung durch den Düsenflugverkehr erwartet hatte, neue Einkommenschichten für Europareisen zu( gewinnen, dämpft die jüngste Entwicklung diese Erwartungen, indem die IATA laut werden ließ, daß im Jahre 1959 die Flugpreise für Düsenflugzeuge im Atlantikverkehr um etwa 10 Prozent steigen dürften. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft vor allem aber ist eine große Unbekannte, stellt sie doch in sich einen Fremdenverkehrsgroßraum dar, der von der Nordsee bis nach Sizilien und von den Pyrenäen bis nach Oberbayern reicht. Jedenfalls wird die Entwicklung in diesem Raum auch vom Standpunkt des Fremdenverkehrs aufmerksam zu beurteilen sein. Ein weiteres Fragezeichen ist Frankreich, dessen Wiedereintritt in die Spielregeln der Liberalisierung des Fremdenverkehrs ständig gefordert wird.

Was Oesterreich betrifft, so kann die Vorschau mit Befriedigung feststellen, daß das Interesse der Nachfrage unvermindert anhält. Auf jeden Fall aber müssen wir einer Tatsache ins Auge sehen, nämlich der, daß die Zunahme des Fremdenverkehrs eine gewisse Verlangsamung erfahren wird, denn sie kann praktisch nicht im gleichen Maße fortschreiten, aber mehr als anderswo gilt im Fremdenverkehr bei allem Optimismus das gleiche, . was Wilhelm Busch in seinem Gedichtband „Sein und Schein“ sagt!

Denke an des Schicksals Walten. Wie die Schiffer auf den Plänen ihrer Fahrten stets erwähnen: Wind und Wetter vorbehalten.

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