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Rohstoffe aus Rückständen

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Für die Obersteiermark wurde ein Konzept entwickelt, das den Betrieben gestattet, den Großteil ihrer Produktionsrückstände regional zu verwerten.

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Für die Obersteiermark wurde ein Konzept entwickelt, das den Betrieben gestattet, den Großteil ihrer Produktionsrückstände regional zu verwerten.

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Jede Form der Produktion erbringt neben den erwünschten Gütern auch unerwünschte Rückstände als Kuppelprodukte, wobei die Rückstandsmengen in manchen Fällen die Masse der produzierten Güter sogar um ein Mehrfaches übertreffen. Eine Rückstandsvermeidung oder -Verwertung im eigenen Unternehmen ist vielfach aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht möglich und auch die Entsorgung der produktionsbedingten Rückstände bereitet den Unternehmen zunehmend Probleme, da die Knappheit von Deponien und Verbrennungsanlagen sowie die immer restriktivere Umweltgesetzgebung zu einer steigenden Kostenbelastung der Unternehmen führen.

Eine mögliche Lösung ist für die Unternehmen der Aufbau recyclingorientierter Unternehmensverbünde, sogenannter regionaler Verwertungsnetze. Die Zusammenarbeit von Produktionsunternehmen verschiedener Branchen ermöglicht die stoffliche sowie die thermische Verwertung produktionsbedingter, aber auch kom-. munaler Bückstände.

Dadurch werden nicht nur herkömmliche Entsorgungswege entlastet und Primärrohstoffe und -ener-gieträger substituiert, sondern für die Unternehmen ergeben sich auch die Vorteile einer höheren Ver- und Entsorgungssicherheit sowie zumeist niedrigere Kosten, einerseits für die Rüekstandsentsorgung, andererseits für die Rohstoffbeschaffung. Ziel eines regionalen Verwertungsnetzes ist es, die Vielzahl der Fertigungsprozesse durch die branchenübergreifenden Allianzen optimal zur Verwertung der verschiedenen Rückstände zu nutzen und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit der Industriebetriebe zu erhöhen und gleichzeitig die Umwelt zu entlasten. Durch die intensivierte Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen den Betrieben ist häufig auch ein effizienterer Ressourcenein -satz durch Teilung von Anlagen oder durch verstärkte Technologietransfers zu beobachten.

Ein Verwertungsnetz

Das Institut für lnnovationsmanage-ment der Karl-Franzens-Universität Graz hat in einem Forschungsprojekt die Existenz eines derartigen Verwertungsnetzes in der Region Obersteiermark nachgewiesen.

Rei der Analyse von 31 Mittel- und Großbetrieben wurde festgestellt, daß die Unternehmungen über 75 Prozent ihrer Produktionsrückstände an andere Fertigungsbetriebe zum externen Recycling übergeben. Nur für weniger als 5 Prozent der Rückstände wird der Altstoffhandel beanspracht und etwa 20 Prozent der Rückstände landen auf Deponien. Insgesamt konnten im Verwertungsnetz Obersteiermark zwischenbetriebliche Rückstandsströme von etwa 1,5 Mio. Tonnen verzeichnet werden, wobei Schlacken, Altpapier, Sägerestholz sowie Altmetalle, Asche und sonstige mineralische Rückstände mengenmäßig am bedeutendsten sind.

Während sich die Rückstandsquellen (abgebende Unternehmen) auf mehrere Branchen verteilen, konzentrieren sich die Rückstandssenken (annehmende Unternehmen) stark auf die Grundstoff- und Produktionsgüterindustrie, die etwa 80 Prozent der ausgetauschten Rückstände recy-cliert. Die Abbildung oben zeigt einen kleinen Ausschnitt des im Rahmen des Projektes untersuchten steirischen Verwertungssystems.

Die Vielzahl der Rückstandsströme zwischen Betrieben unterschiedlicher Branchen sowie die Verschie-denartigkeit der Rückstandsarten, die zwischenbetrieblich recycliert werden, sind einerseits Indizien der vielfältigen Möglichkeiten industrieller zwischenbetrieblicher Rückstandsverwertung, zeigen andererseits aber auch die Komplexität solcher Verwertungsnetze auf.

Das Verwertungsnetz Obersteiermark hat noch ein erhebliches Potential für weitere Recyclingaktivitäten. Der Erhebung des Instituts für Inno-vationsmanagement zufolge wäre eine zusätzliche zwischenbetriebliche Verwertung von mehr als 300.000 Tonnen Rückständen möglich, wobei der überwiegende Teil zur Entlastung der Deponien beitragen würde.

Schlacken für den Bau

So könnten beispielsweise Schlacken -resten der eisenerzeugenden Industrie verstärkt in der Bauindustrie Einsatt finden, Spukstoffe aus der Altpapieraufbereitung sowie Schlämme thermisch verwertet, Altholz in der Spanplattenindustrie eingesetzt oder Farbrestpulver aus der Lackierung gesammelt und stofflich wiederverwendet werden. Wichtige Impulse dafür wurden vom Institut für Innovationsmanagement, das sich als so-genanter „chance agent” versteht, gegeben.

Die Verwirklichung des Konzepts hängt aber letzten Endes von den betroffenen Unternehmen, aber auch der öffentlichen Hand ab, die durch die Gestaltung entsprechender Rah-menbedingungen derartige, innovative Lösungen fördern, aber auch behindern kann.

Das zwischenbetriebliche Recycling von Rückständen innerhalb eines Verwertungsnetzes hat aber nicht nur positive ökonomische Auswirkungen für die beteiligten Unternehmungen, sondern stellt auch einen wesentlichen, bislang zu wenig beachteten Faktor für die nationale und regionale Abfallwirtschaftsplanung dar.

Rei Entscheidungen hinsichtlich der Schaffung öffentlicher Entsorgungskapazitäten, etwa Restmüllver-brennungsanlagen, darf das Verwertungspotential der heimischen Industrie nicht unberücksichtigt bleiben, denn durch die Integration bestehender Industriebetriebe kann nicht nur die Umwelt geschont, sondern gleichzeitig auch der Wirtschaftsstandort gesichert werden.

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