6734835-1966_15_27.jpg
Digital In Arbeit

Schach den Urlaubsspitzen!

Werbung
Werbung
Werbung

Der österreichische Fremdenverkehr hat auch im abgelaufenen Jahr wieder Rekordergebnisse gebracht 1965 wurden 6,507.890 gemeldete Fremde aus dem Ausland mit 43,154.138 Nächtigungen gezählt Diese Zahl liegt um 6,5 Prozent höher als im Vorjahr und beweist, daß sich Österreich steigender Beliebtheit bei den Urlaubern aus dem Ausland erfreut. Aber auch der Österreicher weiß die Vorteile eines Urlaubsaufenthaltes im Lande zu schätzen. Im Vorjahr haben 3,326.719 Inländer mit 18,869.287 Übernachtungen ihren Urlaub in Österreich verbracht, das sind 30,4 Prozent aller 1965 in Österreich gezählten Nächtigun- gen.

Greift man aus dem Kalenderjahr die be liebtesten Urlaubsmonate heraus, so zeigt sich, daß der Juli mit 22 Prozent und der August mit 27 Prozent aller Übernachtungen des Jahres 1965 weit an der Spitze liegen. In diesen beiden Urlaubsmonaten werden also fast genauso viele Nächtigungen gezählt als in den übrigen zehn Monaten des Jahres zusammen. Diese Konzentration der touristischen Nachfrage auf den Hochsommer bringt der österreichischen Wirtschaft naturgemäß nicht zu unterschätzende Probleme.

Die Straßen sind zu dieser Zeit kaum in der Lage, die gewaltigen Autokolonnen aufzunehmen, was zu einer verstärkten Verkehrsunsicherheit führt. Auch die öffentlichen Verkehrsmittel, wie Bahn und Autobus, sind zum

Teil überlastet. Hierzu kommen noch die starken zusätzlichen Beanspruchungen durch die zahlreichen Wochenendausflüge. Diese Konzentrierung der Urlauber auf wenige Wochen in den Monaten Juli und August führt auch bei den Fremdenverkehrsbetrieben zu Engpässen. Vor allem auf dem Verpflegungsbe- reich sind während der Hauptsaison Stauungen schwer zu vermeiden. Betrachtet man die Ausnützung der Bettenkapazität der Beherbergungsbetriebe im gesamten Bundesgebiet im Juli und August 1965, so ist diese mit 71 Prozent relativ hoch, obgleich diese Prozentzahl auch jene Betriebe beinhaltet, die auf Grund ihrer Verkehrslage am Fremdenverkehr weniger teilhaben und deshalb auch zu dieser Zeit nicht ausgelastet sind. Die Kapazitätsausnützung im gesamten Jahr 1965 betrug jedoch wegen der geringen Ausnützung in den frequenzschwachen Monaten nur 28 Prozent.

Ein Abbau der zeitlichen Konzentration der Urlaube könnte wesentliche Erleichterungen schaffen.

Eine sinnvolle Staffelung der .großen Ferien“ in den Schulen wäre eine Maßnahme — wie es zum Beispiel in Frankreich, Deutschland und anderen europäischen Ländern der Fall ist —, das geballte Zusammentreffen der Urlaubsreisenden in den Spitzenzeiten zu mildern. Es besteht zwar zwischen West- und Ostösterreich eine zeitliche Verschiebung der Schulferien um eine Woche, eine weitergehende Differenzierung unter stärkerer Berücksichtigung der Monate Juni und September wäre aber anzustreben. Auch sollten die Ferien nicht mit einem Wochenende beginnen, um die dann ohnehin anfallende Massierung nicht noch zu erhöhen.

Viele Betriebe in allen Wirtschaftssparten schließen in der Hochsaison einige Wochen und bestimmen dadurch den Urlaubstermin ihrer Arbeitnehmer. Es gilt auch hier, aufklärend zu wirken und die Notwendigkeit der Streuung der Urlaube über mehrere Monate aufzuzeigen (Staffelung der Betriebsschließungen).

Ebenso müssen dem Urlauber die Vorteile der Vor- und Nachsaison vor Augen geführt werden. Hinweise auf die Preisbegünstigung außerhalb der Hochsaison, die durchaus günstigen Wetterverhältnisse und das Fehlen des Trubels der Hochsaison sollen den Urlauber zur Überprüfung eines traditionellen Urlaubs- termines veranlassen. Mancher wird erkennen, daß ihm der Urlaub im Spätfrühling oder Herbst echte Vorteile bringt.

Das Problem der Konzentrationstendenz im Fremdenverkehr hat aber nicht nur einen zeitlichen, sondern auch einen räumlichen Aspekt.

1964 zählten 72 Gemeinden, das sind zirka 5 Prozent aller Fremdenverkehrsgemeinden, 47 Prozent aller Ausländerübernachtungen in Österreich.

Diese räumliche Ballung ist vor allem auf besondere landschaftliche Schönheiten und kulturelle Attraktionen, nicht zuletzt aber auch auf eine alteingesessene Fremdenverkehrstradition zurückzuführen.

Um räumliche Konzentrationstendenzen in geregelten Bahnen zu halten, muß auf Gegenden und Orte hingewiesen werden, die derzeit abseits der großen Fremdenverkehrsströme liegen. Noch viele reizvolle Gebiete sind trotz Fremdenverkehrsvoraussetzungen zuwenig bekannt, um Urlauber anzuziehen.

Die Gebiete, die der moderne Massentourismus noch nicht erreicht hat, sind für verschiedene Konsumentenschichten sehr interessant. Hier herrscht noch jene Ruhe, die sich viele Menschen, vor allem der vom Lärm geplagte Großstädter, für ihren Erholungsurlaub ersehnen. Die Aktion „Ruhe- und Erholungsdörfer“ zielt in diese Richtung und verspricht in mehr als 200 Gemeinden einen wirklich ruhigen und erholsamen Urlaub. Dadurch soll auch der ältere Mensch angesprochen werden, der die Beschaulichkeit liebt und dem hektischen Treiben unserer Zeit entfliehen möchte. Aber auch kinderreiche Familien verbringen in solchen Orten ideale Ferien. Die Kinder haben das unmittelbare Erlebnis der Natur und wenden solche Ferien mehr schätzen als eine Hetzjagd im Auto.

So bedarf der Konsument der intensiven Aufklärung, um mit günstigen individuellen Möglichkeiten der Urlaubsgestaltung vertraut gemacht zu werden.

Es sollte gelingen, die Wellenberge der touristischen Bewegung zu glätten und die Wellentäler aufzufüllen. Wenn dann die Konzentrationstendenzen räumlicher und zeitlicher Natur abgeschwächt sind und ein gewisser Ausgleich erreicht ist, wird dies sowohl für die Angebots- als auch für die Nachfrageseite des touristischen Marktes ein unbestreitbarer Gewinn sein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung