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Schaden macht klüger

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Versicherungen verdienen Milliarden durch falsch abgeschlossene Verträge. Ein Ratgeber hilft, diese unfreiwilligen Geschenke zu vermeiden.

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Versicherungen verdienen Milliarden durch falsch abgeschlossene Verträge. Ein Ratgeber hilft, diese unfreiwilligen Geschenke zu vermeiden.

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In Asien spenden Buddhisten im Tempel für einen Papierstreifen und hoffen, daß dieser sie vor einem bestimmten Unheil schützen wird. Christin che Europäer zahlen Versicherungsprämien und hoffen, sie seien vor einem ganz bestimmten oder auch unbestimmten Unheil geschützt. In beiden Fällen ist es äußerst ungewiß, ob sich die Hoffnung erfüllt”, so der humorvolle Beginn des Versicherungsratgebers „ Rleinge-drucktes großgeschrieben. Ihr persönlicher Umgang mit Versicherungen” von Fritz Koppe und Herwig N. Gro-er. Koppe, langjähriger Geschäftsführer des Vereins für Konsumenteninformation und Leiter der konsumentenpolitischen Abteilung der Arbeiterkammer Wien und Versicherungsexperte Groer beschreiben in ihrem Buch auf verständliche Weise, wie man für eine Prämie maximalen Schutz erhalten und sich vor „falschen” Verträgen schützen kann.

Die Versicherungswirtschaft, so die Autoren, ist heute ein gigantischer Wirtschaftszweig. 32.000 Menschen arbeiten in dieser Branche. Rund fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes werden dort erarbeitet und die Branche wächst weiter. Den Grund dafür sehen die Autoren in dem zunehmenden Wohlstand unserer Gesellschaft. Mit dem Wohlstand wächst auch die Angst vor Schicksalsschlägen und die Bereitschaft, sich dagegen zu versichern. Über 140 Milliarden Schilling Prämie zahlen die Österreicher pro Jahr für ihre Versicherungen. Für mehrere Milliarden erhalten sie dabei von den Anstalten keine Gegenleistungen. Es sind oft Prämien für falsch abgeschlossene Versicherungsverträge. Der Ratgeber will helfen, diese unfreiwilligen Geschenke an die Versicherungswirtschaft zu vermeiden. Einige Tips zu den geläufigsten Versicherungen:

■ Für jeden Vertragsabschluß gilt - so banal es auch klingen mag: lesen Sie das Kleingedruckte, bevor Sie unterzeichnen. Versicherungen sind profitorientierte Unternehmen und wollen sich, wenn möglich, natürlich selbst schadensfrei halten. Im speziellen bei Haushaltsversicherungen sollten Sie daher nicht nur lesen, wogegen Sie versichert sind, sondern besonders genau, wogegen Sie nickt versichert sind, denn da liegen die Tücken. Bei einer Feuerversicherung kann eventuell nicht als Brand gelten, wenn „versicherte elektrische Maschinen, Apparate oder Einrichtungen durch die Energie des elektrischen Stromes, sei es mit oder ohne Lichterscheinungen beschädigt oder zerstört werden.”

■ Überversicherung:

Die Wahl der falschen Versicherungssumme kann viel Geld kosten. Entspricht der Wert eines Gebäudes zum Zeitpunkt des Schadensfalles beispielsweise drei Millionen Schilling, wurde es aber bei Vertragsabschluß mit vier Millionen eingestuft, so wird die Prämie für vier Millionen bezahlt, bei Schadensfall aber nur der Gegenwert für drei Millionen ausbezahlt. Der Grund für eine Überversicherung ist meist die Differenz zwischen Neuwert und Zeitwert. „Die meisten Versicherungsanstalten ziehen in ihre Verträge eine Grenze ein, ein Ausmaß der Wertminderung, ab dem sie nur noch den Zeitwert und nicht mehr den Neuwert ersetzen”, so die Autoren und: „Die Hoffnung des Versicherten, im Schadensfall zumindest keinen materiellen Verlust zu erleiden, wird ab diesem Zeitpunkt enttäuscht. Die Versicherungsunternehmen dagegen kommen ab diesem Zeitpunkt in den Genuß einer Überversicherung.”

■ Prämienrückstände sind in jedem Fall zu vermeiden. Sinnvoll ist ein Dauerauftrag bei der Bank. Jedoch sollte man in keinem Fall die Einwilligung für einen Einziehungsauftrag geben, da es, so die Autoren, auch schon vorgekommen sei, daß Versicherungen durch einen „Computerfehler” die Prämie von neuen, allerdings noch nicht abgeschlossenen Verträgen abgebucht haben.

■ Doppelversicherung

Beim Erwerb eines Gebäudes sollte unbedingt darauf geachtet werden, ob für dieses Objekt bereits eine Versicherung abgeschlossen wurde. Wenn ja, und diese von dem neuen Besitzer nicht gewünscht wird, muß sie unverzüglich gekündigt werden (innerhalb Monatsfrist nach der Zusendung des Bescheides für die Grundbucheintragung), sonst muß sie von dem neuen Besitzer übernommen werden. Unterschreibt der nichtsahnende neue Hausbesitzer dann selbst noch eine Haushaltsversicherung, bezahlt er doppelt, kann abef im Schadensfall nur einmal Schadensersatz erhalten.

■ Feuer und Eiribruchversicherungs-polizzen sollen nach Möglichkeit nicht in den versicherten Bäumen aufbewahrt werden.

■ Vorsicht auch bei Safe-Schlüssel. Sie sollten in keinem Fall in dem Gebäude aufbewahrt werden, in dem sich der Safe befindet. Bei Diebstahl kann die Versicherung sonst den Schadensersatz verweigern.

Versicherungen rund ums Auto

■ Die Prämienangebote der einzelnen Versicherungen für die Haftpflichtversicherung sind dermaßen kompliziert geworden, daß es enorm schwierig geworden ist, den Bestbieter ausfindig zu machen. Ein Vergleich durch Computerprogramme lohnt sich auf jeden Fall (wo man das machen kann, steht im Buch). Ausschlaggebend für eine kostengünstige Prämie kann sein: der Wohnort, das Geschlecht, der Beruf, das Alter, die Bonusstufe, jährliche Kilometerleistung, Staatszugehörigkeit, ... Aber auch hier ist Vorsicht geboten, etwa bei einem sogenannten Ladyrabatt. Falls ein Mann dann dieses Fahrzeug lenkt und damit einen Unfall verursacht, kann die Versicherung einen Selbstbehalt einfordern.

■ Da der Beobachtungszeitraum für die Vorrückung in dem Bonus/Malus-System immer vom 1. Oktober bis zum 30. September des nächsten Jahres festgelegt ist, sollte dies für eine schnellere Prämienvorrückung berücksichtigt werden. Eine Sonderregelung: wenn das Fahrzeug um den ersten April angemeldet wird, sollte dies auf jeden

Fall noch spätestens am 31. März erledigt werden. Damit kann man sich bei dem Vorrückungs-marathon in

Bichtung Bonusstufe 0 ein ganzes Jahr ersparen.

■ Bonusfahrer, die länger als 12 Monate kein Fahrzeug angemeldet haben, fallen automatisch wieder in die Grundstufe zurück. Gleiches gilt aber natürlich auch für Malusfahrer ...

■ Falls jemand zusammen mit dem Auto auch gleich die Bonusstufe weitervererben will (interessant für ältere Menschen, die selbst nie mehr mit dem Auto fahren wollen), so ist das ohne weiteres möglich. Auch im Falle einer Erbschaft eines Kraftfahrzeuges kann man die Bonusstufe für sich in Anspruch nehmen.

■ Wann es ratsam ist, die entstandenen Kosten für einen Blechschaden selbst zu übernehmen und wann es günstiger kommt, die Versicherung zahlen zu lassen (dadurch rutscht man aber in eine höhere Bonus- oder Malusstufe) wird in dem Batgeber in Tabellen anschaulich vorgerechnet. Prinzipiell zahlt es sich meist aus, in der Bonusstufe 0 den Schaden von der Versicherung bezahlen zu lassen. Bei” höheren Bonusstufen oder sogar Malusstufen kann das aber zu erheblichen Mehrkosten führen und es ist dann manchmal günstiger, den Schaden aus der eigenen Tasche zu begleichen.

■ Wenn Sie die Kfz-Haftpflichtversi-cherungsprämie einmal jährlich (der Zeitpunkt kann mit der Versicherung ausverhandelt werden) mittels Einziehungsauftrag bezahlen, ersparen Sie sich auch Geld.

Zsatzkranken versicherung

Zwar steht im Gesetz, daß es in der medizinischen Betreuung keinen Unterschied zwischen Sozialversicherten und Privatpatienten geben darf, doch in der Praxis sieht es - zumindest nach Meinung vieler Versicherten - anders aus. Vier von zehn Österreichern haben sich bereits rqit einer Zusatzkrankenversicherung gewisse Privilegien erkauft. Angefangen von mehr Komfort im Spital, freier Arztwahl, Krankengeld ...

Bis zur Novelle des Versicherungs-vertragsgesetzes 1994 gab es besonders bei den Zusatzkrankenversicherungen viel Kritik. Die Versicherungsanstalten konnten einen Kunden einfach kündigen, üs dieser häufiger krank war und er die Leistungen der Anstalten zu oft in Anspruch riehmen mußte, oder wenn er ein gewisses Lebensalter erreicht hat. „Nun hat das Gesetz dieser unfairen Praxis einen Biegel vorgeschoben. Krankenversicherungen gelten grundsätzlich bis zum Lebensende des Versicherten. Weder aus Krankheits-, noch aus Altersgründen kann die Anstalt einen Ver-v trag kündigen. Selbst ein Vertrag, der bis zur Erreichung eines bestimmten Lebensalters abgeschlossen wurde, läuft nun automatisch weiter”, so die Autoren. Auch wenn noch entsprechende Klauseln in Ihrem Versicherungsvertrag stehen - sie sind mit dem neuen Gesetz ungültig.

Da es eine Vielzahl von Zusatzversicherungen gibt, empfehlen die Autoren einen Vergleich mittels Computerprogrammen (etwa beim Verein für Konsumenteninformation). Falls jemand bereits eine Zusatzkrankenversicherung besitzt, so soll er sie behalten, raten Koppe und Groer. Ein AVechsel oder Neuabschluß wird kaum Vorteile bringen, da das höhere Lebensalter dann berücksichtigt wird.

Beinahe unglaubliche Episoden über absurde Versicherungsabschlüsse machen das Fachbuch zu einer amüsanten Lektüre (etwa die Schilderungen eines Falles, bei der ein Versicherungsberater ein 18jähriges Lehrmädchen umgarnt und ihr einen Erlebensvertrag zu ihrem 80. Geburtstag einredet). Tabellen, Gesetze, Musterbriefe an Versicherungen und eine Liste mit Adressen der Versicherungsunternehmer ergänzen das Buch. Viele praktische Tips werden dem Leser helfen, einiges Geld - und auch Arger - zu ersparen.

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