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Schaffung neuer Zahlungsmittel?

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Österreich ist in der glücklichen Lage, noch nie einen Kredit des Währungsfonds in Anspruch genommen zu haben; im Gegenteil: Österreich hat sich bisher immer wieder an internationalen Stützungsaktionen beteiligt. Von anderen Ländern wurden im Rahmen des Währungsfonds bisher insgesamt 3,55 Milliarden Schilling in Anspruch genommen. Darüber hinaus hat die Nationalbank im Rahmen voh Swap- Krediten und anderen Arrangements mit namhaften Beträgen zur Stützung des Pfundes und des Dollars beigetragen.

Österreich zählt auch zu jenen 31 währungsstarken Ländern aus dem Kreis der insgesamt 107 Mitgliedsländer des Währungsfonds, die sich verpflichtet haben, keine Zahlungsbeschränkungen ohne vorherige Genehmigung des Fonds einzuführen uhd sich nicht an diskriminierenden Währungspraktiken zu beteiligen.

Bei der Reform des Fonds, die nun in Gang gekommen ist, geht es nicht nur um die Forderung der EWG nach vermehrtem Mitspracherecht und damit einer relativen Beschränkung des amerikanischen Einflusses.

Es geht vor allem um die Schaffung neuer internationaler Zahlungsmittel zum Ausgleich defizitärer Zahlungs bilanzen. Mit wachsendem Welthandel wurde der Kreis der dazu dienenden Mittel immer weiter gezogen: zusätzlich zum Gold wurden zunächst Devisen als Währungsreserven herangezogen, die Währungsreserven durch die Ziehungsrechte beim Internationalen Wäh rungsfonds, diese durch stand-by- Kreditabkommen und Swap-Vereinbarungen ergänzt (Swap-Vereinbabarungen’ sind Devisenkäufe mit der gleichzeitigen Vereinbarung, die selben zu einem späteren Zeitpunkt wieder zurückzuverkaufen), und schließlich soll für den Bedarfsfall zusätzlich eih neues System von Son- derziehungsrechten im Rahmen des Internationalen Währungsfonds geschaffen werden.

Bei der Errichtung des Sonderziehungssystems ging es in erster Linie um die Frage, ob die neuen Mittel eher Kreditcharakter haben oder mehr die Form internationalen Geldes annehmen sollten.

Das endgültige Ergebnis, das die Exekutivdirektoren nach einer Konferenz des Zehnerklubs ih Stockholm erzielt haben, stellt erwartungsgemäß einen Kompromiß dar.

Bei der Schaffung von Sonderziehungsrechten handelt es sich um die Ratifizierung eines Planes für den Bedarfsfall, der nur dann zum Tragen kommen soll, wenn Teilnehmer mit 85 Prozent der Stimmrechte seiner Aktivierung zustimmen.

Wenn dieser Beschluß gefaßt ist, erhalten die Teilnehmer Sonderziehungsrechte ohne Gegenleistung auf ein Sonderkonto des Währungsfonds gutgeschrieben, wobei sich der Schlüssel der Zuteilung nach der Höhe der Quoten beim Währungsfonds richtet. Über die gesamte Höhe der Sonderziehungsrechte kann man derzeit nur Spekulationen anstellen. Als Richtschnur kann dienen, daß sich die Weltwährungsreserven in den jüngsten Jahren um etwa zwei Milliarden Dollar jährlich erhöht haben. Unter Berücksichtigung des stark abnehmenden Zuflusses von Währungsgold, der mögliche Reduzierung des amerikanischen Zahlungsbilanzdefizits — letzteres ist ja eine wesentliche Voraussetzung für die Aktivierung des Systems — und der Tatsache, daß der Ausnützung der traditionellen Mittel des Währungsfonds Grenzen gesetzt sind, könnte man auf jährliche Zuteilungen von etwa 1 bis 2 Milliarden Dollar schließen.

Für die Verwendung der Sonderziehungsrechte sind folgende Richtlinien beschlossen worden: Jeder Teilnehmer kann die Sonderziehungsrechte dann für internationale Zahlungen heranziehen, wenn dies durch seine Zahlungsbilanz beziehungsweise Reservenlage gerechtfertigt erscheint, nicht jedoch zum Zweck, die Zusammensetzung seiner Währungsreserven zu ändern. Gegen Abgabe von Sonderziehungsrechten können über den Fonds oder auch direkt voh einem anderen Teilnehmer konvertilble Währungen erworben werden. Anderseits ist jedoch jedes Teilnehmerland grundsätzlich verpflichtet, selbst konvertible Währung bis zum zweifachen Betrag der eigentlichen Zuteilung zur Verfügung zu stellen. Der Fonds hat allerdings darüber zu wachen, daß nur Länder mit ausreichender Reserve- und Zah- lungsbilamzposition beansprucht werden; dabei ist auf eine möglichst gleichmäßige Aufteilung solcher Kaufwünsche auf die in Frage kommenden Länder zu achten.

Prinzipiell ist auch bei den Sonderziehungsrechten eine Rückkaufsverpflichtung (das heißt Rückzahlung) vorgesehen. In der ersten Basisperiode werden allerdings nur jene Beträge zurückzuzahlen sein, welche eine durchschnittliche Verwendung im Ausmaß von 70 Prozent der Zuteilung übersteigen. Ferner sei hier noch erwähnt, daß diese neuen internationalen Zahlungsmittel verzinst werden, wenn auch zu einem relativ niedrigen Satz, nämlich zunächst l’ t Prozent. Außerdem sind die Sonderziehungsrechte mit einer Goldgarantie ausgestattet.

Kann man von „Krise“ sprechen?

Sicherlich handelt es sich bei diesem neuen System nicht um eine ideale Lösung der Probleme des internationalen Währungssystems. Der ursprüngliche Plan, eine echte, unbedingte Ergänzung und Vermehrung der Reserven im Gold-Devisen- Standard herbeizuführen, ist nicht zur Gä’nze gelungen, die Sonderziehungsrechte werden aber die Möglichkeit einer längeren Atempause geben. Doch man wird sehr genau beobachten müssen, welche Auswirkungen die neuen Mittel auf die Funktion der Anpassungsprozesse haben werden. Nach wie vor hängt das Schicksal des Weltwährungssystems davon ab, wie weit es den Leitwährungsländern gelingt, ihre Zahlungsbilanzen durch echte An- passungsprozesse im Bereich ihrer Volkswirtschaften ins Gleichgewicht zu bringen.

Sonderziehungsrechte sind nicht ohne Gefahr, neue Versuchungen und Möglichkeiten zu schaffen, den Maßnahmen aus dem Weg zu gehen, die im Interesse einer wirklichen Anpassung ergriffen werden müssen. Der Umstand, daß der Begriff Adjustment in jedem neuen Entwurf immer weniger oft vorkommt, möge kein böses Omen sein. Die Ablehnung der Sonderziehungsrechte durch Frankreich hat in dieser Gefahr ihre Begründung, über die man nicht ohne weiteres zur Tagesordnung übergehen kann. Inkonsequent ist es aber, gleichzeitig eine Erhöhung des Goldpreises zu fordern: Wenn gegen ein Ausweichen in eine künstliche Vermehrung der Reserven an Währungsgold dieselben Bedenken eingewendet werden müßtöa.

Das internationale Währungssystem befindet sich in einer krisenhaften Situation, krisenhaft in dem Sinn verstanden, daß es heute darum geht, die Entscheidungen zu treffen, die notwendig sind, das Währungssystem der freien Welt in die Lage zu versetzen, für die weitere zügige Entfaltung des internationalen Güter- und Leistungsaustausches die Grundlage zu geben, wie das derzeitige System seit Bretton Woods die Basis der dynamischsten Prosperitätszunahme der Weltgeschichte gewesen ist.

Die Bezeichnung der gegenwärtigen Situation als „Krise“ darf aber unter keinen Umständen mißverstanden werden. Vor allem bei jenen, denen die wirtschaftliche Lage der zwanziger Jahre als die „Krise“ schlechthin aus verständlichen Grün den auf immfier unvergeßlich geblieben ist, erweckt dieses Wort unbegründete Assoziation. Manche Bezugnahmen auf diese Zeit geben auch zu irreführenden Vergleichen Anlaß: wie zum Beispiel die amerikanischen Goldreserven hätten den tiefsten Stand seit 1936, oder die Bankrate sei die höchste seit dem Sommer 1929, bevor sie damals kurz vor dem sogenannten „schwarzen Freitag“ auf 6 Prozent erhöht wurde. Die Neigung gerade der Großmächte, ihre Zahlungsbilanzprobleme auch durch Maßnahmen zu lösen, die nicht nur den internationalen Verkehr diskriminierend hemmen, sondern sogar internationalen Verpflichtungen zuwiderlaufen, hat bei manchen die Befürchtung hervorgerufen, ein Klima der dreißiger Jahre wäre wieder im Anzug.

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