Dohnal - © Foto: Thomas Jantzen/SPÖ (CC)

Schicksal Frau sein

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Ex-Ministerin Johanna Dohnal zieht Bilanz, was sich für Österreichs Frauen verbessert hat.

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Ex-Ministerin Johanna Dohnal zieht Bilanz, was sich für Österreichs Frauen verbessert hat.

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Die Furche: 1985 beschloß die UN-Weltfrauenkonferenz in Nairobi die „vorausschauenden Strategien”, die der Frauenbefreiung den Weg ins nächste Jahrtausend weisen sollten Nächste Woche wird Ihre Nachfolgerin in Peking den Frauenbericht der Regierung vorlegen, der unter Ihrer Ägide erarbeitet wurde. Wzs haben die österreichischen Frauen erreicht?

Johanna Dohnal: Vielleicht haben die internationalen Ereignisse die strukturelle Weiterentwicklung der Frauenpolitik im Bewußtsein auch mancher Medien verdeckt. An erster Stelle möchte ich das Gleichbehand-lungsgesetz anführen, das gegen viele Widerstände erkämpft wurde und seit 1993 in Kraft ist. Weiterentwickelt wurde auch das Frauenförderungsprogramm für den öffentlichen Dienst. Jetzt gibt es das Gleichbehandlungsund Frauenförderungsgesetz, mit den Gleichbehandlungskommissionen und den Gleichbehandlungsbeauf-tragten. Auch die Umwandlung des Frauensekretariats in ein Kanzleramtsministerium gehörte zu den Instrumentarien, mit deren Hilfe die UN-Strategien von-1985 in Osterreich implementiert werden. Entscheidend waren damals die Kompetenzen für die Ministerin, denn damit hatte das Nachlaufspiel ein Ende. Der Finanzminister, der Sozialminister waren nun gezwungen, mit der Frauenministerin zu verhandeln. Positive Veränderungen haben wir auch im Kampf gegen die Gewalt erreicht, durch In-formations- und Bewußtseinsarbeit. Demnächst wird ein Gesetzesentwurf vorgelegt, um effizienter gegen Gewalttäter vorgehen zu können.

Die Furche: Ein Streitpunkt, der immer wieder in Diskussionen auftaucht, ist die Quotenregelung. Hat sie den Frauen wirklich etwas gebracht?

Dohnal: Die UNO hat die Stellung der Frau in 116 Ländern analysiert. Österreich nimmt den neunten Rang ein. Vor uns sind die skandinavischen Staaten, die schon lange mit der Quotenregelung arbeiten. In Österreich hat die SPÖ die Quote als erste Partei eingeführt. Heute ist unter den Frauen aller politischer Parteien unbestritten, daß die Quote notwendig ist, um den Anteil der Frauen in den öffentlichen Institutionen zu erhöhen.

Die Furche: Die Weltfrauenkonferenz in Peking steht unter keinem guten Stern. Der chinesische Atombombenversuch, öffentliche Hinrichtungen, die Verlegung des Frauenforums für die nichtstaatlichen Organisationen an einen Ort, der 60 Kilometer von Peking entfernt ist, überschatten die Vorbereitungen. Einige Frauenorganisationen verlangen den Boykott Wie stehen Sie dazu?

Dohnal: Ich habe 1985 bei der Weltfrauenkonferenz in Nairobi Wien lanciert. Später hat sich dann die Stadt Wien offiziell als Veranstaltungsort für die Weltfrauenkonferenz beworben. Erst unmittelbar vor der Generalversammlung in New York war plötzlich auch Peking Bewerber. Über die Menschenrechte in China hat man damals durchaus Bescheid gewußt. Allerdings: dieser Zynismus, Hinrichtungen mit der Weltfrauenkonferenz zu rechtfertigen, verschlägt einem den Atem. Mein Vorschlag ist, daß die österreichische Regierung sehr deutlich Stellung nimmt. Einen Boykott halte ich nicht für sinnvoll. Es geht um wichtige Fragen bei dieser Konferenz. Der Vatikan und fundamentalistische islamische Staaten werden versuchen, das Selbstbestimmungsrecht der Frau über ihren Körper in Frage zu stellen. Man will im Schlußdokument hinter die Beschlüsse der Weltbevölkerungskonferenz von Kairo zurückgehen. Österreich wird sich mit den anderen EU-Staaten abstimmen, aber auch mit Frauenorganisationen zusammenarbeiten, um diese Gefahr abzuwehren. Es muß aber eine Weiterentwicklung geben, welchen Sinn hätte sonst die Konferenz?

Die Furche: Sie haben in den Jahrzehnten als Spitzenpolitikerin die Zusammenarbeit der Frauen über die Parteigrenzen hinweg unterstützt Dabei mußten Sie einen Balanceakt vollführen, da Sie selbst als Parteipolitikerin der Parteiräson zu folgen hatten.

Dohnal: Die Zusammenarbeit über Partei- und konfessionelle Grenzen ist möglich, wenn dabei respektiert wird, daß es in anderen Fragen gegensätzliche Standpunkte gibt. Das ist meine Erfahrung. Selbstverständlich gibt es auch Zwänge in den Parteien, und die Frauen müssen wissen, was sie einander zumuten können. Besonders meine Erfahrung mit Frauen aus kirchlichen Organisationen war positiv, wir konnten unsere Zusammenarbeit ausgesprochen produktiv und effizient gestalten.

Die Furche: Als Sie das Frauenstaatssekretariat übernahmen, hat Bruno Kreisky fünf Frauen in die Regierung berufen Wenn Sie sich die heutige Situation ansehen, haben Sie nicht den Eindruck daß der Elan geschwunden ist?

Dohnal: Eine Einschätzung muß von der gesamtpolitischen Entwicklung ausgehen. Die Sozialdemokratie hatte in der Ersten Republik und nach dem Krieg eine ganz wichtige Funktion für die Frauen erfüllt. Die Sozialgesetzgebung hat die Frauen geschützt. Aber die Schutzbestimmungen folgten dem patriarchalen Frauenbild. Der Ehemann galt als Familienerhalter. Bis 1978 hieß es einfach „die Gesellschaft” müsse den Frauen helfen, vom Partner war keine Rede. Erst dann wurde auch die Verantwortlichkeit des Mannes für Hausarbeit und Kinder explizit ins Parteiprogramm geschrieben. So hat die Sozialdemokratie eine Entwicklung durchgemacht und ihre heutigen Positionen haben die Frauen durchgesetzt. Die Männer haben das emanzipatorische Denken nicht eingeführt. Aber auch die Frauenorganisation selbst hat sich weiterentwickelt, indem sie gelernt hat, sich aus der Abhängigkeit in der Partei zu lösen und eigene Ansprüche zu stellen. Das ist ein Emanzipationsprozeß, der in der Sozialdemokratie vor sich geht.

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