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Schlanker, aber schlagkräftiger

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UN-Generalsekretär Kofi Annan will seine Organisation straffer, schneller und effizienter machen. Und - ganz nebenbei - finanziell unabhängiger.

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UN-Generalsekretär Kofi Annan will seine Organisation straffer, schneller und effizienter machen. Und - ganz nebenbei - finanziell unabhängiger.

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Die Vereinten Nationen arbeiten nicht, wie sie sollten. Wo wir flexibel und anpassungsfähig hätten sein müssen, waren wir allzuoft bürokratisch. Wo wir über die Grenzen von Institutionen und Sektoren hätten wirken müssen, sind wir in starren Strukturen verharrt, isoliert, wenig bis kaum koordiniert.” UN-Generalsekretär Kofi Annan wußte, was er den Kritikern seiner Organisation schuldete, als er letzte Woche in New York zur UN-Vollversammlung sprach.

Thema der Sondersitzung: Die Erneuerung der Vereinten Nationen. Die von Kofi Annan etwas vollmundig als „stille Revolution” bezeichneten Reformpläne, „die jede einzelne Aktivität der Vereinten Nationen betreffen werden”, sollen die Weltorganisation schlanker, flexibler und - vor allem in Friedensmissionen - schneller machen, so das Ziel. Der Weg dorthin: ein ehrgeiziges Sparpaket und ein Umbau der weitverzweigten Organisation.

„Endlich wird auch in den Vereinten Nationen daran gegangen, Effizienz zu bringen”, ist Österreichs Staatssekretärin im Außenamt, Benita Fer-rero-Waldner, über Stoßrichtung und Managementreform erleichtert. So wünscht sich Annan etwa einen Stellvertreter sowie ein schlagkräftiges Führungsgremium mit einem eigenen Fundraiser. Der Bevölkerungsfonds UNFPA, das Entwicklungsprogramm UNDP und das Kinderhilfs-werk UNICEF sollen sich in einem Dachverband für Entwicklung besser aufeinander abstimmen und in den Einsatzgebieten ein gemeinsames

UN-Haus beziehen. „Diese verstärkte Koordination im Feld finde ich ganz toll”, betont Ferrero-Waldner in einer ersten Einschätzung gegenüber der FURCHE. „Ich halte es für wichtig”, so die Staatssekretärin mit Blick auf die Neuorganisation von humanitärer Nothilfe und Menschenrechtsarbeit,

„daß Abteilungen, die doppelt gear beitet haben, abgebaut werden”.

Das Sparprogramm, das ein erstmals schrumpfendes Budget ermöglichen soll, sieht eine Verwaltungsreform mit einer Kostenreduktion von einem Drittel und 30 Prozent weniger Papierverbrauch vor. Sieben Kopien ein und desselben alltäglichen Dokuments, davon fünf Gedruckte, die in Ordnern abgelegt wurden, waren in der Vergangenheit keine Seltenheit, wie der Autor in der Genfer UN-Zentrale feststellen mußte. Beim Mitarbeiterstab schlägt Annan vor, mindestens 1.000 Stellen zu streichen. „Ich verstehe diese Forderung, denn die UNO war in den letzten Jahren aufgebläht”, kommentiert Ferrero-Waldner. In der Kernorganisation der UN in Wien (UNOV) rechnet man mit einem Minus von 50 der rund 700 Posten. Die Hälfte davon sind derzeit unbesetzte Planstellen.

Die gute Nachricht: Nach den Plänen des UN-Generalsekretärs soll Wien als dritte Zentrale der Weltorganisation ein starkes Sicherheits-Profil erhalten. Die organisierte Kriminalität und den Terrorismus nennt Annan die „Un-Zivilgesellschaft”, deren Bekämpfung einer von acht Arbeitsschwerpunkten bis 2001 wird. Dafür wird zwar keine neue Organisation an die Donau kommen, aber das Drogenkontrollprogramm UN-DCP und die bisherige Abteilung für Verbrechensprävention und Strafjustiz sollen in einem neuen Büro zusammengefaßt und aufgewertet werden. Besondere Schwerpunkte: Geldwäsche, Frauen- und Kinderhandel.

Trotz dieser neuen Arbeitsplätze können die internationalen Bediensteten nicht in Euphorie verfallen. Denn für die vom deutschen Entwicklungsminister Carl-Dieter Spranger angezweifelte UN-Stelle in Wien, die UNIDO, ist Kofi Annan gar nicht zuständig. Diplomatisch-unverbindlich empfiehlt der UN-Generalsekretär den Mitgliedsstaaten daher, in einer „Kommission” über Reformen außerhalb seines Mandates nachzudenken. Der vorliegende Reformplan muß noch von der Generalversammlung angenommen werden, zum Teil sogar mit Zwei-Drittel-Mehrheit. Ferrero-Waldner rechnet mit Skepsis seitens der G-77-Staaten (ein Zusammenschluß von Entwicklungsländern), die um ihren Einfluß gegenüber besser koordinierten Entwicklungsprogrammen fürchten.

Schon bisher stellten wichtige Mitglieder nationale Interessen vor jene der Staatengemeinschaft. So wurde unverhohlen wirtschaftlicher Druck auf die Weltorganisation ausgeübt, indem etwa eine isolationistische „Mir san mir”-Mentalität im US-Kongreß seit 1995 Beitrags-Schulden von insgesamt 1,3 Milliarden auflaufen ließ. Kofi Annan will seine Organisation künftig mit einem Kreditfonds von derlei Pressionen freispielen. Zahlt ein Land nicht pünktlich, wird kostenpflichtig auf diese Rücklagen zurückgegriffen, um dennoch auf die diversen Probleme der Menschheit reagieren zu können. „Sie überschreiten Staatsgrenzen. Und sie übersteigen die Lösungsmöglichkeiten jedes einzelnen Landes”, sagte Annan vor der Vollversammlung, um dann - in der einzigen Abweichung vom Redemanuskript - bedeutungsvoll hinzuzufügen: „Ich wiederhole: jedes einzelnen Landes, wie mächtig es auch sein mag.”

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