Schluss mit dem Autobahnbau"

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Kommt nach der Transit-Pleite ein Umschwung in der Verkehrspolitik? Über deren zukunftsträchtige Ausrichtung ein Gespräch mit dem Leiter des Forschungsinstituts des "Verkehrsclub Österreich".

Die Furche: Welche Lehren sind aus dem Scheitern der Transit-Verhandlungen zu ziehen?

Wolfgang Rauh: Zunächst den Populismus beenden, einsehen, dass ausländische Lkw nicht störender sind als inländische. Es sollte versucht werden, in der EU eine einheitliche Position in der Frage der Wegekosten-Richtlinie zu vertreten. Sie ist das wichtigste Instrument, um den Lkw-Verkehr in den Griff zu bekommen.

Die Furche: Was sollte die Wegekosten-Richtlinie vorsehen?

Rauh: Auf jeden Fall dafür sorgen, dass ein Mautsystem nach dem Modell der Schweiz in Österreich eingerichtet werden kann. Sein wichtigstes Kennzeichen: Es gilt nicht nur auf hochrangigen Straßen. Das ist auch sinnvoll. Die Kostendeckung der Lkw auf hochrangigen Straßen ist zwar auch schlecht, aber immer noch am besten. Wirklich miserabel ist sie auf untergeordneten Straßen. Für den Pkw funktioniert die Kostendeckung über den Treibstoff. Aber ein Lkw verursacht nun einmal viel höhere Kosten, als er an Steuern einspielt. Ein sinnvolles Maut-Modell muss somit untergeordnete Straßen umfassen.

Die Furche: Erfordert das ein kompliziertes Systems der Erfassung?

Rauh: Das Schweizer System arbeitet mit einem hochkomplexen Kilometerzähler. Für ausländische Lkw gibt es einen anderen Modus, der sich bewährt hat. Das ließe sich leicht in Österreich einrichten.

Die Furche: Was wäre weiters von der Richtlinie zu fordern?

Rauh: Die externen Kosten des Lkw-Verkehrs, etwa durch Lärm, Unfallfolgen oder Umweltschäden, müssten ihm angerechnet werden können und die Einkünfte aus der Maut für Investitionen in die Schiene verfügbar sein. Im jetzigen Entwurf ist das nicht vorgesehen. Dabei war in den neunziger Jahren in Brüssel die Bereitschaft, externe Kosten zu berücksichtigen, gegeben. Mangels Engagements der Regierungen - auch der österreichischen - hat sich aber die Frächter-Lobby durchgesetzt.

Die Furche: Was sollte für den Schienenverkehr geschehen?

Rauh: Die Lieblingsstrategie der Politik ist: Alles bleibt wie bisher und zusätzliche Gelder irgendwohin buttern, um Schäden auszugleichen. Also: Geld für die Bahn und beim Lkw bleibt alles unverändert, etwa die niedrigen Dieselpreise. Es ist widersprüchlich, wenn sich Österreich gegen den Transit stark macht, aber einen der niedrigsten Dieselpreise der EU hat und so den Lkw-Verkehr fördert - einfach unglaubwürdig.

Die Furche: Zurück zur Bahn...

Rauh: In die Bahn zu investieren, ist Verschwendung, solange die Wettbewerbsvorteile des Lkw-Verkehrs bestehen bleiben. Und sie bleiben erhalten, weil das Autobahnnetz laufend ausgebaut wird. Erst durch diesen Ausbau erlangte der Lkw-Verkehr auch auf langen Strecken Vorteile. Wer das verändern will, muss die Konkurrenz-Position des Lkw-Verkehrs zumindest stabilisieren. Wer Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern will, darf nicht gleichzeitig Autobahnen ausbauen.

Die Furche: Wie kann man die Leistungsfähigkeit der Bahn stärken?

Rauh: Durch den Ausbau hochrangiger Strecken in die Beitrittsländer und des regionalen Bahnverkehrs. Im EU-Vergleich haben Länder mit dichtem Schienennetz einen hohen Anteil von Schienengüterverkehr (Österreich liegt da an zweiter Stelle). Daher muss man die Regionalbahnen erhalten.

Die Furche: Kann sich Österreich das leisten?

Rauh: Ja, mit einem Bruchteil des Geldes, das in Großprojekte mit zweifelhaftem Nutzen wandert. Darüber hinaus wäre es wichtig, das Bahnnetz, das vor mehr als 100 Jahren entstanden ist, an die heutige Siedlungsstruktur anzupassen. Da gibt es Potenziale, die genutzt werden könnten. Und noch etwas: Die Gleisanschlüsse dürfen nicht vernachlässigt werden. 80 Prozent des Bahn-Güterverkehrs werden über direkte Anschlüsse abgewickelt. Derzeit forciert man aber vor allem der Container-Verkehr. Dieser ist auch wichtig, aber keineswegs alles. In den USA gibt es erfolgreiche Modelle für den Betrieb solcher Gleisanschlüsse etwa durch die Schaffung eigener Gesellschaften für diese Aufgabe. Außerdem gäbe es auf diesem Gebiet auch viele technische Innvovationen. Da könnte die EU Initiativen ergreifen.

Das Gespräch führte Christof Gaspari.

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