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Die (Sport-)Mode des Westens wird oft unter skandalösen Arbeitsbedingungen hergestellt. Ein Missstand, gegen den die Clean Clothes Campaign - rechtzeitig vor den Olympischen Spielen - zu Felde zieht.

Süße Tupfen, knallige Farben, figurumschmeichelnde Schnitte - und das alles reduziert: Es ist Sommerschlussverkauf, die Zeit der Schnäppchen. Wenn modisches Outfit derzeit auch verbilligt ist, so hat es doch seinen Preis: Pro Jahr gibt jede Europäerin und jeder Europäer 870 Euro dafür aus. Ist Mode eine reine Frauensache? Meistens schon, schließlich kleidet frau oft nicht nur sich selbst, sondern auch die Herren der Schöpfung nebst Kindern ein.

Während sich die Frauen der Nordhalbkugel mehr oder weniger teuere Shoppingtouren leisten können, sind die Frauen des Südens mit dem Nähen der Kollektionen beschäftigt. Mehr als 90 Prozent der Beschäftigten in der Bekleidungs- und Sportswearindustrie sind dort Frauen. Unter Niedrigstlohnbedingungen lassen C&A, H&M, Benetton, Lagerfeld, Levis, Nike, Adidas, Puma und Co. Markenartikel herstellen. Die beträchtlichen Gewinne der Global Players werden also auf dem Rücken von Millionen Näherinnen erzielt.

Saubere Spiele

Auch in Zeiten von Olympia. Für die "Clean Clothes-Kampagne" ein guter Grund, rechtzeitig vor Beginn der olympischen Spiele in Athen (13. bis 29. August) auf die mitunter skandalösen Arbeitsbedingungen in der Sportartikelindustrie hinzuweisen. "Menschenwürde und Fairness" sollen nicht nur bei den Wettkämpfen, sondern auch in der Herstellung von Shirts, Schuhen und Zubehör gelten. "Play fair at the Olympics" heißt die Initiative, die von der europäischen Clean Clothes Campaign (CCC), der internationalen Hilfsorganisation Oxfam und dem Bund Freier Gewerkschaften (Global Unions) ins Leben gerufen wurde. Bereits im März hat CCC-Österreich dem Präsidenten des nationalen Olympischen Komitees, Leo Wallner, eine Petition übergeben, die auf die miserablen Arbeitsbedingungen in der Sportbekleidungsindustrie hinweist. Bis heute wurde diese Petition von über 7.000 Österreicherinnen und Österreichern unterschrieben. International wurden über 174.000 Unterschriften gesammelt.

In den letzten Jahren hatten westeuropäische Textilriesen vor allem Osteuropa im Visier. Brachliegende Produktionskapazitäten einstiger Staatsbetriebe, ausgebildete Arbeitskräfte, niedrige Löhne sowie die geographische Nähe zum "Westen" haben sie in den Osten gelockt. Das hohe Niveau der Arbeits- und Sozialgesetze aus staatssozialistischen Zeiten stört die Multis wenig. Über das Vehikel "Saisonarbeitsplätze" umschiffen sie gesetzliche Mindestlöhne, begrenzte Arbeitszeiten, Mutterschutz und Erziehungsurlaub. Die Beschäftigten in Regionen mit Arbeitslosenquoten zwischen zehn bis 50 Prozent sind ohnedies schnell zu Zugeständnissen bereit. Hungerlöhne, überlange Arbeitszeiten, Schwarzarbeit, Behinderung von Betriebsrats- und Gewerkschaftsarbeit, sexuelle Belästigung und gesundheitsschädigende Arbeitsverhältnisse sind an der Tagesordnung.

Doch die Abwärtsspirale hat noch lange kein Ende. Denn Textilarbeiterinnen im fernen Bangladesh, Indonesien, Indien, Sri Lanka, Kambodscha, Vietnam und China sind noch billiger und "williger". Die Arbeitsbedingungen in den dortigen "Sweatshops" (Schwitzbuden) kennt die 22-jährige Phan, die in einer thailändischen Fabrik für Puma Sportbekleidung näht, nur zu gut: "In der Hochsaison arbeiten wir bis zwei oder drei Uhr früh. Wir müssen immer Doppelschichten machen. Auch wenn wir noch so erschöpft sind, wir haben keine Wahl."

Ausgebeutete Frauen

Viele Näherinnen sind obendrein noch Opfer sexueller Übergriffe. Nach Aussagen einiger Arbeiterinnen einer indonesischen Fabrik, die Sportswear für Fila, Puma, Lotto und Nike herstellen, werden "hübsche Mädchen in der Fabrik immer wieder von den Managern belästigt. Weigern sie sich, droht man ihnen mit der Kündigung.

Der Manchesterkapitalismus des 19. Jahrhunderts feiert seine Auferstehung: Mehrheitlich wird den Näherinnen das Recht zu gewerkschaftlicher Betätigung verweigert. Zudem werden von den Regierungen bestehende Arbeitsrechte ganz im Sinne der FTZ (Free Trade Zone) aufgeweicht, um Auslandsinvestoren ins Land zu locken. Internationale Rechte und Normen werden einfach negiert.

* So sieht das Kernübereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) vom 8. Juni 1998, das 175 Staaten unterzeichnet haben, die Beseitigung von Zwangsarbeit, Abschaffung von Kinderarbeit, Verbot von Diskriminierung sowie das Recht auf Koalitions- und Kollektivfreiheit vor.

* Grundlegende Arbeitsrechte, die der Internationale Bund freier Gewerkschaften (IBFG) bereits 1997 geschaffen hat, garantieren die Zahlung existenzsichernder Löhne, menschenwürdiger Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten sowie die Einhaltung von Arbeits- und Sozialrechten.

Teurer Imageverlust

Skandalöse Arbeitsbedingungen in einem philippinischen Textilunternehmen, das für den niederländischen Textilriesen C&A nähte, führten bereits 1990 zur Gründung der "Schone Kleren Campagne". Der Gedanke von sozial verträglicher, "sauberer" Kleidung sprang in den Folgejahren auch auf die USA, Kanada und Australien über. Europa blickt mittlerweile auf 250 Organisationen, die im Sinn der Clean Clothes Campaign aktiv sind. Auch in Österreich wird die Kampagne von einem Netzwerk unterschiedlichster Organisationen wie Südwind Agentur, ARGE Weltläden, Enchada - Katholische Jugend Österreich, Katholische Frauenbewegung, ÖGB und Österreichische Bischofskonferenz unterstützt.

"Noch vor wenigen Jahren haben die Konzerne die Anliegen der Clean Clothes Campaign schlichtweg ignoriert", berichtet der österreichische CCC-Projektleiter Stefan Kerl. "Mittlerweile haben die Global Players erkannt, dass sie ihr mit Werbemilliarden teuer erkauftes Image riskieren, wenn skandalöse Arbeitsrechtsverletzungen weiterhin die Kunden verunsichern oder vom Kauf abhalten." Deshalb haben Karstadt-Quelle, Puma, Adidas-Salomon oder Nike eigene Verhaltenskodices mit sozialen Mindeststandards entwickelt, wobei sie bis dato unabhängige Überprüfung nach den strengeren CCC-Standards ablehnen. Positivbeispiel ist der deutsche Naturtextilienhersteller Hess -Natur. Vor kurzem hat das Versandhaus ein Pilotprojekt zur durchgängigen Kontrolle von Sozialstandards gestartet, bei dem über ein Fragebogensystem auch die Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben abgefragt und von der CCC Deutschland ausgewertet werden. "Wenn das Projekt gut läuft, könnten wir in Österreich mit unserer klein- und mittelständischen Struktur von diesen Erfahrungen profitieren", ist Stefan Kerl überzeugt.

Fortschritte ganz anderer Art zeichnen sich in Frankreich ab. Dort haben sich bereits 200 Städte dazu verpflichtet, bei kommunalen Anschaffungen auch auf die Arbeitsbedingungen bei der Herstellung der Produkte zu achten. "Diesbezügliche Gespräche in österreichischen Städten sind bisher leider ergebnislos verlaufen", bedauert der 26-Jährige.

Mächtige Konsumenten

Doch Stefan Kerl weiß um die Macht der Konsumenten - und die Sensibilität der Multis, wenn es zu Umsatzeinbrüchen infolge einer gezielten Öffentlichkeitsarbeit kommt. In diesem Zusammenhang erinnert er an die erste Postkartenaktion - adressiert an C&A -, die zur Wiedereinstellung indonesischer Textilarbeiterinnen führte. Ein ähnlicher Fall ereignete sich jüngst in Indonesien, wo das Management von Kahatex auf den Streik von Arbeiterinnen mit fristloser Entlassung reagierte. Auf Grund des internationalen Drucks auf S. Oliver, H&M und Nike sind alle 537 Arbeiterinnen wieder eingestellt worden. Allein aus Österreich sind 1.191 E-Mails in der Konzernzentrale von S. Oliver eingetroffen. Deshalb heißt es für Stefan Kerl weitermachen. "Nur wenn die Konsumenten den Marktführern lästig fallen und nicht müde werden, auf Missstände und Rechtsverletzungen hinzuweisen, wird sich etwas ändern."

Die Autorin ist freie Publizistin in Wien.

Informationen zu

"Play Fair at the Olympics" bei der

Koordinierungsstelle der österreichischen Clean Clothes-Kampagne,

Südwind Agentur, unter (01) 405 55 15/306 und www.cleanclothes.at.

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