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Digital In Arbeit

Schon morgen Arbeitsdirektor

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„Die Entwicklung der Löhne führte ab 1961 zu einer Verringerung der Gewinnmargen.“

Dieser Satz stand im Bericht des Beirates für Wirtschafts- und Sozialfragen, der der Paritätischen Kommissdon in seiner letzten Sitzung vor dem Sommer vorlag.

Ist es daher verwunderlich, wenn die Unternehmer derzeit Zurückhaltung üben, wenn heue Forderungen der Arbeitnehmerschaft an sie herangetragen werden?

Aber die Arbeitnehmerorganisationen, voran die Gewerkschaften, haben sich für einen anderen Weg entschieden, den sie international gehen wollen — und auf dem sie zwar Zurückhaltung auf dem Lohnsektor halten wollen, wenn sie dieses Zugeständnis gegen erhöhte Mitbestimmung eintauschen können.

Die Mitbestimmung ist historisches Eigentum der christlichen Sozialreform. In Österreich versuchte das gleichzeitig mit den Verstaatlichungsgesetzen 1945 erlassene Gesetz über die Produktivgenossenschaften sowohl Mitbeteiligung wie Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb zu realisieren. Aber trotz wiederholter Versuche, solche Sozialmodelle zu effektuieren, scheiterte man einerseits bei der Unternehmerschaft, anderseits in den Gewerkschaften: denn dort verstand man unter „Mitbestimmung“ nicht ein Mitspracherecht in den Unternehmen, sondern überbetriebliche und damit politische Mitbestimmung.

Fragliche Mitverantwortung

So hat auch die Kampagne, die der ÖGB derzeit für die Mitbestimmung eingeleitet hat, grundsätzlich zwei Zielrichtungen: einerseits wollen die sozialistischen Gewerkschafter Wege finden, um auf die Wirtschafts- und Währungspolitik der Regierung stärkeren Einfluß zu gewinnen, anderseits streben die christlichen Gewerkschafter konkrete Mitarbeit der Arbeitnehmer in den Unternehmen bei gleichzeitiger Mitbeteiligung am Ertrag an.

Wie man freilich diese Wünsche auch mit der Forderung nach „Mitverantwortung“ in Einklang bringen kann, scheint weder überdacht, noch konkret formuliert.

Einzig die ÖGB-Zeitschrift „Arbeit und Wirtschaft“ forderte, man möge zuerst eine schrittweise Verwirklichung der Mitbestimmung in der verstaatlichten Industrie vornehmen. Die Minderheitsvertretung der Betriebsräte in den Aufsichtsräten solle durch eine gleichberechtigte Vertretung ersetzt werden und Arbeitnehmer sollten auch in die Vorstände der Unternehmen einziehen. Daher sollte der ÖGB schon jetzt Schulungseinrichtungen schaffen, um die Arbeitnehmer auf ihre Leitungsfunktionen varzubereiten. Überdies müßte sofort eine wirksame Information der Belegschaften erfolgen. Wie auf dem letzten Bundeskongreß beschlossen wurde, ging der ÖGB überdies daran, ein Betriebsverfassungsgesetz auszuarbeiten. Zusammen mit einer forcierten Mitsprache bei der geplanten Investitionsbank will man so kontinuierlich Einfluß auf das Wirtschaftsgeschehen erhalten.

Denn international — so argumentiert der ÖGB — sei man schon erheblich weitergekommen.

In England habe man seit 1. Mai dieses Jahres in den wiederverstaatlichten Stahlunternehmungen sogenannte Arbeitsdirektoren eingeführt, die durch drei Jahre als gewählte Belegschaftsvertreter dem Management angehören. Auf diese Weise konnte Premier Wilson den sowieso renitenten Gewerkschaften Großbritanniens das fast zweijährige Streikverbot und den effektiven Lohnstopp schmackhaft machen.

In Holland plant man eine „Unternehmenskammer“ beim Gerichtshof In Amsterdam, die auf Antrag der Gewerkschaften Eingriffsrechte in die Unternehmensplanung erhalten soll.

In der deutschen Bundesrepublik wurde vom DGB ein Gesetzentwurf eingebracht, der die Mitbestimmung in 380 großen Kapitalgesellschaften vorsieht. Überdies diskutiert man die

Mitbeteiligung der Arbeitnehmer durch einen Fonds, in den zehn bis zwanzig Prozent der Gewinne deutscher Unternehmen einzuzahlen sind.

In Frankreich ist derzeit alles offen: Die „participation“, die sowohl de Gaulle als auch die neue Regierung zugesagt haben, würde im wesentlichen eine Totalmitsprache und eine totale Mitbeteiligung vorsehen, doch sind noch zu wenig Reaktionen der Unternehmerschaft bekannt.

Solche ausländischen Versuche sind zweifellos geeignet, den Ehrgeiz der österreichischen Arbeitnehmervertretungen anzustacheln. Allerdings bleibt neben der Grundfrage der Verantwortlichkeit der Mitspracheberechtigten das zentrale Problem der Wirtschaft Österreichs bestehen: die mangelnde Investi- tion&ieigung.

Denn Österreich besitzt, und das gibt etwa Präsident Benya offen zu, ein Maximum an Mitbestimmung (allerdings im überbetrieblichen Rahmen); diese Form hat aber schon in der bisherigen Art viele — vor allem ausländische — Investoren abgeschreckt, Österreichs Wirtschaft zu beleben.

Den Plänen der Gewerkschaft zeigt, sich bisher die „Presse“ als Organ der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft gegenüber ablehnend: Würde man etwa dem ÖGB bei seinen Überlegungen eines neuen Betriebsverfassungsgesetzes folgen, würde dies „einen Umsturz aller formal bestehenden politischen uhd vor allem sozialpolitischen Ordnungen bedeuten“.

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