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Digital In Arbeit

„Schuldenerlaß ist unerläßlich”

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Robert Zeiner über die Arbeit seiner Organisation, knappere Budgets und den gesellschaftlichen Sinn der Entwicklungszusammenarbeit.

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Robert Zeiner über die Arbeit seiner Organisation, knappere Budgets und den gesellschaftlichen Sinn der Entwicklungszusammenarbeit.

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DIEFURCHE: Entwicklungszusammenarbeit umfaßt ein sehr breites Spektrum, welche Schwerpunkte gibt es bei der Arbeit des OED? Robert Zeiner: Traditionell gilt das Personaleinsatzprogramm als „Kern-Geschäftsfeld”. Die Aktivitäten des OED haben damit begonnen, daß Entwicklungshelfer organisiert und in verschiedenste Länder des Südens entsandt worden sind. Damals noch ohne Schwerpunktsetzungen regionaler Natur oder bei Fachbereichen. Das ist nach wie vor unser Kernbereich, die Auswahl, Vorbereitung und Regleitung und auch die Rückgliederung von qualifizierten Fachkräften, die bereit sind, in Programmen und Projekten in der Dritten Welt mitzuarbeiten. Seit einigen Jahren ist dieser Kernbereich erweitert um den an sich statuarisch auch schon immer vorgesehen gewesenen Rereich der Programm- und Projektfinanzierung. Wir verstehen den Personaleinsatz als eine Maßnahme im Rahmen einer Kooperation. Früher haben wir uns fast ausschließlich auf diese eine Maßnahme spezialisiert. Entwicklungszusammenarbeit ist aber ein komplexeres Gebilde, und so versuchen wir jetzt, ein größeres Maßnahmenpaket zu ermöglichen. Eine weitere wesentlich Aufgabe, die wir für uns sehen, ist, Erfahrungen von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und auch Erfahrungen aus Programmen und Projekten hier in Österreich öffentlich zu machen, also Bewußtseinsbildung zu betreiben und Anwalt zu sein für unsere Partnerinnen und Partner vor Ort.

DIEFURCHE: Sie haben acht Schwerpunktländer - Kenia, Uganda, Simbabwe, Brasilien, Ecuador, El Salvador, Nicaragua und Papua Neuguinea. Nach welchen Kriterien werden diese Länder ausgewählt? ZEINER: Wir haben bestimmte Kriterien definiert, nach denen wir vorgehen. Es muß ein bestimmter politischer Bahmen gegeben sein, der ermöglicht, daß unserem Personaleinsatz eine ausreichende Sicherheit gegeben ist. In der Praxis haben auch konkrete Zusammenarbeitserfahrungen eine Bolle gespielt. Das erste OED-Schwerpunktland, damals noch nicht so bezeichnet, war sicher Papua Neuguinea - und das aufgrund einer sehr großen Ansammlung von Mitarbeiterinnen vor Ort. Die Einsätze dort haben 1963 begonnen, es gab eine sehr intensive Zusammenarbeit mit verschiedensten kirchlichen Einrichtungen. Man hat dann versucht, eine Struktur zur Koordination der verschiedenen Aktivitäten in Papa Neuguinea zu schaffen und 1976 ein Koordinator-Büro vor Ort eingerichtet. Die Erfahrung war eine sehr positive, und es hat dann in den beginnenden achtziger Jahren ein Konzentrationsprozeß in anderen Erdteilen eingesetzt. Für die Entscheidung für Nicaragua beispielweise war die Situation eines erfolgreichen Befreiungskampfes ausschlaggebend, und dann das Bestreben, am Wiederaufbau des Landes mitzuarbeiten. Es wurde eine Fact-Finding-Mission durchgeführt, Mitarbeiter des OED sind damals nach Nicaragua gefahren und haben das Terrain erkundet. Aufgrunddes-sen, daß dort sehr großer Bedarf vorgefunden wurde und daß die Institutionen an einer Zusammenarbeit sehr interessiert waren, fiel dann die Entscheidung. Ähnlich verhielt es sich im Falle Ugandas und auch Simbabwes.

DIEFURCHE: Im ÖED-Jahresbericht 1995 beklagen Sie; daß es im Zuge allgemeiner Sparmaßnahmen gegenüber 1994 eine Reduktion der Mittel gibt Werden Sie im Jahresbericht 1996eine weitere Vzrschlechterung derfinanziellen Rahmenbedingungen konstatieren müssen1

ZEINER: Das muß man differenziert sehen. Für den Bereich des Personal-einsatzprogrammes ist 1996 erstmals eine Beduktion der staatlichen Fördermittel zu verzeichnen. Das heißt, daß es eine spürbare Verringerung der finanzierbaren Einsatzmonate gibt: 1.140 Monate des Jahres 1996 statt 1.247 Einsatzmonate 1995. Im Bereich der Programm- und Projektfinanzierung ist die Situation eine andere, da haben wir eine leichte Erweiterung erreichen können. Unter anderem auch durch die Möglichkeiten, die sich durch Inanspruchnahme von EU-Mitteln ergeben.

DIEFURCHE: Durch den EU-Beitritt haben sich für Ihre Einrichtung auch neue Möglichkeiten in puncto vernetz-ter Zusammenarbeit mit anderen Organisationen ergeben; andererseits wird von Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit oft beklagt, daß gerade durch den Prozeß der europäischen Integration der außereuropäische Bereich zunehmend aus dem Blickfeld gerät

ZEINER: In der direkten Zusammenarbeit mit den Einrichtungen in der EU habe ich nicht diese negative Erfahrung gemacht. Was mir wichtig scheint, ist diese Möglichkeit der Zusammenarbeit im entwicklungspolitischen Bereich der EU. Da gibt es für den Bereich der NGOs (Nichtregierungsorganisationen, Anm.) eine interessante Sache, das ist die Kofinanzierungsmöglichkeit. Für 1997 läuft gerade die Diskussion über die Ausstattung der Budgetlinien in der EU. Und da ist seitens des EU-Rats eine

Reduktion der Mittel für diesen Kofinanzierungsbereich vorgesehen, was ich für sehr bedenklich halte angesichts der Tatsache, daß neue Organisationen durch die neuen Mitgliedsländer dazugekommen sind. Das heißt also: für mehr Organisationen weniger Geld; und das bei gleichzeitiger Abschaffung von einer Reihe kleinerer Rudgetlinien, die für NGO-Zusammenarbeit gedacht gewesen wären. Reispielsweise gab es eine Rudgetlinie Vietnam oder spezifische andere kleinere Rudgetlinien, die alle in die ohnedies schon reduzierte Kofi-nanzierungs-Budgetlinie hineingenommen werden sollen. Auf der anderen Seite aber gibt es eine Verdoppelung des Ansatzes für die mediterranen Länder. Das Parlament muß darüber aber noch abstimmen, und der Vorschlag des Parlaments ist ein anderer, sodaß wir hoffen, daß dieser Vorschlag letztlich zum Tragen kommt.

DIEFURCHE: Es gibt einen Gesetzesentwurf zum Schuldenerlaß für die ärmsten Länder. In Zeiten von Sparpaketen ist so etwas nicht sehr populär ... ZEINER: Ich halte den Schuldenerlaß für unerläßlich, wenn man die Rah-menbedingungen für Entwicklung entscheidend verbessern möchte. Denn die größten Möglichkeiten, die Situation in den entsprechenden Ländern tatsächlich zu verbessern, liegen im makro-ökonomischen Bereich, also in einer Änderung der gesamtwirtschaftlichen Bedingungen.

DIEFURCHE: Der X Dezember ist der „Tag der Entwicklungshelferinnen”. Wasfür einen Sinn haben solche UNO-Tage Ihrer Meinung nach? ZEINER: Ich bilde mir überhaupt nicht ein, daß durch so einen Tag sich die Situation schlagartig verändern kann. Ich glaube, es ist eine Gelegenheit auf das Anliegen aufmerksam zu machen, und als solches finde ich es schon positiv. Die normale Arbeit ist eine relativ unspektakuläre, es sind nicht lauter Heldinnen und Helden bei uns tätig, und es ist manchmal ganz gut, wenn es einen Anlaß gibt, zu dem man sich als Organisation, die eher in einem Randbereich tätig ist, auch zu Wort melden kann. Wir bemühen uns, auf die Anliegen der Entwicklungszusammenarbeit allgemein aber auch auf den Stellenwert der personellen Entwicklungszusammenarbeit aufmerksam zu machen. Es geht ja auch darum, ein Ambiente zu schaffen, das mehr Solidarität global ermöglicht, das mehr Rasis schafft für gerechteres Zusammenleben auf unserer Welt. Am besten aber lassen sich solche Veränderungen herbeiführen, wenn es eine persönliche, auf mensch -licher Ebene existierende Reziehung gibt. Da haben diese Personaleinsätze einen ganz wichtigen Nebeneffekt, nämlich den des Herstellens von menschlicher Retroffenheit und Reziehung. Das ist ganz wichtig für eine Gesellschaft, und das ist daher ein ganz wichtiges Argument für unsere Form des Personaleinsatzes.

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