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Schwarzes Gold - noch schwärzer

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Die Kohle, seit der Erfindung der Dampfmaschine der leistungsfähigste Kraftstoff, fixierte ehedem weitgehend das Tempo des technischen Fortschritts und sicherte den Gewinnungsbereichen der Kohle besondere wirtschaftliche Privilegien, die sich schließlich in einem relativ hohen Lebensstandard der Bewohner der Kohlenregionen niederschlugen. In den ersten Etappen der industriellen Revolution erwies sich die Menge der geförderten Kohle als ein bestimmendes Steuerungselement für die Intensität der wirtschaftlichen Entwicklung.

Die zweite industrielle Revolution, unter anderem eingeleitet durch die Automation und die greifbare Aussicht einer Aktivierung der Chance, Atomenergie zivil zu verwerten, zeigt, daß die Vorherrschaft der Kohle nicht in der Natur ihrer stofflichen Beschaffenheit begründet war, sondern vor allem in der Priorität ihrer Gewinnung und der damit zusammenhängenden Monopolposition als durch eineinhalb Jahrhunderte bedeutendster Energieträger. In jenem Ausmaß, in dem die bisherigen Außenseiter in der Energieversorgung, wie Heizöl, an Boden gewinnen, büßen nun die klassischen Kohlengewinnungsländer einen Teil ihres wirtschaftlichen Vorsprunges ein. Die Kohle verliert jedenfalls als der primäre Energieträger an Bedeutung. Diese Tatsache ist drastisch in der Größe der Kohlenhalden ausgewiesen. Die kaum reduzierbaren Lagerreste bei Kohle sind allenthalben Gegenstand ernster Auseinandersetzungen, die auch in den Raum der Politik und der sozialen Diskussion übergreifen. Das gilt nicht allein für Österreich, sondern in einem ungleich größeren Maß für die typischen Kohlenförderungsländer.

Die Lager wachsen

Unser Land hat 1960 insgesamt 6,1 Millionen Tonnen Kohle (3,12 Millionen Tonnen umgerechnet auf Steinkohlenbasis) gefördert: ln’ der ersten Hälfte 1961 waren es 2,9 Millionen, wobei von der angeführten Förderungsmenge nur etwa zwei Prozent auf die Steinkohle entfallen. Anderseits lagern aber mit Ende Juni 1961

571.0 Tonnen im Bereich der Förderstätten und nicht weniger als eine Million Tonnen bei den kalorischen Kraftwerken. Das bedeutet, daß etwa 25 Prozent einer Jahresförderung auf Lager liegen, eine Zahl, die auch dann beachtlich ist, wenn sie zu einem Zeitpunkt ermittelt wurde, zu dem der Verbrauch an Hausbrand noch so gut wie keine Rolle spielt, während anderseits die Lager auf Grund der Eigenart der Automatik der Kohlengewinnung weiterhin aufgefüllt werden. Die Bestände an Kohle, die bei den Kohlenbergwerken lagern, sind zum genannten Vergleichsstichtag um dreißig Prozent höher als im Juni 1960, womit ausgewiesen ist, daß die Absatzkrise bei Kohle, schon im Vorjahr merkbar, eine Verschärfung erfahren hat. Die angeführten absoluten Mengen zeigen aber wieder, daß das Problem der Kohle in Österreich zwar nicht zu den erstrangigen Fragen der Wirtschaftspolitik gehört, was aber kein Grund für eine Vernachlässigung der mit der Kohlenkrise zusammenhängenden Fragen sein dürfte, die ja nicht nur wirtschaftliche, sondern auch menschlich-soziale Fragen sind.

1 Vgl. die instruktive Meinungsbefragung in der Septembernummer von „Arbeit und Wirtschaft“ von Adolf Findeis.

Eine ähnliche, wenn auch markantere Entwicklung zeigt sich in der Bundesrepublik Deutschland. War in Westdeutschland die Kohle im Jahre 1951 noch mit 90 Prozent am Gesamtverbrauch an Primärenergie beteiligt gewesen, betrug die entsprechende Zahl 1960 nur noch 74 Prozent. Freilich darf der relative Rückgang nicht mit dem absoluten gleichgesetzt werden, der zwischen 1956 und 1960 lediglich elf Prozent ausmacht.

In Österreich ist die Kohle mit einem Anteil von 41,7 Prozent am Energieverbrauch von den anderen Energieträgern bereits überflügelt worden, wenn die Kohle auch, einzeln gesehen, noch immer der stärkste Energieträger vor Wasserkraft (Anteil: 31,4 Prozent) ist. Als Folge seiner für die Energieverwertung verwertbaren Naturkräfte ist Österreich daher eher in der Lage, die Absatzkrise der Kohle einigermaßen zu bereinigen, da die Kohle im Rahmen der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung nicht so-

sehr verdrängt wurde, sondern andere Energieträger sie überflügelten.

Wirtschaftliche Folgen

Die Folgen des relativen Anwachsens der Kohlenhalden in allen Ländern, die Kohle fördern, sind beachtlich, aber, soweit es die möglichen persönlichen folgen betrifft, nicht von jetj r 4Įqę(e,,-,yiue ,4a einer . Zeit der Massenarbeitslosigkeit, in der arbeitslos gewordene Bergarbeiter das Heer der Arbeitslosen vermehrten und nicht wie jetzt auf andere Betriebe transferiert werden können.

• Bergwerke müssen stillgelegt werden. Bei der Liquidation der Förderung entstehen nun Schäden ganz besonderen Ausmaßes, da die zum Zweck der Rationalisierung der Förderung gemachten Investitionen meist nicht verwertet werden können, sondern überwiegend verlorengehen. Anderseits ist aber oft die Stillegung die einzige, wenn auch letzte Chance, unvertretbare Verluste zu vermeiden, ist doch eine Anpassung der Förderungsmenge an einen (zumindest auf lange Sicht) verringerten Bedarf kaum durchführbar, wie dies etwa noch in der erheblich beweglicheren Weiterverarbeitung möglich ist. Bergwerke sind, was ihre LInbeweglichkeit, die Schwierigkeit der Anpassung an die gegebene Marktsituation anlangt, den vollautomatisierten Betrieben vergleichbar, die Kapazitäten überhaupt nicht oder nur zur Gänze abbauen können.

• Die lagernde Kohle verliert an Wert wie eine modische Ware. Der Wertabbau ist aber nicht die Folge einer wirtschaftlichen Meinungsänderung, sondern der Verringerung des Heizwertes, die mit der Lagerdauer konform geht.

• Die Stammbelegschaft muß entweder behalten und oft unproduktiv eingesetzt werden (wenn nicht, wie in Fohnsdorf, noch eine Art innerbetrieblicher Personalausgleich möglich ist) oder man muß — wenn sie einmal gekündigt ist — heute auf sie überhaupt verzichten, was aber die Unmöglichkeit bedeutet, den Betrieb je wieder in vollem Umfang aufzunehmen.

Soziale Folgen

Neben den wirtschaftlichen Erwägungen gibt es noch eminente soziale, die gerade bei der Stillegung von Fohnsdorf eine Rolle spielen.

Von den derzeit etwa 16.000 im Kohlenbergbau Österreichs Beschäftigten sind die meisten beruflich nicht so mobil wie die Dienstnehmer anderer Branchen, da die Bergarbeiter neben den spezifischen Berufskenntnissen vielfach Werkswohnungen und Eigenheime zur Verfügung haben, ein Umstand, der es für sie schwer macht, weit außerhalb ihres bisherigen Wohnortes gelegene Arbeitsgelegenheiten in Anspruch zu nehmen. Der Bergbau ist darüber hinaus jene Erzeugungsform. die wohl auf die älteste Tradition, auf ein Jahrhunderte altes Arbeitsbrauchtum hinweisen kann und ebenso auf soziale Einrichtungen, die ein respektables Alter haben, so daß das Ausscheiden des Bergarbeiters aus dem Berufsmilieu den Charakter einer schmerzlichen Trennung annehmen kann.

Dazu kommt, daß der Bergbau fast stets mit massenweiser Beschäftigung verbunden ist und indirekt ganze Regionen durch die Nachfrage der im Bergbau Beschäftigten wirtschaftlich bestimmt. Ein Absiedeln der Bergarbeiter könnte daher zu beachtlichen wirtschaftlichen Sekundärwirkungen in manchen Siedlungen führen, weil nun die Massennachfrage der Bergarbeiter fehlt, so daß, lokal begrenzt, unterentwickelte Zonen entstehen.

Die Ursachen

Die Ursachen des Entstehens der sogenännteüi „Köhlenkrise“ Sind verschiedenartig.

® Die entscheidende Ursache ist die Substitutionskonkurrenz, die Konkur- renzierung der Kohle durch verschiedene „Ersatzgüter“ — wie elektrischer Strom, Heizöl und Erdgas.

In der Deutschen Bundesrepublik hat das Heizöl allein fünf Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten zu ersetzen vermocht, wozu noch kommt, daß bei Heizöl die ölgewinnenden Unternehmungen oft zu Preisen anbieten, in denen zum Beispiel keine ausreichende Vergütung der Transportkosten enthalten ist, was auf die gigantische Konkurrenz unter den Erzeugern zurückzuführen ist, die wieder gemeinsam die Kohle zu verdrängen suchen. Man bedenke, was es bedeutet, wenn heute Rußland allein 150 Millionen Tonnen Erdöl gewinnt und zu einem großen Teil auf den Markt wirft. In der Deutschen Bundesrepublik verbrauchte man zum Beispiel 1957 14,7 Millionen Tonnen Erdöl. Im Jahre 1963 soll die entsprechende Zahl bereits 32 Millionen betragen. Zwischen 1958 und 1959

stiegen jedenfalls in Westdeutschland der Erdölverbrauch um 33,8 Prozent und der von Erdgas um 52,8 Prozent. Für Österreich ist zwischen 1957 und 1960 bei Kohle ein Absatzrückgang von zirka 12 Prozent zu verzeichnen gewesen, bei elektrischem Strom eine

Umsatzsteigerung von 30 Prozent, bei Heizöl von 47 Prozent und bei Erdgas von 140 Prozent.

Weniger Substitutionsbedeutung als Erdgas und Erdöl haben die Sekundärenergieträger Gas und Kraftstrom, da sie zu einem großen Teil wieder aus der Kohle gewonnen werden.

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