Shopping auf der grünen Wiese

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Dasselbe Stadtbild, ob man nach Wien oder Linz, nach München oder Tours, nach Meran oder Leibnitz kommt: Einkaufszentren (EZ) zieren die Stadtränder. Diese Uniformierung Europas hat mittlerweile auch die Bezirksstädte erreicht: Schmucklose, großflächige, zweckorientierte Quader ohne Dächer (fensterlose Bunker oder in die Landschaft gestellte Vitrinen), Inschriften in leuchtenden Farben und viel Parkraum rundherum. Alles Schema F.

Zugegeben: praktisch ist diese Form des Handels schon. Alles ist auf Effizienz ausgerichtet. Der Grund ist billiger als in den teuren Stadtzentren, die Zulieferung der Waren behindern weder verparkte Ladebereiche, noch Zufahrtsbeschränkungen in Fußgeherzonen, noch enge Innenstadtstraßen. Und für die anreisenden Kunden stehen (meist) ausreichend viele Parkplätze zur Verfügung - und das auch noch gratis. Und vor allem aber: Unter einem Dach ist fast alles zu haben, was das Herz begehrt. Shopping-Vergnügen unabhängig vom Wetter. Daher auch das explosionsartige Wachstum der EZ auf "der grünen Wiese".

Auf diesem Sektor ist Österreich übrigens Spitze: Mit ihrer Fläche von 230.000 Quadratmetern ist die "Shopping City Süd" (SCS) mit Abstand das größte Einkaufszentrum Europas: 2,8 Kilometer Auslagenfront im Haupthaus, 320 Unternehmen, die Waren und unterschiedlichste Dienstleistungen anbieten, 25 Millionen Besucher im Jahr 1998, über 4.000 Beschäftigte. Und wer den Süden Wiens kennt, weiß, dass rund um die SCS weitere Einkaufswelten entstanden sind und entstehen: XXXLutz, Megasport, Beate Uhse, Interio...

Und ähnlich ist es im Norden und im Osten der Stadt, im Stadtgebiet selbst und in den Randgemeinden.

So erfreulich diese Expansion für die Budgetverantwortlichen der betroffenen Gemeinden auch sein mag, so hat diese Entwicklung doch eine Reihe von Nebenwirkungen, die bedenklich stimmen. Da ist zunächst die Tatsache, dass in vielen Bereichen des Handels die Umsätze über die Jahre hinweg etwa gleich bleiben. Das bedeutet: Die Expansion der EZ geht auf Kosten der Umsätze des traditionellen Handels (Seite 14). Viele kleine Geschäfte in den Ortszentren sperren zu. Mittlerweile müssen 320 österreichische Gemeinden ohne Nahversorger im Ort auskommen. 270.000 Personen können laut einer neuen Studie von "RegioPlan" nur außerhalb der eigenen Gemeinde einkaufen.

Was in den USA gang und gäbe ist, wird somit nun auch in Europa zur Norm: Kein Einkauf ohne Auto. Diese Verkehr erregende Form des Handels wird dadurch begünstigt, dass die Fahrtkosten nicht im Einkaufsbudget aufscheinen und das Autofahren außerdem zu billig ist - trotz aller gegenteiligen Beteuerungen. Staukosten, externe Unfall- und Umweltkosten werden über die Treibstoffabgaben nicht abgegolten. Pro Besuch im EZ am Stadtrand schätzt sie der "Verkehrsclub Österreich" auf zehn Schilling.

Wieviel Verkehr durch die Stadtrand-EZ ausgelöst wird, versuchte eine Schweizer Studie abzuschätzen. Ihr Ergebnis: Pro Parkplatz ist mit etwa 34.000 Kilometern pro Jahr zu rechnen. Wieviel das ist, zeigt der Vergleich mit dem von einem Büroparkplatz ausgelösten Verkehr von "nur" 8.500 Jahreskilometern. Im Falle der SCS müsse man allerdings einen niedrigeren Wert wegen des dicht besiedelten Umfeldes einsetzen, meint dazu Peter Fischer, Forschungsassistent an der TU-Wien.

EZ auf der "grünen Wiese" tragen also erheblich zum Autoverkehr bei. Ihre gute Anbindung an öffentlichen Verkehrsmitteln wäre daher sehr wichtig. Eine weitere Stoßrichtung der Bemühungen, das Einkaufen weniger kilometerintensiv zu gestalten, ist die Belebung der Ortszentren. Untersuchungen über den Autofahrer-Anteil der Kunden zeigen nämlich Folgendes: In der SCS liegt er bei 83, im Zentrum Donaustadt bei 57, in der Wiener Mariahilferstraße aber nur bei 25 Prozent. Wer in der Stadt einkauft, verwendet also seltener das Auto und wenn er es benützt, fährt er kürzere Strecken.

Mittlerweile gibt es viele Bemühungen, Ortszentren für den Einkauf attraktiver zu machen. In Niederösterreich etwa versucht man, Investitionen und Initiativen zu fördern, die das Geschäftsleben in den Orten animieren. Weiters werden Werbemaßnahmen für Geschäfte und Veranstaltungen, die Leute in die Zentren locken, ebenso unterstützt wie die Schaffung von EZ in den Orten.

Ob man dabei sehr erfolgreich ist? "Es ist mühsam," meint Johanna Müller von der Niederösterreichischen Raumordnung. Wichtig sei vor allem die Schaffung einer Achse von Wirtschaft und Gemeinden. Derzeit laufe eine Initiative, eine zentrale Informationsstelle über leerstehende Geschäftslokale und deren Ausbaumöglichkeiten einzurichten.

Vielfach bemühen sich Gemeinden, die Ansiedlung von EZ an ihrem Ortsrand zu verhindern, geraten dann aber unter Druck, wenn Nachbargemeinden daraus Profit schlagen und sich als Standort anbieten. Typisch dafür Tulln. Dort sorgten zunächst neue Betriebe für eine Belebung der Innenstadt. Gezielte Maßnahmen trugen dazu bei, das Stadtzentrum für den Fußgeher und Radverkehr attraktiver zu machen. Innerhalb von 25 Jahren stieg die Zahl der Handelsangstellten in Tulln von 500 auf 1.200. Nun erscheint diese positive Bilanz jedoch gefährdet, weil die Nachbargemeinde Langenrohr den Bau eines großen Einkaufszentrums zuließ.

Die Bewilligung eines EZ hat eben überregionale Folgen. Daher wäre die Raumordnung gefordert, die Entwicklung in geordnete Bahnen zu lenken. "Sie ist ein zahnloses Instrument," meint jedoch Leonhard Höfler von der Abteilung Verkehrskoordinierung der Oberösterreichischen Landesregierung. Die Raumordner stünden zwar grundsätzlich auf der Bremse bei der Bewilligung neuer Märkte, aber letztlich setzten sich die Gemeinden durch. Ihnen gehe es um Arbeitsplätze im Ort, um Steuereinnahmen und ums Image. "Anzustreben wäre ein interkommunaler Finanzausgleich", damit das Wettrennen um Ansiedlungen aufhöre, erklärt Höfler. Die Gemeinden sollten ihre finanziellen, infrastrukturellen und umweltbedingten Vor- und Nachteile fair ausgleichen.

Das ist jedoch ein kaum lösbares Problem in einer Zeit, in der kurzfristige, finanzielle Erfolge den Ausschlag für alle Entscheidungen geben.

Zum Dossier Die Stadtzentren verlieren teilweise ihre Funktion, Stätten des Handels zu sein. Geschäftsstraßen veröden, das Greißlersterben grassiert. Die vollmotorisierte Konsumgesellschaft verlagert ihre Einkäufe in Shoppingzentren an den Stadträndern. Es entstehen Erlebniswelten, die versuchen, Shopping zur Lieblingsbeschäftigung für Jung und Alt zu machen. Analyse eines Trends.

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