"Sie sollten aus der Eurozone austreten"

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Der AfD-Abgeordnete zum EU-Parlament Joachim Starbatty rät Griechenland zu sehr drastischen Maßnahmen.

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Der AfD-Abgeordnete zum EU-Parlament Joachim Starbatty rät Griechenland zu sehr drastischen Maßnahmen.

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Joachim Starbatty ist emerit. Professor für Volkswirtschaftslehre der Universität Tübingen. Mit seinen Klagen gegen den Euro vor dem Bundesverfassungsgericht erlangte er Aufmerksamkeit. Starbatty ist seit 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments für die Alternative für Deutschland AfD.

Die Furche: Javier Solana sagt, staatliche Souveränität sei schon lange nicht mehr aktuell. Alle säßen, gerade was den Euro betrifft in einem Boot und deshalb sei finanzielle Solidarität das Gebot der Stunde, es gäbe weder Gläubiger noch Schuldner. Joachim Starbatty: Diese Annahme ist nicht richtig. Die griechische Regierung selbst will doch ihre Souveränität zurück um ihre Wahlversprechen halten zu können. Das wird aber von der Euro-Gruppe zurückgewiesen. Also hier haben wir sehr wohl eine Situation "Schuldner und Gläubiger".

Die Furche: Aber sitzen im Fall Griechenlands nicht auch die Gläubiger in einem Boot durch die Kredite, die sie im Fall einer Pleite abschreiben müssten?

Starbatty: Griechenland ist schon seit fünf Jahren bankrott weil es an den Märkten nicht zu normalen Zinsen Geld bekommt und seine Verpflichtungen nicht erfüllen kann. Das Geld, das an Griechenland gegeben wurde, ist ja in Wirklichkeit an die Gläubiger-Banken weitergeflossen. Griechenland muss dafür jetzt gerade stehen. Nun wollen die Griechen dafür einen Schuldenschnitt. Und ich verstehe das auch. Aber diesen Schuldenschnitt muss es außerhalb der Währungsunion geben. Die Furche: Warum außerhalb der Eurozone?

Starbatty: Wenn sie in der Währungszone bleiben, werden sie alle fünf Jahre einen Schuldenschnitt machen wollen. Und was der Solana da vorschlägt, ist eine Haftungsgemeinschaft.

Die Furche: Hätte das Programm der Troika Erfolg gehabt, wenn es denn fortgesetzt worden wäre?

Starbatty: Ich halte das Programm der Troika für falsch. Das haben wir doch gelernt: In eine Rezession hinein zu sparen und Ausgaben zu kürzen, ist eine prozyklische Politik, damit nimmt man Kaufkraft aus dem Wirtschaftskreislauf herausgenommen wird. Wenn das passiert, dann heißt das weniger Arbeit, weniger Jobs mehr Defizit.

Die Furche: Was würden Sie tun, wären Sie griechischer Finanzminister?

Starbatty: Ich würde sofort aus der Währungsunion austreten.

Die Furche: Auch unter dem Risiko, dass es dann sofort gegen eine massive Spekulation gegen die neue Währung kommt?

Starbatty: Das ist nur vorübergehend. Was passiert bei einer solchen spekulation. Die Drachme würde abgewertet. Damit wird Griechenland nur konkurrenzfähiger. Die ganze Welt würde in Griechenland Urlaub machen wollen. Es gibt durchaus die Möglichkeit eines Overshooting. Solche Abwertungen hat es zuletzt 2000 auch in Indonesien und Thailand gegeben. Aber heute sind diese Währungen wieder stabil und angesehen.

Die Furche: Die Länder der Eurozone würden diesen letzten Obulus, diesen Schuldenschnitt aber auch bezahlen müssen.

Starbatty: Der Schuldenschnitt macht nur offenkundig, was bereits geschehen ist. Das Geld ist nicht mehr da, und anzunehmen, dass Griechenland bei weiterhin bestehender Wettbewerbsunfähigkeit jemals auch nur einen Euro zurückzahlt, diesen Gedanken kann man sich abschminken. Das betrifft aber nur die Währungsunion. Und ich muss hinzufügen, ich liebe Griechenland, allein schon wegen seiner Kultur und sehe es selbstverständlich als Teil der Europäischen Union.

Die Furche: Eine Ansteckungsgefahr sehen sie da nicht? Dass als nächstes Spanien aus der Eurozone gehen müsste?

Starbatty: Portugal wäre das nächste Land das gehen müsste. Es wäre aber vorteilhaft für die Eurozone, wenn sie sich zunächst auf die Staaten konzentrierte, die einen stabilen Euro aushalten können. Wenn wir den Euro als Kern behalten, können jene Länder, die ausscheiden, später zurückkommen, wenn sie sich erholt haben.

Die Furche: Die Fiskalunion ist kein gangbarer Weg?

Starbatty: Fiskalunion heißt Haftungsunion und hat in der Welt noch nie funktioniert.

Die Furche: In Österreich funktioniert das aber gerade mit Kärnten ganz gut.

Starbatty: Oh, Sie meinen die Hypo Alpe (lacht). Aber im Ernst, was Sie ansprechen, wäre ein Europa mit einer bundesstaatlichen Struktur. Und das ist nicht gewollt. Die nationalen Parlamente würden niemals ein Diktat aus Brüssel akzeptieren.

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