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Digital In Arbeit

Sieg einer ,,verrückten Idee"?

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Meinungsfreiheit und Medienvielfalt sind in Österreich in .Gefahr. Zuviel Macht ist in wenigen Händen", heißt es im Entwurf zum geplanten Volksbegehren „SOS-Medienfreiheit". Der gleichnamige Verein unter Leitung von Franz C. Bauer, dem Vorsitzenden der österreichischen Journalistengewerkschaft, will mit dem Volksbegehren den Grundstein für eine „neue Medienstruktur" in Österreich legen, die „ Meinungsfreiheit gewährleistet und dadurch Demokratie sichert". Denn: „Konzentrationsprozesse gefährden Vielfalt und Arbeitsplätze", wie es in dem Papier heißt. Folgende fünf Forderungen sind in dem Entwurf angeführt:

■ Bestehende Kartelle sollen entflochten werden. Bis dahin sollen die „marktbeherrschenden Medienunternehmen" - gegen Bezahlung ihre F. C. Bauer Strukturen, wie etwa Druck oder Vertrieb, ihren Mitbewerbern öffnen.

■ Zusammenschlüsse und Beteiligun -gen auf dem Mediensektor sollen kartellrechtlich eingeschränkt werden.

■ Der ORF soll vor „Ausverkauf und Parteienzugriff" geschützt werden.

■ Der M arkt soll für Privatradios, Pri -vatfernsehen und Kabelmedien geöffnet werden - mit entsprechenden arbeits- und sozialrechtlichen Garantien.

■ Ein Bundes-Medieninstitut soll eingerichtet werden, das jene Maßnahmen koordinieren und der Öffentlichkeit zugänglich machen soll.

Für Hans üichand ist das geplante Volksbegehren „eine verrückte Idee der Journalistengewerkschaft". Auf sage und schreibe zweieinhalb Seiten führte der Zeitungszar in seiner „Neuen Kronen Zeitung" aus, daß die Konzentration im Medienbereich die Chance sei, angeschlagene Zeitungen und Zeitschriften aus der Krise zu führen. „Konzentrationen im Medienbereich sind nicht anzustreben, wohl aber wirtschaftlich notwendig. Denn nur wirtschaftlicher Erfolg macht die Medien politisch unabhängig und garantiert auf Dauer die für eine lebendige Demokratie notwendige Meinungsvielfalt", argumentiert Dichand und verweist auf die USA, wo auf diese Weise „überraschende Synergie-;n/wiiiiscn,uTs«ociiE Effekte" erzielt worden seien. In Osterreich hätte die Zerschlagung der Me-diaprint und anderer Kartelle ein neues Zeitungssterben zur Folge. „Oder würde dann die Journalistengewerkschaft die Defizite von ,profil' „trend' und anderen bezahlen?", fragt Dichand.

„Dichands zweieinhalbseitige Stellungnahme schlägt in die selbe Kerbe wie wir. Da steht alles drinnen", witzeit Volksbegehren-Initiator Franz C. Bauer. Wenn Dichand von „Effizienz" spreche, so bedeute dies im Klartext Rationalisierungen, meint der Gewerkschaftler. Wenn Dichand von „Synergie" spreche, so bedeute dies einen Verlust an Vielfalt. Das Beispiel USA, das Dichand anführt, ist für Bauer alles andere als vorbildlich: So fänden sich aufgrund der dortigen Konzentration und Zusammenarbeit in den meisten Zeitungen quer durch das ganze Land oft die selben Berichte.

Während Dichand Argumente in die Waagschale wirft, kommen von seinem deutschen Partner andere Töne: „Wenn die erreichen sollten, was sie wollen, wäre das eine eiskalte Enteignung", wurde Günther Grot-kamp, einer der beiden WAZ-Ge-schäftsführer im deutschen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel" zitiert. „Das kann sich das auf Kapitalimport angewiesene Österreich nicht leisten ", sagt er. Ob dies als Tatsachenfeststellung oder als Drohung zu verstehen ist, ließen Grotkamp und das Magazin offen.

Mit manchen Forderungen steht das S.O.S-Medienvolksbegehren nicht allein: EU-Kommissar Franz Fischler präsentierte bei den Alpbacher Technologiegesprächen Ende August einen Bichtlinienvorschlag der Europäischen Union: Demnach dürfen einzelne Medienunternehmen keine zusätzlichen Radio- und Fernsehsender kaufen, wenn dadurch ihr Marktanteil insgesamt 30 Prozent übersteigt; bei der geschäftlichen Zusammenführung von Printmedien liegt die vorgeschlagene Höchstgrenze bei zehn Prozent. „Für die .Kronen Zeitung' würde ein Erwerb weiterer klassischer Medien wie Radio oder TV unmöglich, weil sie jetzt schon über dem kritischen Marktanteil von zehn Prozent liegt", erläuterte Fischler die Konsequenzen. Der Vorschlag wird ab Herbst in den entsprechenden EU-Gremien diskutiert.

Ob das österreichische Volksbegehren von Erfolg gekrönt sein wird, ist allerdings fraglich: Zwar erachten es laut einer IMAS-Umfrage vom Juni dieses Jahres zwei Drittel der Österreicher als wichtig, daß es viele verschiedene Zeitungen gibt, die unterschiedliche Standpunkte vertreten; zwar sind 20 Prozent der Befragten mit dem bestehenden Medienangebot unzufrieden und somit wohl potentielle Unterzeichner des Volksbegehrens. Trotzdem wird es schwierig, dem durchschnittlichen Österreicher die Tragweite der Anliegen des Vereins „SOS-Medienfreiheit" bewußt zu machen.

Michael Maier, der ehemalige Chefredakteur der Tageszeitung „Die Presse" drückte dies in einem Zeitungskommentar folgendermaßen aus: „Wer von den Bürgern kennt denn wirklich - Hand aufs Herz - den Unterschied zwischen Mediaprint und Mediamarkt?"

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