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So gefährdet man die Zukunft

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Das Sparpaket droht die Familien empfindlich zu treffen - der Katholische Familienverband warnt.

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Das Sparpaket droht die Familien empfindlich zu treffen - der Katholische Familienverband warnt.

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Das Budgetdefizit explodiert. Die Regierung will und muß sparen. Ganz vorne bei den Einsparungsplänen stehen die Familien. Erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik macht man sich an die Kürzung der Familienbeihilfen, will man die mühsam errungene Staffelung der Kinderabsetzbeträ-ge streichen, von den Eltern Geld für Schulbücher und die Fahrt zur Schule einheben und anderes mehr. Wenn die Koalition ihre Pläne .wahrmacht, müssen sich vor allem Allein Verdiener, Eltern mit mehreren Kindern oder Alleinerzieher auf empfindliche Einschränkungen gefaßt machen. .Frei nach dem Motto: Wer Kinder aufzieht, ist selber schuld!

Beamte, Lehrer - sie alle können mit Streik drohen und sich so gegen die Einsparungen, die man im „Sparpaket der Regierung” für sie erdacht hat, wehren. Doch was ist mit den Familien? Sie haben keine Gewerkschaft oder Kammer, die hinter ihnen steht. Der Katholische Familienverband Österreichs mit seinen 300.000 Mitgliedern setzt sich deshalb jetzt zur Wehr. Weil es nicht angeht, daß man die Familien die Mißwirtschaft der Regierung ausbaden läßt, hat der Familienverband vergangene Woche eine österreichweite Unterschriftenaktion gegen die Sparpläne der Regierung gestartet. Mit über zweihunderttausend Exemplaren zur Unterzeichnung werden die Familien in den einzelnen Bundesländern mobilisiert~An-fang März sollen die gesammelten Listen bei einer großen Protestaktion den Regierungsmitgliedern und den Nationalratsabgeordneten übergeben werden.

Worum geht es im Detail? Die Regierung plant, die Altersstaffelung bei der Familienbeihilfe (derzeit 1.400 Schilling für ein Kind unter zehn Jahren, 1.650 Schilling für ältere und 1.950 Schilling für Studenten ab 19 Jahren) abzuschaffen und — so der jüngste Vorschlag - generell

1.500 Schilling auszubezahlen. Sie negiert dabei die Tatsache, daß ältere Kinder nachweislich höhere Kosten verursachen als jüngere.

Gleichzeitig soll der Kinderabsetz-betrag auf mittlerem Niveau vereinheitlicht werden (derzeit ist er nach der Kinderzahl gestaffelt, nämlich 350 Schilling für das erste, 525 Schilling für das zweite und 700 Schilling für das dritte Kind). Die Verwirklichung dieses Vorhabens träfe jene über 150.000 österreichischen Familien, die drei und mehr Kinder haben, in besonderem Maße. Hat man sich doch erst vor wenigen Jahren endlich dazu durchgerungen, gerade diese Bevölkerungsgruppe durch entsprechende Maßnahmen zumindest ansatzweise stärker zu unterstützen. Schon jetzt müssen mehr als 100.000 Familien mit knapp 210.000 Kindern unter der Armutsgrenze leben - darunter vor allem solche, in denen fünf oder mehr Personen von einem Einkommen leben müssen. Will man diese Familien weiter in die Armut treiben? Wenn man die Mehrkinderstaffel jetzt wieder abschafft, macht man die Bemühungen um gesellschaftliche Gerechtigkeit zunichte.

Ungerecht sind solche Sparpläne auch deshalb, weil die Eltern und ihr Nachwuchs nichts dafür können, daß im Familienlastenausgleichsfonds (FLAF), aus dem die Leistungen für die Familien finanziert werden, Ebbe herrscht. Die politisch Verantwortlichen selbst haben den Fonds ausgeräumt. So wurden zum Beispiel die Dienstgeberbeiträge, aus dem der FLAF zu einem großen Teil gespeist wird, von ursprünglich 6,5 Prozent auf 4,5 Prozent (1978 und 1981) gesenkt und die Gebietskörperschaften von der Beitragspflicht entbunden (Selbstträgerschaft).

Zudem hat sich der Finanzminister, wenn er Geld gebraucht hat, immer wieder des Familienfonds bedient. So zum Beispiel für den Mutter-Kind-Paß (500 Millionen Schilling), der eigentlich zum Gesundheitsressort gehört, bei den Schulbüchern, dem Karenzgeld (eine gerechte Aufteilung der Kosten zwischen Arbeitslosenversicherung und FLAF mit 50:50 würde 2,4 Milliarden Schilling Ersparnis bringen) oder bei Pensionsbeiträgen für Karenzurlauber (1,2 Milliarden Schilling).

Schon lange hat die Regierung angekündigt, den Familienlastenausgleichsfonds neu zu strukturieren und artfremde Leistungen auszusondern. Doch bislang ist nichts Derartiges geschehen. Sollen die Eltern jetzt dafür bezahlen?

Sparen will die Koalition auch bei der Schülerfreifahrt, den Schulbüchern und der Fahrtbeihilfe. Bevor die Eltern allerdings einen Selbstbehalt bei der Schülerfreifahrt leisten, müssen die Zahlungen, die die Verkehrsbetriebe pro Schüler erhalten, näher unter die Lupe genommen werden. Es geht nicht an, daß die Österreichischen Bundesbahnen und diverse Verkehrsbetriebe für den Transport eines Schülers im Monat mehr verlangen als für die Erwachsenen-Netzkarte. Nach Berechnungen des Familienverbandes könnten allein durch entsprechende Tarifkürzungen ein halbe Milliarde Schilling aufgebracht werden. Wer hier bei den Eltern spart, der spart am falschen Ort!

Ahnlich die Frage des zehnpro-zentigen Selbstbehaltes bei den Schulbüchern. Durch bessere Koordination unter den Lehrern und durch die Organisation von Schülerladen könnte man hier sicher so manche Ausgabe von vornherein vermeiden. Völlig unverständlich ist auch, daß die SPÖ/ÖVP-Koalition die Familienzuschläge beim Arbeitslosengeld streichen will. Ist es den

Verantwortlichen entgangen, daß Familien, in denen der Alleinverdiener plötzlich seinen Job verliert, am stärksten von Armut bedroht sind?

Schließlich soll nach dem Willen der Regierungsverantwortlichen auch das erhöhte Karenzgeld abgeschafft werden. Zwar ist es grundsätzlich positiv, daß damit die Diskriminierung verheirateter Paare (Ehepartner bekommen das erhöhte Karenzgeld nur bei nachgewiesener Bedürftigkeit, bei Alleinerziehern ist dies nicht der Fall) ein Ende hat. Allerdings müßte ein erhöhtes Karenzgeld oder ein entsprechender Zuschlag zum normalen Karenzgeld in begründeten und besonders belastenden Situationen gewährt werden. Das bedeutet: Man muß die Anspruchsvoraussetzungen präzisieren und kontrollieren.

Für den katholischen Familienverband ist es untragbar, daß jetzt gerade bei den Familien, die ja von anderen Kürzungen ebenso mitbetroffen sind - auch Beamte, Lehrer und Bauern sind Mütter und Väter -gesondert gespart werden soll. Schon jetzt decken Familienbeihilfen und Kinderabsetzbeträge nicht einmal das Existenzminimum für die Kinder ab - ein Mindestmaß an verfügbarem Einkommen, das zwar jedem Rentner, nicht jedoch den Familien in unserem Land zugestanden wird.

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