6600891-1953_38_03.jpg
Digital In Arbeit

Sonderbegünstigungen?

Werbung
Werbung
Werbung

Venn die Besteuerung zu drückend wird, dann versuchen die verschiedenen Gruppen ▼on Steuerpflichtigen im Wege ihrer Standesvertretungen gesetzliche Erleichterungen zu erreichen, was ihnen im Verlaufe der letzten Jahre auch vielfach gelungen ist. Es gibt eine beträchtliche Anzahl von Begünstigungen und Steuerbefreiungen, die derzeit das Einkommen- und Lohnsteuerrecht sehr unübersichtlich machen, den Steuerpflichtigen förmlich zwingen, sich eines rechtskundigen Beraters zu bedienen, und die Arbeit der Finanzbehörden durch eine Flut von Rechtsmittelverfahren erschweren und hemmen. Nicht wenige unter diesen Begünstigungen stellen ich bei näherer Besichtigung als „Sonder-

begünstigungen“, das heißt nicht für alle Steuerpflichtigen zugängliche Begünstigungen, dar. Sie verletzen damit den Grundsatz der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetze.

Die steuerliche Begünstigung doppelt verdienender Ehepaare tritt nur unter der Voraussetzung ein, daß die Ehefrau aus einem dem Ehemann fremden Betrieb Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezieht. Diese Begünstigungen stellen sich deshalb als Sonderbegünstigungen“ dar, weil nicht alle Ehefrauen die Möglichkeit zur Aufnahme einer Berufstätigkeit in einem entlohnten Dienstverhältnis haben. Man denke nur an zwei Hindernisse, die, wenn sie auftreten, die betreffende Ehefrau sozial noch bedürftiger und darum steuerlich noch schonungswürdiger machen, als wenn sie einem Doppelverdienst nachgehen könnte. Diese zwei, hier nur als Beispiele angeführten Hindernisse können in einer mangelnden Gesundheit oder in unversorgten Kindern, die zum Haushalt gehören, begründet sein. Diese beiden Hindernisse sind die häufigsten, und insbesondere das letztgenannte macht es erklärlich, daß mitverdienende Ehefrauen vorwiegend in kinderlosen Ehen zu finden sind. Ja es ist nicht selten so, daß die Berufstätigkeit der Ehefrau geradezu das Hindernis für den Kindersegen darstellt.

Ueber das Ausmaß der steuerlichen Begünstigung geben am besten die drei nachfolgenden Beispiele Aufschluß. Zur Vereinfachung der Beispiele sei angenommen, daß sonstige Sonderbegünstigungen nicht hereinspielen und daß unter dem Einkommen jener Betrag zu verstehen ist, der nach Abzug der Sozialversicherung usw. als s t e u e r p f l i c h-tiges Einkommen unmittelbar der Lohnsteuer bzw. Einkommensteuer unterzogen wird.

Fall A:

Ein kinderlos verheirateter Malergehilfe bezieht ein steuerpflichtiges Monats-Nettoeinkommen von 1200 S, also knapp über dem Existenzminimum für zwei Personen. Es trifft auf jede Person seines Haushaltes, vor Abzug der Steuer, je 600 S. Nachdem er damit gerade noch auskommen könnte, wäre es an

und für sich nicht notwendig, daß seine Ehefrau auch noch einem Verdienst nachgeht, Aber weil sie bei guter Gesundheit ist und im Hinblick auf den kleinen Haushalt ge-

nügend Zeit hierfür zur Verfügung hat, sucht sie sich auch eine entlohnte Beschäftigung, die ihr ebenfalls monatlich, vor Abzug der Lohnsteuer, netto 1200 S einbringt.

Lohnsteuer: Er S 81.80 (das sind rund 6,8 Prozent vom Pro-Kopf-Einkommen)

Sie S 81.80 (das sind rund 6.8 Prozent vom Pro-Kopf-Einkommen)

zusammen S 163.60

Fall B:

Ein anderer kinderlos verheirateter Malergehilfe mit dem gleichen Einkommen von monatlich 1200 S. Seine Ehefrau kann nicht mitverdienen, weil ihr dies aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist. Die Arzt-und Medikamentenkosten bezahlt zwar die Krankenkasse, aber um seiner Frau auch sonst auf jede mögliche Weise ihr Leiden zu erleichtern, strebt dieser Malergehilfe ein

höheres Einkommen an, und es gelingt ihm tatsächlich — sei es durch besser entlohnte Spezialarbeiten, sei es durch Akkordarbeiten usw. — sein Monatseinkommen auf einen steuerpflichtigen Betrag von monatlich 2400 S zu erhöhen. Er verfügt somit über das gleiche Einkommen und den gleichen Familienstand, das heißt die gleiche steuerliche Leistungsfähigkeit wie sein Berufskollege A. Es trifft pro Kopf der Familie monatlich 1200 S.

Lohnsteuer: Er S 404.— (Sie zahlt keine Lohnsteuer, weil sie kein eigenes Lohneinkommen hat.)

Es trifft pro Kopf je S 202.— Lohnsteuer, das sind rund 17 Prozent vom Pro-Kopf-Einkommen.

Fall C:

Ein dritter Malergehilfe ist verheiratet und hat drei Kinder. Sein ursprüngliches Einkommen beträgt wie bei den obigen Beispielen monatlich 1200 S, also pro Person seiner fünfköpfigen Familie monatlich je 240 S (um mehr als die Hälfte unter dem Existenzminimum).

Er brauchte dringend einen Mehrverdienst, weil er mit monatlich je 240 S pro Person das Auskommen nicht 'finden kann. Aber seine Ehefrau ist wegen des großen Haushaltes nicht in der Lage, auch noch einer anderen Berufstätigkeit nachzugehen. Er versucht es daher selbst — wie sein Kollege B — durch besser entlohnte Spezialarbeiten usw. sein Monatseinkommen zu erhöhen, und es gelingt ihm auch, ein gleich hohes Monatseinkommen wie die Kollegen A und B, nämlich 2400 S, zu erreichen.

Lohnsteuer: 253.60 S (St.-Gruppe III/3).

Sein Pro-Kopf-Einkommen erreicht damit monatlich je 480 S und die Lohnsteuer je 50.72 S, was einem Steuersatz von rund 10,6 Prozent vom Pro-Kopf-Einkommen entspricht.

Es muß erwähnt werden, daß dieser Steuerpflichtige durch den Bezug von monatlich 315 S Kinderbeihilfe das Pro-Kopf-Einkommen seiner Familienangehörigen auf je 543 S bringt, womit er aber noch weit unter dem Pro-Kopf-Einkommen seiner beiden kinderlosen Kollegen (nämlich je 1200 S) zurückbleibt.

Wenn er aber ein gleich hohes Pro-Kopf-

Einkommen wie seine Kollegen A und B, nämlich pro Kopf der Familie je 1200 S hätte (und erst dann wäre ■ seine steuerliche Leistungsfähigkeit der seiner Kollegen gleichzusetzen), müßte er pro Kopf je 321.71 S Lohnsteuer bezahlen, was einem Steuersatz von rund 26,8 Prozent vom Pro-Kopf-Einkommen entspricht. Aber selbst wenn man — zur Herstellung gleicher steuerlicher Leistungsfähigkeit wie seiner Kollegen A und B — seinen Kindern nur einen durchschnittlichen Verbrauchsanteil von je 71,5 Prozent der Eltern zubilligen würde (nach dem Verbrauchsschema Dr. Pellers), wäre er der am höchsten Besteuerte von den dreien; er müßte nämlich unter der Annahme eines Pro-Kopf-Einkommens von je 1200 S für die Eltern und für die Kinder je 858 S (71,5 Prozent des Elterneinkommens) für die Eltern je 334.56 S, das sind rund 27,9 Prozent und für die Kinder je 239.21 S, das sind rund 27,8 Prozent vom Pro-Kopf-Einkommen Lohnsteuer bezahlen.

Zusammenfassend: Bei gleichen Pro-Kopf-Einkommen oder — anders ausgedrückt — bei gleicher steuerlicher Leistungsfähigkeit beträgt die lohnsteuerliche Belastung (einschließlich Besatzungskosten-usw.-Beitrag):

a) Beim kinderlosen Doppelverdiener rund 7 Prozent,

b) beim kinderlosen Alleinverdiener rund 17 Prozent,

c) beim Alleinverdiener mit drei Kindern 27 Prozent. ✓

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung