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„Sozialer Friede — starke Währung”

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FURCHE: „Herr Präsident, genau 24 Stunden liegen zwischen der Ansprache General de Gaulles und diesem Interview. De Gaulle hat dabei eindeutig erklärt, daß Frankreich den Franc nicht abwerten wird. Ergeben sich aus dieser Tatsache für Österreich irgendwelche Folgen für unsere Währung?”

SCHMITZ: „Zur Beurteilung, welche Auswirkungen die Maßnahmen Frankreichs auf den Schilling haben, die im Zusammenhang mit den Währungskonferenzbeschlüssen in Bonn und den Maßnahmen der britischen Regierung nunmehr auch in Paris getroffen wurden, müssen wir uns vor Augen halten, daß zweierlei Tatsachen für Österreich von Interesse sind: die prinzipielle Einführung der Devisenbewirtschaftung, die Förderung der Exporttätigkeit und Erschwerungen der Importe nach Frankreich.”

FURCHE: für die österreichische Wirtschaft werden also schon Konsequenzen entstehen?”

SCHMITZ: „Wenn wir uns vorstellen, daß diese Maßnahmen nur zwei Prozent des Exports und vier Prozent des Imports betreffen, im Fremdenverkehr die Franzosen nur 2,5 Prozent der Ausländemächtigungen in Österreich ausmachen, dann läßt sich daraus erkennen, daß die Auswirkungen auf die österreichische Wirtschaft, global gesehen, wahrscheinlich nicht sehr groß sein werden.”

FURCHE: „Es ist also aus der französischen Maßnahme für den eben wieder erstarkten österreichischen Fremdenverkehr keine ernste Auswirkung zu erwarten?”

SCHMITZ: „Keine direkte Gefahr; natürlich bringt die Einführung der DevisenbewirtschafLand „dje erhöhte Gefahr, daß auch andere Länder derartigen Schritten Zuflucht ergreifen.”

FURCHE: „…und währungspolitische Maßnahmen und Konsequenzen müssen aus der Lage des Franc in Österreich nicht getroffen werden?”

SCHMITZ: „Weder aus den Beschlüssen in Bonn noch in London noch in Paris ergibt sich für Österreich die Notwendigkeit, währungspolitische Konsequenzen zu ziehen.”

FURCHE: „Ist Österreich an der Sanierung des Franc beteiligt, und hatte es auch an der Sanierung des Pfunds Anteil?”

SCHMITZ: „Angesichts der starken Position des Schillings war Österreich niemals Schuldner des Währungsfonds, sondern immer Gläubiger, so hat Österreich auch an den meisten Stützungsaktionen zugunsten gefährdeter Währungen mitgetan. Bezüglich der Durchführung des Zwei - Milliarden - Dollar - Kredits, der in Bonn den Franzosen angeboten wurde, sind die technischen Einzelheiten noch nicht bekannt.”

FURCHE: „Ergeben sich aus der schlechten Finanzlage Frankreichs für Österreich gegenüber der EWG neue Aspekte, oder halten Sie ein Arrangement zwischen Österreich und der EWG nach wie vor für erstrebenswert?”

SCHMITZ: „Sicher sind für den Fortgang des gesamten Prozesses der europäischen Integration die Währuhgsschwierigkeiteri eiti gewisses Handikap. Wie immer sich ‘ dieUhtWicklung In der EWG abzeichnet, schon wegen der hohen Zolldiskriminierung für Österreichs Waren in der EWG, bleibt Österreich an einer Kooperation mit der EWG interessiert.”

FURCHE: „Wird es in Österreich in weiterer Zukunft eine solche Situation, wie sie jetzt in Frankreich eintrat, für den Schilling geben?”

SCHMITZ: „Wenn man sich vorstellt, daß die Schwierigkeiten, sowohl in Großbritannien wie auch in Frankreich, darin liegen, daß die Kooperation zwischen denen, die für die Wirtschaftspolitik verantwortlich sind, Regierung und Sozialpartnern, nicht gut funktioniert hat und daß die Gefährdung des Arbeitsfriedens in diesen beiden Ländern viel zur Schwächung der Währung beigetragen hat — sowohl was die Streiks wie die Lohnerhöhungen betrifft —, ersehen wir, daß kein Land vor solchen Schwierigkeiten gesichert ist. Es muß eben die gesamte Bevölkerung Zusammenarbeiten, wenn man eine gesunde Wirtschaftspolitik erreichen will.”

FURCHE: „Sie glauben aber nicht, daß die Nationalbank sich im Hinblick darauf, daß zum Beispiel viele Österreicher — und es werden immer mehr — den Urlaub im Ausland verbringen, auch zu Maßnahmen gegen die Liberalisierung im Devisengeschäft entschließen wird müssen?”

SCHMITZ: „Sicher geht der Trend des Österreichers darauf hinaus,., mit 5 steigendem Wohlstand mehr Urlaubstage im Ausland zu verbringen. In .Österreich wiesen die Nettoerlöse aus dem Fremdenverkehr trotz der auslandreisenden Österreicher einen ständigen Zuwachs auf. So haben wir in diesem Jahr von Jänner bis September Devisenmehreingänge in einer Größenordnung von mehr als zehn Milliarden Schilling. Das bedeutet eine Steigerung um 5,6 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres. Während die Eingänge aus dem Ausländerfremdenver- kehr in Österreich 15 Milliarden Schilling betrugen, ergaben die Ausgaben durch Österreicher im Ausland nur rund fünf Milliarden Schilling. Es wäre also absurd, die Liberalisierung in irgendeiner Art aufzuheben.”

FURCHE: „Sie halten also auch die Deckung durch Devisenbestände in Österreich für so gut, daß keinerlei Befürchtungen geäußert werden müssen, daß ein Abfluß von Mitteln zu stark werden könnte?”

SCHMITZ: „Die Deckung der Währung besteht in den sogenannten Währungsreserven. Die Oesterreichische Nationalbank hält aus Tradition ihre Währungsreserven 1:1 in Gold und in Devisen, und hier wieder haupt- säohl’ch in Dollars. Ein Vergleich mit den Währungsreserven anderer Staaten zeigt, daß Österreich in diesem Vergleich sehr gut abschneidet. Auf der Basis der Jahresmitte 1968 führt die Schweiz mit einem Deckungsprozentsatz von 98 Prozent, als zweite die Niederlande mit 79 Prozent und dann folgt schon Österreich mit 77 Prozent. Danach liegen Länder wie Kanada, Belgien und Deutschland und die USA.”

FURCHE: „Der Schilling ist also hart?”

SCHMITZ: „Es zeigt sich aus diesen Ziffern zweifellos auch eine gute und harte Position des Schillings. Auch während der Währungskrise der letzten Tage konnte festgestellt werden, daß auf den verschiedenen inoffiziellen Listen von ab- oder aufwertungsverdächtigen Währungen der Schilling auf aufwärtungs- verdächtigen Listen erschienen ist. Das zeigt die internationale Wertschätzung des Schillings.”

FURCHE: „Hat es auch gegen den Schilling ähnliche Spekulationen wie gegen den Franc gegeben, und besteht die Gefahr, daß es solche gegen den Schilling geben wird?”

SCHMITZ: „Die letzte krisenhafte Situation auf dem Gebiet der internationalen Währungspolitik hat sich auf drei Währungen beschränkt: auf den Franc, das britische Pfund und die Deutsche Mark. Österreich wurde von dieser Bewegung überhaupt nicht ergriffen, es bat auch die österreichische Bevölkerung sehr vernünftig reagiert…”

FURCHE: „…also keine Abhebungen und Goldmünzenkäufe?”

SCHMITZ: „Während nach der Pfundkrise und bei der Goldkrise solche Erscheinungen aufgetreten sind, haben sich anläßlich der Franc-Krise solche Erscheinungen nicht gezeigt. Bisher haben aber Spekulanten die Schweizer Franken, DM oder Goldmünzen kauften, noch immer verloren.”

FURCHE: „Wie war die Lage am Montag nach der De-Gaulle- Ansprache auf der Devisenbörse in Wien?”

SCHMITZ: „Die Wiener Devisenbörse war selbst in den Tagen geöffnet, in denen die Devisenmärkte vieler führender europäischer Länder gesperrt waren. Dieser Umstand ist in diesen Tagen im In- wie auch im Ausland sehr positiv vermerkt worden. Ab Montag haben auf der Wiener Devisenbörse wieder alle

Währungen notiert. Es wurden auch alle Noten gehandelt, nur der französische Franc wurde mit einem freien Kurs gehandelt.”

FURCHE: „Die Nationalbank hat also keine Weisung ausgegeben, daß irgendwelche Devisen und Valuten bei den Kreditinstituten nur im beschränkten Umfang gehandelt werden?”

SCHMITZ: „Die Oesterreichische Nationalbank hat keinerlei Restriktionen ergriffen. Lediglich die Francbanknoten wurden nicht angenommen, solange die Bank von Frankreich die Gutschrift dieser Noten nicht wieder übernimmt.”

FURCHE: „Herr Präsident, sollten nicht auf Grund der dauernden Abwertungen, Geldkrisen und der Aufwertungsgerüchte die Verantwortlichen darangehen, das gesamte Weltwährungssystem neu zu ordnen?”

SCHMITZ: „Das derzeitige Weltwährungssystem beruht noch auf Beschlüssen, die noch von den Aliierten vor Ende des zweiten Weltkrieges im Juni 1944 gefaßt wurden. Immerhin, das Währungssystem hat jetzt fast ein Vierteljahrhundert funktioniert, und wie man sieht, es ist bis jetzt auch immer wieder gelungen, der Schwierigkeiten Herr zu werden. Es ist aber sicher nicht unberechtigt, vieles wieder zu überprüfen, was vor 25 Jahren als richtig befunden wurde. Man überschätzt wahrscheinlich in der Regel das, was überholungsbedürftig ist. Das Entscheidende ist das Vertrauen in eine gesunde Wirtschafts- und Währungspolitik in den einzelnen Ländern. Dazu führt nur eine verantwortungsbewußte Kooperation zwischen Regierung, Notenbank und den Sozialpartnern.

Mit Nationalbankpräsident Doktor Schmitz sprach „Furche”- Redaktionsmitglied Georg Man- hardt.

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