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Digital In Arbeit

Soziales, Ökologie, Friedensdienst

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Wenn die Betreuung von Alten und Behinderten wichtig ist, dann soll diese Dienstleistung auch von gut ausgebildetem und gut bezahltem Personal erfüllt werden.

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Wenn die Betreuung von Alten und Behinderten wichtig ist, dann soll diese Dienstleistung auch von gut ausgebildetem und gut bezahltem Personal erfüllt werden.

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Wenn Politiker, die schon immer für die Verschlechterung des Zivildienstes (Verlängerung, Zugangsbeschränkungen ...) eingetreten sind, meinen, mit der Abschaffung der Allgemeinen Wehrpflicht den Zivildienst in einen „Arbeitsdienst” umwandeln zu müssen, ist Skepsis angebracht. Wozu soll eine Allgemeine Dienstpflicht dienen, und wer soll davon profitieren?

Der Behauptung, daß das Sozialsystem ohne Zivildiener zusammenbricht, ist entgegenzuhalten, daß lediglich 7.500 Zivildiener pro Jahr den Einsatzstellen zugewiesen werden. Der soziale Sektor ist nur ein Teil davon. Zivildiener arbeiten auch bei der Polizei oder in Gedenkstätten für Opfer des Nationalsozialismus. Ohne Zivildiener bricht das Sozialsystem nicht zusammen. Allerdings machen einige Einrichtungen mit den Zivildienern ein sehr gutes Geschäft, und manche Einrichtungen können ohne Zivildiener ihr Angebot nicht aufrechterhalten.

Eine Allgemeine Dienstpflicht hilft vor allem den „wirtschaftlich arbeitenden” Dienststellen, die billige Arbeitskräfte erhalten und teure hauptamtliche Mitarbeiterinnen einsparen.

Ein freiwilliger Alternativdienst kommt vor allem Organisationen zugute, die hauptsächlich mit ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen innovative, aber praktisch unbezahlte soziale Arbeit leisten.

Der Zwangsdienst soll glauben machen, daß soziale Dienstleistungen einen hohen gesellschaftlichen Wert darstellen. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Wenn die Betreuung von alten und behinderten Menschen wichtig ist, soll diese Dienstleistung auch von gut ausgebildetem und gut bezahltem Personal erfüllt werden. Wenn diese Tätigkeiten von Zwangsverpflichteten (oft ohne Ausbildung, mit minimaler Bezahlung) geleistet werden müssen, zeigt die Gesellschaft, daß ihr diese Dienste eigentlich nicht wichtig sind.

Jeglicher Dienst an der Gesellschaft wird von den Betroffenen nur dann als sinnvoll gesehen, wenn er freiwillig erfolgt. Daher muß der alternative Dienst ein freiwilliger sein und darf keine Arbeitsplätze ersetzen. Er muß ähn-r lieh dem bereits bestehenden „Auslandsdienst für Zivildiener” außerhalb der umfassenden Landesverteidigung etabliert, von gemeinnützigen Trägerorganisationen abgewickelt werden und kann durchaus projektartigen, experimentellen Charakter besitzen. Neben dem Dienst in den Bereichen Altenhilfe, Behindertenbetreuung, Arbeit mit sozialen Randgruppen und Ökologie ist der Alternativdienst als Friedensdienst einzurichten.

Der Friedensdienst soll das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit der Bevölkerung heben. Das bedeutet idealerweise, daß Konfliktpotentiale im Diskurs mit den Betroffenen gelöst werden. Die Beteiligten empfinden die Vereinbarungen langfristig als gerecht. Der Projektentwurf des Schriftstellers Josef Haslinger für einen Zivildienst in der Ausländerintegration kann exemplarisch für den zu schaffenden Friedensdienst gesehen werden.

Die Freiwilligen finden durch den sinnstiftenden Beitrag zur Friedensgesellschaft und über einen finanziellen Anreiz den Weg zu einer Trägerorganisation (vor Eintritt ins Berufsleben). Bereits heute sind Freiwillige in der Friedensarbeit tätig, wie zum Beispiel in Flüchtlingslagern im ehemaligen Jugoslawien. Als zusätzliche Motivation ist ein Entgelt vorzusehen. Derzeit kostet jeder Zivildiener rund 150.000 Schilling pro Jahr. Mit diesem Aufwand können viele Stellen für den freiwilligen Friedensdienst geschaffen werden.

Die Abschaffung der Wehrpflicht hat die Abschaffung des Zivildienstes zur Folge, wie auch in anderen EU-Staaten. Kein europäischer Staat kennt einen zivilen Zwangsdienst. In der Europäischen Menschenrechtskonvention, die Teil der österreichischen Bundesverfassung ist, ist Zwangsarbeit mit Ausnahme der Wehrpflicht ausdrücklich verboten. Auf dem Boden der Verfassung ist deshalb ein ziviler Dienst nur auf freiwilliger Basis vorstellbar.

Der Autor ist

Mitarbeiter der AR GE- Wehrdienstverweigerung, Gewaltfreiheit, Deserteurs- und Flüchtlingsberatung.

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