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Sparen ja, aber nicht gerade bei den Ärmsten

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Der Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister hat, weil er das Sparpaket der Regierung zu wenig sozial ausgewogen findet, eigene Vorschläge präsentiert.

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Der Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister hat, weil er das Sparpaket der Regierung zu wenig sozial ausgewogen findet, eigene Vorschläge präsentiert.

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Stephan Schulmeister ist Wirt-scnaftsforscher und beschäftigt sich üblicherweise mit Zusammenhängen und Problemen der internationalen Wirtschaft. Als erste Maßnahmen des österreichischen Sparpakets bekannt wurden, war Schulmeister entsetzt: „Das geht ja nur gegen die Ärmsten der Armen!” Er begab sich vom Gebiet der internationalen Wirtschaft auf das glatte Parkett österreichischer Budgetkon-solidierung. Schulmeister meldete sich mit „privaten Überlegungen” zu Wort und präsentierte in „Standard” und „Club 2” ein Modell, mit dem 37 Milliarden Schilling eingespart werden könnten.

Schulmeisters Kritik an bisherigen Sparpaket-Absichten:

1. Die große Zahl von verschiedenen Ausgabenkürzungen würde in Summe wenig Geld, aber viele Unzufriedene bringen.

2. Die Maßnahmen würden kinderreiche Familien, alleinerziehende Mütter, Arbeitslose und solche treffen, denen man tatsächlich fast nichts mehr nehmen kann.

3. Durch extrem geringe Haushaltseinkommen würde zwangsweise in vielen Bereichen die Nachfrage so stark zurückgehen, daß auch die Produktion und Beschäftigung auf

Dauer leiden wurden. Das wurde weitere Arbeitslose nach sich ziehen und so weiter.

4. Eine große Anzahl von solcherart entstandenen Verlierern hätte innenpolitisch hohe Sprengkraft und würde das System der Sozialpartnerschaft an sich gefährden.

5. Sowohl SPÖ wie auch ÖVP würden mit einem solchen Sparpaket klar von ihren sozialdemokratischen beziehungsweise christlichen Grundprinzipien abrücken.

Daher schlägt der Wirtschaftswissenschafter ein Konsolidierungsprogramm nach folgenden Grundsätzen vor: Im Sinne einer gesamtwirtschaftlichen Effizienz dürfen Nachfrage, Produktion und Beschäftigung möglichst wenig gedämpft werden. Im Sinn sozialer Ausgewogenheit müßten alle Bevölkerungsschichten entsprechend ihrer Einkommensstärke einen Beitrag zur Konsolidierung leisten. Dennoch sollen Ausgabensenkungen gegenüber Steuererhöhungen den Vorzug haben, allerdings: ganz ohne zusätzliche Einnahmen ist die Sache nicht zu machen.

Folgende vier Maßnahmen sollen in Summe 37 Milliarden bringen:

1. Erhöhung der Mineralölsteuer, die in der Folge zu einer Umweltsteuer ausgebaut werden und alle Energieträger erfassen soll. Zunächst soll sie das Budget entlasten, später die Arbeitskosten. Eine solche Umweltsteuer ist im Regierungsprogramm ohnedies schon vorgesehen.

Mehrertrag: Fünf Milliarden Schilling.

2. Alle Sozialtransfers sollen entsprechend der Bedürftigkeit ihrer

Empfänger gestaffelt werden. Grundlage: Das monatliche Netto-Haushaltseinkommen. Bis zu einem solchen in der Höhe von 30.000 Schilling sollen Sozialleistungen wie bisher ausgezahlt werden. So würden die Sozialleistungen jenen ungekürzt erhalten bleiben, die sie wirklich brauchen. Mit steigendem Einkommen würden sie sinken, wer über 60.000 Schilling netto pro Monat verdient, soll vom Staat nicht mehr unterstützt werden - er dürfte solche Hilfe auch nicht wirklich nötig haben. Pro Kind würde sich die „Bemessungsgrundlage” um 5.000 Schilling erhöhen.

Ausgabensenkung: 15 Milliarden Schilling.

3. Verringerung der Bundeszuschüsse zur Wohnbauförderung der Länder. Es könnten bei entsprechender Änderung des Finanzierungssystems dennoch weiterhin gleich viele Projekte gefördert werden. Vorhandene Rücklagen (13 Milliarden) der Länder können aufgelöst werden.

Einsparung: Acht Milliarden Schilling.

4. Einführung eines allgemeinen „Solidarzuschlags” auf die Lohn-und Einkommensteuer von fünf Prozent. Der Zuschlag wäre befristet, bis die Konsolidierung erfolgreich abgeschlossen ist (Maastricht-Kriterien). Wer brutto zum Beispiel 20.000 Schilling pro Monat verdient, müßte 70 Schilling zahlen, wer 50.000 verdient 570. Dieser Solidarzuschlag würde alle Bevölkerungsgruppen entsprechend ihrer wirtschaftlichen Lage an der Budgetsanierung beteiligen.

Mehrertrag: Neun Milliarden Schilling.

Schulmeister ist davon überzeugt, daß eine solche Kombination von zwei Ausgabenkürzungen, einer befristeten Sonderabgabe und der ohnehin geplanten Umweltsteuer rasch in Kraft gesetzt und leicht administriert werden könnte. Überdies würde es auch als sozial ausgewogen empfunden werden - da alle etwas beitragen müssen, den Bedürftigen aber nichts genommen würde. Hindernisse für die Verwirklichung seiner Vorschläge ortet Schulmeister in politischen Machtkämpfen. Manche Politiker hätten gar kein großes Interesse an sozialer Ausgewogenheit. Sie würden sich in einer instabilen innenpolitischen und sozialen Situation bessere Chancen für den Ausbau des eigenen Einflusses erhoffen. Prinzipiell hat Schulmeister in den letzten Tagen aber ein überwiegend positives Echo auf seine Vorschläge erfahren.

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