Spekulation mit Nahrung treibt Preise nach oben

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Strukturelles Investment in Lebensmittel bringt wenigen hohe Erträge und lässt Millionen hungern. Schiere Geldgier gefährdet das Mittel zum Leben. Im Stift St. Georgen am Längsee lud Richard Lernbass zum 9. Finance & Ethics Kongress. Thema: "Interkulturelle Ethik und Investmentbereich LEBENSmittel“. 200 Teilnehmer debattierten über Ernährung und Werte.

Nahrungsmittel sind für jede Gesellschaft das Fundament ihres Überlebens - und genau dieses Grundbedürfnis wurde der Logik der Märkte unterworfen. Damit haben sich finanzwirtschaftliche Zwänge durchgesetzt. Mit Folgen: "Lebensmittelpreise 2010 um 29 Prozent gestiegen - 44 Millionen Menschen in Armut getrieben“ titelte die NZZ am 15. Februar 2011. Der Sachverhalt zeigt die Auswirkungen einer gelockerten Geldpolitik.

Missbrauch der Nahrung für Spekulation

Anlagekapital floss vermehrt in Rohstoffe, gerade aber auch in die Lebensgrundlage der Menschen. Der Würzburger Wirtschaftswissenschafter Karl-Heinz Brodbeck nennt das unumwunden einen "Skandal“. Die Agrarwirtschaft, einst tragende Säule jeder Volkswirtschaft, wurde industrialisiert und sieht sich heute weltweit wenigen Agrarkonzernen ausgeliefert. "Parallel dazu haben sich in den letzten Jahrzehnten die Finanzmärkte immer mehr von den realen Wirtschaftsprozessen losgelöst und Märkte für derivative, teilweise auch einfach betrügerische Finanzprodukte entwickelt“, argumentiert Brodbeck und tritt vehement gegen den spekulativen Missbrauch der Nahrung auf. "Lebensmittel laufen Gefahr, zu Investitionsobjekten für spekulative Zwecke zu verkommen.“ Das "Mittel zum Leben“ sei aber - wenigstens unter ethischen Gesichtspunkten - kein Investment und schon gar kein Objekt für Geldgier, so Brodbeck. Der "harten Rendite durch Weichware“ (Slogan einer Bank) stehe am anderen Ende der Kette - bei den Menschen, die die Preise bezahlen müssen - kein Ertrag, sondern Krankheit und Hunger gegenüber.

Dass dem Menschen eine Inklination zur Geldgier innewohnt, scheint für Brodbeck gesichert. Der konstitutive Grund dafür liege im berechnenden, vom Geld geprägten Umgang der Menschen untereinander. "Genauso berechnend gehen wir mit Lebensmitteln, der Natur und den Tieren um“, lässt Brodbeck kein gutes Haar an der vergeldlichten Beziehung unserer sozialen Interaktionen und dem eingeübten Geldumgang. Dem steht die große Geldillusion zur Seite, alles durch Berechnung beherrschen zu können. Dieser soziologischen Analyse folgend bildet der ökonomische Zugang zur Nahrungsmittelindustrie eine beinahe zwingende Konsequenz, die Brodbeck jedoch als Entschuldigung nicht gelten lässt: "Diese Art von Spekulation wird bewusst betrieben und die Täter wissen sehr wohl um die Auswirkungen ihrer Geschäfte.“

Zustrom von Kapital treibt die Preise

"Global operierende Agrarkonzerne und Gentechnikfirmen ordnen pflanzliches und tierisches Leben der Monopolisierung von Patentrechten und kurzfristigen Renditezielen unter.“ Immer mehr Kapital fließt in diesen Sektor und bläht die Preise dort spekulativ auf, weshalb Brodbeck nach ethischen Schranken ruft. Dieser "beschämende Prozess“ sei eine humane Katastrophe und stehe mit den jüngst zu beobachtenden Revolten in verschieden Ländern in direktem Zusammenhang. Brodbeck fordert, diese sozioökonomischen Zusammenhänge allen Anlegern transparent zu machen. Als Sofortmaßnahme könnte die Spekulation in Nahrungsmittel in die Negativkriterien der auf ethisches Investment spezialisierten Rating-Agenturen aufgenommen werden: als zwingendes Ausschlusskriterium.

Informationen zur Tagung: www.software-systems.at,

Anforderung unter: pirker@software-systems.at

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