Starthilfe gegen Sozialhilfe-Karrieren

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Integrationswohnungen im Caritas-Flüchtlingshaus Neudörfl beugen sozialem Abstieg vor und entziehen Radikalisierung den Nährboden.

Trutzig präsentiert sich das Esterházy-Kastell in Neudörfl: dicke barocke Mauern, Abwehr gegen Außen, Schutz für Innen und ein Segen für die rund 60 Flüchtlinge aus elf Nationen im Haus. Denn im Wahlkampf für die Gemeinderatswahl am 7. Oktober machen in Neudörfl wieder einmal die "echten Österreicher" in der FPÖ und in einer Bürgerliste gegen die unechten, gegen die Ausländer, die "Massenzuwanderung", den "Islam im Vormarsch" und "Multikulti" generell mobil.

"Gegen unser Haus gibt es kein böses Wort", sagt Renate Reinhalter, ehrenamtliche Mitarbeiterin der Caritas, die das ehemalige Grenzkastell seit bald 20 Jahren als Flüchtlingshaus betreibt. Die Asylwerber werden - zumindest offiziell - als die Armen und Hilfsbedürftigen akzeptiert, die Wahlkampagnen wenden sich gegen die zugezogenen Ausländer und Neo-Österreicher in den neuen Wohnanlagen der Marktgemeinde. "Aber wir unterscheiden nicht", stellt Reinhalter klar, "Mensch ist Mensch", und sie ist froh, dass "der Bürgermeister trotz Gegenwind seine Linie hält".

Neudörfler "Internationale"

Bürgermeister Dieter Posch (SPÖ) ist an diesem Nachmittag Mitte letzter Woche einer der Ehrengäste bei einem Festakt im Flüchtlingshaus. In seiner Ansprache erinnert er daran, dass sich 1874 in diesem damals zu Ungarn gehörenden Grenzkastell die Sozialdemokratische Partei Österreichs gegründet hat, und er fordert, dass die damals hoch gehaltene Internationalität nicht nur in seiner Partei wieder mehr Bedeutung erlangt. Den Anti-Ausländer-Schlagzeilen werde er sich nicht beugen. Auch auf die Gefahr hin, dass ihn das Stimmen koste, er bleibe der "Idee von Neudörfl" treu. Vor dem Bürgermeister hat der Bezirkshauptmann und zweite Ehrengast der Veranstaltung diese Idee so skizziert: "Wo Offenheit, Menschlichkeit und Integration gelebt werden."

Anlass für Festakt und Besuch der Ehrengäste ist der fertige Umbau des Flüchtlingshauses: Die Fassade des Kastells wurde renoviert und ein neuer Sportplatz eingerichtet. Das Herzstück des Umbaus ist aber die Fertigstellung von zwei Integrationswohnungen - ein Novum im Burgenland, mit dem man unter anderem im nahen Niederösterreich schon sehr gute Erfahrungen gemacht hat.

Integrationswohnungen? Caritas-Flüchtlingsbetreuer Martin Strecha schnippt mit seinen Fingern - so ruck, zuck, von einem Tag auf den anderen, will er damit illustrieren, müssen sich Asylwerber selbst erhalten, Arbeit und Wohnung finden, wenn sie den positiven Asylbescheid erhalten und als Flüchtling laut Genfer Konvention anerkannt sind. Denn damit fallen sie innerhalb kurzer Frist aus der staatlichen Grundversorgung hinaus. Für viele ist das eine Überforderung, der sie nicht gewachsen sind und der Anfang einer "Sozialhilfe-Karriere". Die Integrationswohnungen können asylberechtigten Familien stattdessen eineinhalb Jahre lang als "Startwohnungen" den Umstieg vom Flüchtlingsheim ins selbstständige Leben erleichtern. In dieser Zeit sollen die Flüchtlinge ihre Deutsch-Kenntnisse ausbauen und in der Heimat begonnene Ausbildungen abschließen, um damit besser qualifiziert eine angemessene Arbeit und eigenen Wohnraum zu finden.

Sauteuer, aber es wirkt!

"Integrationswohnungen sind natürlich zunächst ein Aufwand", sagt der Wiener Caritas-Direktor Michael Landau, "doch sie sind eine gute Investition in die Zukunft", ist der dritte Ehrengast bei dieser Einweihungsfeier überzeugt. Vor allem den Kindern dieser Familien wird dadurch ein guter Start ermöglicht. Und es wird das verhindert, was vor Beginn der Feier aus aktuellem Anlass Gesprächsthema in der Hausküche war: "Die Islamisten freuen sich, wenn es den Leuten schlecht geht", sagte da einer und ein anderer ergänzte: "Ja, die warten auf die ohne Hoffnung und Perspektive."

Die von der Bundesregierung in der letzten Woche beschlossene "Integrationsplattform" ist deswegen für Landau ein richtiger Schritt, dem aber weitere folgen sollen: Der Caritas-Direktor fordert nach wie vor ein Staatssekretariat für Migration und Integration und er schlägt die Errichtung einer "Integrationsagentur" vor: "Denn Integration erfordert Strukturen, Zuständigkeit und Verantwortlichkeit auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene. Wofür niemand zuständig und keiner verantwortlich ist, das findet in aller Regel auch nicht statt."

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