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Steuerfreiheit der Existenzminima fiir alle

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In einer „Koalition neu“ müßte die Volkspartei alles daran setzen, ihre Familienkompetenz wieder zurückzugewinnen.

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In einer „Koalition neu“ müßte die Volkspartei alles daran setzen, ihre Familienkompetenz wieder zurückzugewinnen.

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Die Aufgabe, vor der die ÖVP nach ihrer Wahlniederlage und mit ihren Koalitionsabsichten steht, gleicht der Quadratur des Kreises: Von ihr werden neue Inhalte erwartet, um gegenüber dem potentiellen Partner wieder mehr selbständiges Profil zu zeigen und diesem gleichzeitig ein konsensfähiges Regierungsprogramm vorzuschlagen. Eine solche Möglichkeit bietet die Entlastung der Existenzminima auch der Familienangehörigen aller Steuerpflichtigen.

Was dringend nach Abhilfe ruft, ist die unverständliche Inkonsequenz des Gesetzgebers der abgelaufenen Legislaturperiode: Während er dem Steuerpflichtigen selbst 84.200 Schilling als jährliches Existenzminimum insoferne zuerkennt, als er seine Steuerschuld um die allein für diesen Betrag anfallende Steuer reduziert, verweigert, er dies seinen Familienangehörigen, obwohl er behauptet, daß mit den Kinderabsetzbeträgen nicht nur das Existenzminimum eines Kindes, sondern sogar die darüber hinaus gehenden gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen abgegolten sind (Paragraph 33 Abs 4 EStG).

Das Dr.-Karl-Kummer-Institut hat aufgezeigt, wie sehr diese Absicht dem Gesetzgeber mißglückt ist: Unter der Annahme des vom Gesetzgeber selbst gewählten Existenzminimums für den Steuerpflichtigen als Ausgangspunkt, unter Anwendung der allgemein akzeptierten Gewichtung, nach Abzug der aus den staatlichen Transferzahlungen getragenen ‘Feile der Existenzminima der Kinder und des Alleinverdienerab- setzbetrags zur Berücksichtigung der

Unterhaltsverpflichtungen für den nicht-erwerbstätigen Ehegatten wird das so verbleibende Existenzminimum der ganzen Familie immer noch durch eine massive Besteuerung belastet. So hat ein Steuerzahler, der nicht mehr verdient als die Summe der auf diese Weise verringerten Existenzminima für sich und seine Angehörigen bei einem unterhaltsberechtigten Kind jährlich 23.112 Schilling, bei zwei Kindern

Steuerausfall infolge der notwendigen Erhöhungen der Kinderabsetz- beträge würde wegen der mit steigender Kinderzahl rasch zurückgehenden Anzahl der Alleinverdiener sowie infolge der Reduktion der steuerlich zu berücksichtigenden Existenzminima durch die Anrechnung der Familienbeihilfen etwas weniger dramatisch steigen.

Das wird jedenfalls einen konkret fixierten Stufenplan über zwei Legislaturperioden hinaus notwendig machen. Anders werden die Fehler der Vergangenheit nicht repariert werden können, deren Erkenntnis zu den Konsequenzen gehört, die neben anderen nach der Wahlniederlage der Koalition-alt nun gezogen werden müssen.

Das Bekenntnis zum Vorrang des Steuerzahlers zur unbesteuerten Verfügung über sein eigenes Einkommen in der Höhe seines und aller seiner Angehörigen notwendigen Existenzminima vor seiner Verpflichtung zur Mitfinanzierung der Staatsausgaben braucht keinen außergewöhnlichen ideologischen Aufwand. Es bedarf dazu nicht einmal einer Vorausfestlegung des Weges dorthin. Die ÖVP braucht dies zur dringend gebotenen Wiederherstellung ihrer traditionellen familienpolitischen Kompetenz, auch für die Sozialdemokraten wäre ein Bekenntnis zu einer solchen humanitären Priorität eher ein Gewinn als ein Gesichtsverlust. Eine solche Vereinbarung wäre jedenfalls ein gutes Stück Große Koalition-neu.

Vielleicht steckt darin sogar auch noch eine Chance für eine eindrucksvolle parlamentarische Führungsinitiative: Die alten Regierungsparteien konnten bisher keinen Weg finden, den Schutz der Familie im Grundrechtskatalog der Bundesverfassung zu verankern. Für den Schutz aller Formen der Familie vor dem Zugriff des Staates wäre schon viel gewonnen, wenn der Schutz vor einer Besteuerung des Existenzminimums für alle Staatsbürger verfassungsrechtlich gesichert wäre.

31.880 Schilling und bei drei Kindern 39.976 Schilling an Steuern abzuführen, während der Steuerzahler ohne Unterhaltsverpflichtungen für sein Existenzminimum allein keine Steuern zu leisten hat.

Das Ausmaß der Ignorierung dieses doch wohl primitivsten Menschenrechtes steuerzahlender Bürger spiegelt sich in der Höhe der Kosten ihrer Reparatur: Eine Berechnung des Institutes hat ergeben, daß eine

dem Existenzminimum des Steuerzahlers analoge Entlastung des Existenzminimums des nicht-erwerbstätigen Ehegatten im derzeitigen System eine Erhöhung des Alleinver- dienerabsetzbetrages von 5.000 auf 18.138 Schilling nötig macht!

Die Kosten der Reparatur dieses bisher weithin übersehenen Defektes sind daher entsprechend: Sie werden auf rund sechs Milliarden Schilling jährlich geschätzt. Der

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