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Steuergerechtigkeit ?

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Im derzeitigen Koalitionsmilieu unserer Republik haben selbst Bagatellen die Tendenz, sich zu politischen Dramen zu entwickeln. Hohe Bürokraten, kurzsichtig und mit wenig Gefühl für Relationen, aber auch Mitglieder der obersten staatlichen Hierarchie tragen durch Ihre zuweilen falsch lokalisierte Prinzipienfestigkeit zu dieser Entwicklung bei. Selbst die immerhin einigermaßen grundsatzbezogene Moraltheologie erlaubt die Zulassung eines Übels, wenn dadurch ein noch größeres vermieden werden kann. Diese Norm dürfte wohl auch und besonders für den politischen Bereich gelten.

Was hier gemeint ist, soll an einem aktuellen Beispiel gezeigt werden:

Die Republik Österreich, das heißt das Bundesministerium für Finanzen, hat bereits vor längerer Zeit die Steuerfreiheit der betrieblichen Sozialleistungen (zum Beispiel der verbilligten Werkküche, der Urlaubsaufenthalte in unternehmungseigenen Heimen, des verbilligten Bezugs eigener Produkte usw.) beim Verfassungsgerichtshof eingeklagt. Nach dessen Erkenntnis ist diese Steuerfreiheit durch die derzeitige Gesetzeslage nicht gedeckt. (In Ergänzung sei nun vermerkt, daß regelmäßige Zahlungen, wie betriebliche Kinder- oder Familienzulagen, schon bisher der Besteuerung unterlagen.)

Aus einer Angelegenheit, die der Finanzminister großzügig und publikumswirksam durch eine Initiative zur Novellierung des Einkommensteuergesetzes hätte bereinigen können, ist ein Problem der Steuergerechtigkeit und des Prestiges geworden.

Der Begriff „Gerechtigkeit“ in Verbindung mit „Steuer“ ist in fest allen Staaten deplaciert and überfordert. Natürlich sollen gleiche Einkommen bei auch sollst gleichartigen Voraussetzungen stelieWcTi gleich belastet werden. Dies trifft in Österreich auch weitestgehend für die Bezieher von Löhnen und Gehältern, ausgenommen die „Managerschichte“, zu. Es wäre dagegen, wie Kenner der Verhältnisse verlauten lassen, vermessen, dieselbe Behauptung für die Besteuerung der Selbständigen aufzustellen. Die in den Steuerstatistiken ausgewiesenen Selbständigeneinkommen liegen selbst nach Ausschaltung der vielen kleinen Gewerbetreibenden auf einem armseligen Niveau, das im krassen Widerspruch zur täglich erlebten Wirklichkeit steht. Das wissen natürlich auch die Gewerkschaften. Sie setzen die Steuerpauschalierung, bei der es sich um eine echte Steuerbegünstigung handelt, und die vielfachen Absetzungsmöglichkeiten der Selbständigen auf die eine Seite und vergleichen damit die angeblich der Steuergerechtigkeit wegen umkämpften betrieblichen Sozialleistungen. Darf man sich wundern, wenn bei einfachen Menschen die Parole vom „Klassenkampf von oben“ Widerhall findet?

Hat man bei den zuständigen Stellen schon daran gedacht, die auf Firmenkosten laufenden Wohnungen, Villen, Autos (plus Chauffeur), Spesenkonti usw. der „Managerklasse“ exakter für die Einkommensversteuerung zu erfassen? (Man hört, auch höchste Beamte würden per Dienstauto abgeholt beziehungsweise heimgebracht, dies dürfte im Wert zumindest der verbilligten Werkküche eines Industriearbeiters entsprechen.)

Eigentlich kann von einem „Sieg“ der fiskalischen Prinzipienvertreter nicht mehr gesprochen werden, da bereits ein steuerfreies Jahrespauschale von 500 Schilling konzediert wurde. Dies ist zu wenig, hoffentlich aber noch nicht zu spät, um der politischen Demagogie in dieser Frage einen Riegel vorzuschieben.

Dem Fiskus brächte ein Erfolg nur wenig Geld, dafür aber zusätzliche Verwaltungsarbeit. Die Unternehmungen würden auch mit Mehrarbeit belastet werden. Für Jeden Bediensteten müßte festgestellt werden, in welchem Ausmaß er betriebliche Sozialleistungen in Anspruch genommen hat (Nicht jeder geht gleich oft in die Werkküche, und nicht jeder Brauereiarbeiter bezieht gleich viel verbilligtes Bier!).

Es steht also, was den fiskalischen Erfolg anlangt, nicht dafür. Die damit zusammenhängende Mehrarbeit läßt die ganze Initiative, volkswirtschaftlich gesehen, zu einem Verlustgeschäft werden. Es ist zumindest erstaunlich, wie man für die Verwaltungsvereinfachung und für die Vereinfachung der Lohnverrechnung plädieren und gleichzeitig neue Komplikationen schaffen will. Schließlich soll doch niemand glauben, die Gewerkschaften würden eine Versteuerung der betrieblichen Sozialleistungen verlegen lächelnd hinnehmen. Sie werden einfach Lohnforderungen stellen und ein Vielfaches dessen hereinbekommen, was ein Teil — nicht alle — ihrer Mitglieder an den Fiskus verlieren. Öb es zu den Aufgaben des Finanzministeriums gehört, die gewerkschaftliche Aktivität in einer nicht gerade opportunen Periode zu provozieren, möge an kompetenter Stelle entschieden werden — allerdings ohne diese schiefe Auffassung von Steuergerechtigkeit und das Ressortprestige ins Kalkül zu ziehen. (Weil es gerade dazu paßt, sei erwähnt: von vielen Leuten werden auch die Lohnsteuerabsetzbeträge für Autos als ungerecht empfunden, denn schließlich hat nicht jeder ein Auto! Offensichtlich empfindet man dies höheren Orts nicht so, warum aber dann bei der Werkküche und beim Urlaubsheim?)

Die Masse der Arbeiter und Angestellten gehört zwangsweise zu den bravsten Steuerzahlern. Sie können auf jeden Fall nicht anders.

Dem tut auch der vielgeschmähte Pfusch keinen Abbruch. Die politische und wirtschaftliche Vernunft, ja sogar die fiskalische Logik empfehlen nun die Steuerfreiheit der inkriminierten Sozialleistungen. Oder, wenn man aus welchen Gründen immer ein Pauschale festsetzen will, sollte es in der Größenordnung von 5000 Schilling liegen. Dies entspricht dem Steuerfreibetrag für Unselbständige, wenn sie Einkommen aus selbständiger Arbeit beziehen.

Jedenfalls stellt die hier diskutierte Probe aufs Exempel einer zweifelhaften Steuergerechtigkeit eine unnotwendige Belastung für den neuen Finanzminister dar. Damit rechnet natürlich auch zumindest eine Hälfte der Regierung und daran haben die Mitglieder des „neuen Teams“ zu denken, auch wenn es die in unserem Fall zuständigen Beamten nicht so halten müssen.

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