Steuerreform auch ohne Zuckerl sinnvoll

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Das Steuerrecht gehört weiter entwickelt, denn im Dickicht der Regelungen verfängt sich der Rechtsschutzsuchende.

D ie Diskussion um die Steuerreform dreht sich in erster Linie um das Volumen. Wie viele Milliarden können bewegt werden? Wie hoch ist die Entlastung? Ob 2003 Entlastungen möglich sind, hängt in erster Linie von der Konjunkturentwicklung ab. Im Steuerrecht besteht aber auch Bedarf nach Reformen, die - zumindest insgesamt betrachtet - aufkommensneutral sein können:

Die Begünstigung des 13. und 14. Monatsgehaltes bei Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit wird seit langem von vielen als systemwidrig bezeichnet. Die Differenzierung zu den Unternehmereinkünften lässt sich allenfalls noch dadurch rechtfertigen, dass im betrieblichen Bereich andere Möglichkeiten bestehen, die persönliche Steuerlast zu senken. Nicht einzusehen ist aber, dass die Sonderregelung für den 13. und 14. Monatsgehalt in erster Linie eine Begünstigung für Spitzenverdiener ist. Die Bezieher niedriger Einkommen mit einem ohnehin niedrigen Durchschnittssteuersatz haben von der pauschalen Besteuerung eines Teils ihres Einkommens in Höhe von sechs Prozent nur wenig. Bekennt man sich dazu, dass Dienstnehmer einen steuerlichen Vorteil gegenüber Unternehmern haben sollen, wäre es konsequent, dass auch Bezieher kleinerer Einkommen profitieren. Wenn man aber keinen Grund sieht, Lohnsteuerpflichtige mit geringem Einkommen und kleine Gewerbetreibende unterschiedlich zu behandeln, sollte die Begünstigung für den 13. und 14. Monatsgehalt in eine generelle Tarifreduktion umgestaltet werden.

Auf dem Gebiet des Körperschaftsteuerrechts verfügen wir über ein international anerkanntes System: Wirtschaftliche Doppelbelastungen in Konzernen werden durch die Steuerfreiheit der Gewinnausschüttungen bei der Muttergesellschaft vermieden. Konsequent wäre daher auch die Körperschaftsteuerfreiheit der Veräußerungsgewinne bei inländischen Beteiligungen. Umgekehrt dürften dann auch Abschreibungen und Verluste aus der Veräußerung von Beteiligungen nicht länger die Steuer mindern. Gewährleistet sein sollte bloß, dass Verluste innerhalb eines Konzerns einmal berücksichtigt werden können. Die derzeit bestehenden "Organschaftsregelungen" könnten daher durch ein großzügiges Konzept einer Gruppenbesteuerung ergänzt werden: Auf Antrag sollen miteinander verflochtene Gesellschaften die Möglichkeit haben, sich gemeinsam zur Steuer veranlagen zu lassen und auf diese Weise positive und negative Ergebnisse im Konzern auszugleichen. Derzeit kann dies nur durch komplizierte und mitunter betriebswirtschaftlich unsinnige Gestaltungen erreicht werden.

Das Bilanzsteuerrecht ist ein Chaos. Handels- und steuerrechtliche Gewinnermittlung sollten wieder stärker zusammengeführt werden. Für den Unternehmer, der derzeit eine Handelsbilanz zu erstellen und - getrennt davon - eine steuerliche Gewinnermittlung vorzunehmen hat, wäre eine Einheitsbilanz eine wichtige Vereinfachung.

Notwendig ist auch eine Reform der Erbschaftssteuer. Budgetär fällt diese Steuer kaum ins Gewicht. Aus diesem Blickwinkel wäre daher die Abschaffung einfach. Wenn man aber aus Gründen der Verteilungsgerechtigkeit eine Besteuerung des Erbanfalls für notwendig erachtet, müsste man die derzeit bestehende Steuer völlig umgestalten: Die heutige Erbschaftssteuer ist aufgrund der zahlreichen Befreiungen zu einem Torso geworden. Das verbleibende der Erbschaftssteuer unterliegende Vermögen wird völlig uneinheitlich bewertet. Der progressive Tarif, der im Extremfall konfiskatorischen Charakter haben kann, verschärft diese Bewertungsunterschiede. Die Beseitigung von Ausnahmen und die Vereinheitlichung der Bewertung könnte selbst bei gleichzeitiger erheblicher Tarifreduktion zu einem Mehraufkommen führen, das Spielraum für andere Maßnahmen schafft.

Nur historisch erklärbare Bewertungsunterschiede gibt es auch bei der Grundsteuer.

Nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss ist die Kommunalsteuer, die als Steuer von der Lohnsumme den Faktor Arbeit verteuert. Eine Abschaffung würde voraussetzen, die Gemeindefinanzierung auf eine neue Grundlage zu stellen. Anachronistisch sind auch die Rechtsgeschäftsgebühren, die in einer alten Urkundensteuer ihre Wurzel haben und heute nur zur Rechtsunsicherheit führen: Ohne Urkunden kann mitunter immer noch Gebührenpflicht vermieden werden. Konflikte über den eigentlichen Vertragsinhalt sind aber ohne Urkunden vorprogrammiert. Der Gesetzgeber hat in den vergangenen Jahren viele Lücken des Gebührenrechts geschlossen und dadurch das Aufkommen wesentlich erhöht. Die Abschaffung der Gebühren ist daher heute viel schwieriger als noch vor einigen Jahren: Es bedürfte einer geeigneten Gegenfinanzierung.

Dass sich sowohl Bund als auch Länder eigene Abgabenverfahrensrechte leisten, ist ein Luxus, der Steuerpflichtige teuer kommt: Im Dickicht der unterschiedlichen Regelungen verfängt sich bald ein Rechtsschutzsuchender! Das Steuerrecht bedarf einer wohlüberlegten Weiterentwicklung. Wenn man rechtzeitig mit den Vorarbeiten beginnt, wäre eine Steuerreform auch dann sinnvoll, wenn es keine "Zuckerl" zu verteilen gibt.

Der Autor ist Vorstand des Instituts für österreichisches und internationales Steuerrecht der Wirtschaftsuniversität Wien.

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