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Mit steigenden Temperaturen steigt auch die Lust aufs Radfahren, eine in Österreich beliebte Freizeitbeschäftigung. Beim Berufsverkehr spielt das Fahrrad aber nur eine untergeordnete Rolle. Junge Verkehrsplaner sind bemüht, das zu ändern.

Das österreichische El Dorado für Radfahrer ist Lustenau in Vorarlberg. Dort werden 37 Prozent aller Wege per Drahtesel erledigt. "Seit 20 Jahren fahren die Leute dort ohne Radweg mit dem Rad. Das gewachsene Straßennetz ist optimal. Lustenau ist völlig flach, es gibt verschlungene Wege mit vielen Kurven, die abwechslungsreich zu fahren sind. Alle wichtigen Ziele liegen in Raddistanz", erklärt Wolfgang Rauh, wissenschaftlicher Leiter des VCÖ (Verkehrs Club Österreich)-Forschungsinstituts.

Die Lustenauer treten in die Pedale, obwohl es nur eine Fahrbahn mit Radfahrstreifen gibt. "Wesentlich ist die Übersichtlichkeit: alle Verkehrsteilnehmer müssen einander rechtzeitig sehen können. Gute Planung für Radfahrer bedeutet: Hindernisse aus dem Weg räumen. Wer Radfahren fördern will, muss Durchlässigkeit erhalten und keine Umwege erzwingen. Es gibt keinen ersichtlichen Zusammenhang zwischen vermehrtem Radverkehr und Radwegen", fasst Rauh zusammen.

Radwege seien nicht kategorisch abzulehnen, umsichtige Planung aber besonders wichtig. "Der Komfort am Radweg ist höher, aber im Kreuzungsbereich verdoppelt sich das Unfallrisiko," warnt Rauh. Das subjektive Gefühl von Sicherheit kehrt sich bei schlecht markierten oder schwer einsehbaren Übergängen auf Kreuzungen ins Gegenteil um. Beste Planung ist nötig, um folgenreiche Konflikte zwischen Fußgängern, Radfahrern und Autos zu vermeiden.

Für Radwege

"Vorarlberg hat die beste Fahrradtradition, dort sind auch einige meiner Absolventen am Werk", bestätigt Verkehrsplaner Univ. Prof. Hermann Knoflacher, der Radwegen durchaus positiv bewertet. "Das ist die Autobahn der Radfahrer. Fragen Sie eine Mutter, die ihr schulpflichtiges Kind aufs Rad lässt! Man muss den Leuten das Radfahren angenehm und interessant machen. In Wohngebieten, als Verbindungsweg zu Post und Schulen sind Radwege optimal."

Allerdings: "Man darf sie nicht aus der Lenkerperspektive bauen, nicht als Restwege anlegen, nicht als schwerfällige, gepflasterte Strukturen ausbilden. Die beste Qualifikation für einen Radverkehrsplaner ist: Radfahrer muss er sein!"

Österreichweit wurden 1983 etwa 8,3 Prozent aller Wege per Rad zurückgelegt. Heute dürfte der Anteil bei 6,5 Prozent liegen, schätzt Rauh. Mit dem Auto hingegen wird die Hälfte aller Wege erledigt, 16 Prozent mit öffentlichen Verkehrsmitteln, der Rest zu Fuß. Der Grund für die Bedeutung des Autoverkehrs liegt in der Siedlungsstruktur: Ortskerne sterben aus, Supermärkte und Schulen wandern ab, Autozulassungen steigen. Je größer aber die Distanz, die zurückzulegen ist, umso weniger Anreiz zum Rad. Am liebsten wird es bei Strecken von etwa zwei Kilometern genutzt. Da ist es konkurrenzlos schnell.

"Ab Ende der Achtziger hat man radverkehrsfördernde Maßnahmen gesetzt. Damals begann Wien, Radwege zu bauen, die ÖBB war fahrradfreundlich, es gab Fahrradständer. Leider hat das wieder nachgelassen. Für das Fahrrad am Bahnhof gibt es kein Konzept mehr," bedauert Knoflacher. "Österreich hat einfach keine Fahrradtradition. Kein Auto würde man ohne Kofferraum bauen, beim Fahrrad denkt keiner dran. In Holland hat jedes Rad eine Fahrradtasche, hier muss man das suchen," ärgert sich Rauh.

Ideale Verhältnisse für Radfahrer herrschen in Salzburg. Der Radweg an der Salzach sorgt mit Unterführungen für hindernisloses Vergnügen, was die Frequenz steigert. "An Spitzentagen passieren bis zu 10.000 Radfahrer," freut sich Radwegekoordinator Peter Weiß.

In der Mozartstadt radeln Bürgermeister Heinz Schaden, Festspielpublikum in Theaterrobe, Studenten und Omas im Dirndl friedlich nebeneinander. Ein Drittel aller Einkäufe werden per Rad erledigt, bei Distanzen bis 3,6 Kilometer sind Pedalritter schneller als das Auto. "Der Fahrradanteil am Gesamtverkehr beträgt bei uns 20 Prozent," betont Weiß. Die automatische Zählstelle bei der Unterführung unter die Staatsbrücke zählte 1,5 Millionen Radfahrer im Jahr 2001.

Salzburg verfügt über 160 Kilometer Radstrecken, 97 davon sind gemeinsame Geh- und Radwege, 33 baulich getrennte Radwege. Etwa 730.000 Euro investiert die Stadt pro Jahr. Fast alle Radwege sind beleuchtet. Weiß war früher Geschäftsführer beim Velo-Club, er ist selbst Radfahrer: "Man kann die Radverkehrsdichte sicher noch steigern. Wir wollen viel in Infrastruktur investieren: Abstellplätze mit Abdeckung auf Bushaltestellen, eine Radgarage am Hauptbahnhof mit 200 Gratisplätzen und 130 mietbaren Fahrradboxen. Salzburgs Größe ist ideal: Mit dem Rad ist man am schnellsten."

Ideale Radfahrergröße hat auch Graz. "Bei uns dürften 20 Prozent aller Wege mit dem Rad erledigt werden", schätzt Verkehrsplaner Thomas Fischer, ebenfalls ein Radfahrer. "Vor 10, 15 Jahren herrschte Aufbruchsstimmung. Damals wurden viele Radwege gebaut. Unser Netz hat etwa 90 Kilometer. Jetzt werden vor allem Lücken geschlossen."

Ergänzungen im bestehenden Radwegenetz sind schwierig. "Ein halber Kilometer - klingt wenig, lässt sich schlecht verkaufen. Dabei ist es oft sehr kompliziert: Privatgrundstücke, Unterführungen, kostspielige Umbaumaßnahmen.

Per Rad einkaufen

Die Unfallzahlen auf Radwegen seien gestiegen, erklärt Fischer: "Es kommt bei uns zu Territoriumskonflikten zwischen Radfahrern und Fußgängern, im Kreuzungsbereich zur Kollision mit Autos. Teils kann man bautechnisch etwas für mehr Sicherheit tun, teils muss man einfach mehr Disziplin einmahnen." Eine Verkehrssicherheitskampagne ist geplant.

"Der Fahrradanteil ist sicher noch zu steigern", meint Fischer. "Das Rad ist das schnellste Verkehrsmittel, wir haben ein gut ausgebautes Netz. Die Leute müssen nur noch mehr darüber wissen." Eine Radkarte soll zeigen, wo man gesichert fahren kann. Zwischen 35.000 und 40.000 Euro Planungsbudget hat Fischer pro Jahr und bei anderen Verkehrsprojekten laufen zusätzlich Maßnahmen fürs Rad mit. "Im Rahmen des Ausbaus der Koralmbahn wird ein Geh-und Radweg mitgeplant. Das ist eine sinnvolle Doppelnutzung, die unser Budget nicht belastet."

Wien ist von der Topographie und der Größe fürs Rad zu groß. Auch ließ der traditionell gut ausgebaute öffentliche Verkehr das Rad erst spät die Bundeshauptstadt erobern. Verkehrsplaner Friedrich Nadler hat eine umfassende Radstudie für die Gemeinde Wien erstellt und einen Stufenplan an Maßnahmen geplant.

1991 lag der Anteil des Radverkehrs bei 1,5 Prozent, für 2001 hofft Nadler auf 4,7 Prozent. Das 1999 beschlossene Klimaschutzprogramm peilt für 2010 einen Anteil von acht Prozent an. Heuer wird es in der Bundeshauptstadt eine wichtige Neuerung geben: Ab 7. Mai sollen 1.500 Leih-Fahrräder gegen Pfand von zwei Euro die Lust der Wiener aufs Rad steigern. Diese "Gratis-Stadtradln" dürfen jedoch nur innerhalb des Gürtels in den Bezirken eins und drei bis neun verwendet werden.

Das Wiener Radwegenetz hatte im Jahr 2000 ist 835 Kilometer. Bis zum Ende der Amtszeit von Verkehrsstadtrat Rudolf Schicker sind 1000 Kilomter angepeilt. "Unser Ziel ist ein möglichst rasches Lückenschlussprogramm, außerdem wollen wir die flächendeckende Erschließung in Tempo 30 Zonen erreichen. Wichtig sind auch Radparkgaragen bei U-Bahnstationen", meint Nadler.

"Radfahren gegen die Einbahn hat sich gut bewährt, es gab kaum Unfälle. Auch in Fußgängerzonen ist Radfahren sinnvoll. Man muss in jedem Einzelfall die beste Maßnahme überlegen. Radfahrstreifen auf der Fahrbahn sind sicher günstiger als Radwege." Die beliebteste Radroute der Wiener ist der Ring. 13 bis 15 Prozent Radfahreranteil hält Nadler in Wien für möglich. "Die Stimmung fürs Rad ist positiv. Nur die Verkehrsplaner sollten erkennen, dass Radfahren kein Nebenprodukt ist."

Maßnahmen pro Radverkehr:

* Radwege und Radfahrstreifen sollten einen gut befahrbaren Belag und ausreichende Breite aufweisen.

* In Hauptverkehrsstraßen sind nach Möglichkeit beidseitig Radwege einzurichten.

* Die Wartezeit für Radfahrer bei ampelgeregelten Kreuzungen sollte möglichst gering sein.

* Für Berufsverkehr am Rad ist rasches und flüssiges Fahren wesentlich.

* Ausbildungs - und Freizeitradler brauchen Sicherheit und Komfort.

* "Bike and ride" ist für Stadterweiterungsgebiete vorzusehen und Fahrradabstellanlagen mit Witterungsschutz.

* Wegweiser, Orientierungshilfen und Informationstafeln für Radfahrer.

* Marketingaktionen für ein besseres Radfahrklima.

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