6744155-1966_52_25.jpg
Digital In Arbeit

Touristik — österreichisch

Werbung
Werbung
Werbung

Der internationale Tourismus ist gekennzeichnet durch Dynamik, rasche Wandlungsfähigkeit und -Anpassungsfähigkeit an wirtschaftliche und verkehrspolitische Gegebenheiten.

So sind in der Nachkriegszeit deutlich verschiedene Etappen feststellbar, die sich wesentlich voneinander unterscheiden. Der Beginn der ersten Epoche ist durch die Errichtung der Fremdenverkehrswerbestelle im Jahre 1946 nach dem Muster der Vorkriegszeit und durch Beschluß des wirtschaftlichen Ministerkomitees im April 1947 gekennzeichnet, mit dem im Rahmen der damaligen Devisenbewirtschaftung, hohe Dollarbeträge freigegeben wurden, um den Wiederbeginn eines devisenbringenden Ausländerfremdenverkehrs in Österreich zu ermöglichen. Diese Beträge wurden für den Ankauf von Lebensmitteln aus dem Ausland zur Verpflegung von Auslandstouristen in 37 Hotels in ganz Österreich verwendet, nach einem heute höchst anachronistisch anmutenden Bewirtschaftungsverfahren.

Es konnten somit die ersten Auslandstouristen gegen Devisenbezahlung in Österreich verköstigt werden. In der Unterkunft bestanden infolge der Schädigungen während der Kriegszeit jedoch noch empfindsame Lücken. Die Investitionsförderung mit Hilfe der Kredite aus dem Marshallplanfonds bildete daher ab 1950 den Kernpunkt dieser Entwicklungsperiode. So ergab sich als erfreuliches Resultat der Wechselbeziehung zwischen Investition und Aufbau der heimischen Fremdenverkehrswirtschaft die steile Aufwärtskurve, die durch folgende Zahlen gekennzeichnet ist:

Einziges Motiv für eine bevorzugte Investitionskreditförderung des Fremdenverkehrs war damals dessen devisenbringende Funktion. Wie rasch der Wandel der Dinge vor sich geht, zeigt, daß noch vor kurzem von offiziellen österreichischen Stellen dieses devisenbringende Charakteristikum des Fremden

Verkehrs zum Anlaß genommen wurde, diesem Fremdenverkehr inflatorische Wirkung vorzuwerfen und damit seine Förderungsfunktion zu bestreiten. Tempora miutentur! Damals war ein Ausgleich des Handelsbilanz- passivums nahezu zur Gänze durch den Tourismus gegeben. Heute klafft noch eine unausgefüllte Lücke Handelspassivum, das auf zirka 18 Milliarden angewachsen ist und trotz erhöhter Bruttodeviseneinnahmen durch den Fremdenverkehr kaum in einem höheren Ausmaß als zu 68 Prozent gedeckt werden kann.

In dieser ersten Periode waren auch für die Fremdenverkehrswerbung verhältnismäßig bescheidene Mittel nötig. Die während des Krieges aufgestapelte Reiselust Zug um Zug mit der Aufhebung des Visazwanges, der Zollformalitäten für Pkw im touristischen Grenzverkehr erzeugte einen Reisezustrom in die traditionellen europäischen Fremdenverkehrsländer und damit besonders nach Österreich, das damals noch mit Recht den Ruf eines billigen Reiselandes hatte.

Die heutige Situation unterscheidet sich sehr von dieser ersten Epoche. Die progressive Steigerung des Autotourismus, die gewaltigen Neuerungen in der Flugtechnik haben eine touristische Revolution mit sich gebracht, die das Gesicht des Tourismus im Ausland und in unserem Land sehr verändert haben.

Die vielfach nur quantitative Erhöhung der touristischen Besuche hat Folgerungen mit sich gebracht, die nicht mehr positiv beurteilt werden können. Der Massentourismus ohne vorangegangene Raumplanung in den Gemeinden zerstört oft genug seine eigene Lebensgrundlage, nämlich den österreichischen Orts- charakter und die Erholungslandschaft. Die Konzentration in der Hochsaison beeinträchtigt die Gastlichkeit.

Das qualifizierte touristische Anbot, gekennzeichnet durch die Güte der Leistung in der Fortsetzung auf Seite 27

Fortsetzung von Seite 25

Gaststube, der Unterkunft und nicht zuletzt in den öffentlichen Einrichtungen der FV- Gemeinde wird Trumpf.

Diese Entwicklung in Österreich steht in scheinbarem Gegensatz zu den Veränderungen, die sich in den Konkurrenzländern Österreichs abspielen. Sie liegen in einem sprunghaft gestiegenen Konkurrenzanbot in Ubersee und in Europa, diesseits und jenseits des Eisernen Vorhanges, einem verstärkten Drang nach dem Süden — auch zur Winterszeit —, der rasanten Zunahme des Charterflugverkehrs nach Fernzielen zu Pauschalpreisen, mit denen nur schwer konkurrenziert werden kann.

Die Österreichische Fremdenverkehrswerbung sieht sich mit ihren heutigen beschei denen Mitteln ohnmächtig einer solchen potentiellen Werbephalanx gegenüber.

Die dritte Epoche ist die Zukunft des Fremdenverkehrs in einem spektakulären Atomzeitalter. Mit einer weiteren Steigerung der Reisefreudigkedt infolge erhöhten Lebensstandards und Fortschrittes der Urlaubsgesetze wird allgemein gerechnet. Während wirtschaftliche Rezessionsenscheinuingen, selbst Reisedeviseneinschränkungen, in einigen wichtigen Herkunftsländern, diese optimistische Beurteilung dämpfen, kündigt die fast 50prozentige Reduktion der Transatlantikflugtarife eine Evolution im Überseetourismus an. Ab 1970 ist weiters mit dem Einsatz der Großraumflugzeuge (für 500 Personen) zu rechnen. Die Sachverständigen nehmen weiter eine Steigerung der Transatlantikbesucher in

Europa von 5 Millionen im Jahre 1967 auf 10 Millionen im Jahre 1970 an. Wir stünden damit vor einem Massenreiseverkehr aus USA und Kanada nach Europa. Sind wir dafür gerüstet? Vieles erscheint erforderlich bei einem vagen Blick in die Zukunft. Neben einer Reihe finanzieller, materieller Voraussetzungen soll bei einer solchen Betrachtung zum Jahresende nur eine Notwendigkeit besonders heraus gestellt werden: Unsere Gastlichkeit, unser Fremdenverkehr in diesen Jahren der weiteren Vermassung muß österreichische Wesenszüge beibehalten, wenn Österreich seine touristische Strahlkraft auch in der Zukunft, die mit schweren Problemen belastet sein wird, seinen Platz erfolgreich behaupten will.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung