7084813-1994_11_13.jpg
Digital In Arbeit

Transport von Behinderten strafbar?

Werbung
Werbung
Werbung

Vor etlichen Wochen wurde dem „Österreichischen Hilfswerk für Taubblinde und hochgradig Hör- und Sehbehinderte (ÖHTB)“ – einem jener gemeinnützigen Wiener Vereine, der sich die Pflege, Hilfe und Betreuung von Behinderten zur Aufgabe gemacht hat – von der zuständigen Magistratsabteilung mitgeteilt, daß ein Strafverfahren wegen Übertretung der Gewerbeordnung eingeleitet werden muß. Begründet wurde dies damit, daß der Verein einen Fahrtendienst zur Beförderung von Behinderten nicht nur des eigenen Vereins ohne eforderliche Gewerbeberechtigung betrieb.

Der Geschäftsführer des ÖHTB, Peter Heinemann, berief sich in der Folge darauf, daß der Verein nahezu ausschließlich von der Unterstützung der öffentlichen Hand lebe und durch die Erbringung kleiner Dienstleistungen, wie der Beförderung behinderter Menschen, lediglich eine im Verhältnis zur Gesamtgebarung des Vereins unbeachtliche Einnahmequelle habe. Da der Verein aber ohne Subventionen nicht existenzfähig wäre, könne das Erfordernis einer Gewerbeberechtigung für diese Tätigkeit überhaupt nicht bestehen.

Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) gibt aber der Auffassung der Behörde recht. Nach Ansicht des Gerichtshofs liegt eine gewerbliche Tätigkeit eines ideellen Vereines nämlich bereits dann vor, wenn der betreffende Verein in diesem Teilbereich Gewinne erwirtschaftet, die über die Kostendeckung in diesem Bereich hinausgehen und daher auch zur teilweisen Deckung der Ausgaben in anderen Bereichen der Vereinstätigkeit verwendet werden.

Liegt diese Voraussetzung vor, bedarf der Verein einer Gewerbeberechtigung selbst dann, wenn seine Liquidität – im übrigen ausschließlich – von öffentlichen Zuwendungen abhängig ist. (VwGH 15. 5. 1992, Z1. 92 / 04 / 0065; 24. 11. 1992, Z1. 92 / 04 / 0180 u. a.)

In der Praxis verfehlt diese Rechtsprechung ihre Wirkung nicht. Den

Vereinen stehen nämlich, soweit sie nicht zeitgerecht Gewerbeberechtigungen erwirkt haben, Strafen bis zu 50.000 Schilling und allenfalls noch Verfahren wegen Übertretung des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) ins Haus.

Für Peter Heinemann ist diese Rechtsprechung sehr bedenklich. Die gemeinnützigen und karitativen Vereine würden ohnehin alle aufgrund der schwierigen Lage mit dem wirtschaftlichen Überleben kämpfen. Für so manchen könnten diese Strafen existenzbedrohend sein. „Darüber hinaus wirft es kein gutes Licht auf unsere Tätigkeit, wenn wir der Gesetzesübertretung beschuldigt werden. Alle Behindertenvereine versuchen durch das Anbieten einzelner Dienstleistungen ein kleines Zubrot zu verdienen. Die Konsequenzen dieser Rechtsprechung sind größer, als sich zur Zeit abschätzen äßt“, erklärt der ÖHTB-Geschäfts-führer Heinemann.

Tatsächlich sind zahlreiche Institutionen davon betroffen. Die Palette reicht von Jugendclubs, soweit sie sich als Vereine konstituiert haben, bis hin zu den sogenannten Werkstätten für Behinderte, Alkoholiker und sonstige gesellschaftliche Randgruppen.

Existenzbedrohend könnten die Auswirkungen dieser Rechtsprechung für die sogenannten Gastarbeiterclubs sein, da sie zumeist keine Berechtigung zum Ausschank von Getränken und zur Verabreichung von kleinen Speisen haben. Im Regelfall wird ihnen diese auch nicht erteilt werden.

Bei der Wirtschaftskammer versteht man diese Aufregung nicht. Wie Günther Feuchtinger von der rechts- und gewerbepolitischen Abteilung der Wirtschaftskammer Wien der FURCHE mitteilte, komme es bei der gewerberechtlichen Beurteilung von Idealvereinen nicht auf die Gesamtgebarung, sondern ausschließlich auf die jeweilige Tätigkeit an. Die Gewerbebehörden hätten ohnedies schon bisher die gesetzlichen Bestimmungen im Sinne der Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs angewendet; die Rechtsprechung habe die Behördenpraxis bloß bestätigt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung