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Trend zu Einwegplastik

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Ziemlich aufwendig sei das in Osterreich für Verpackungen eingerichtete Sammelsystem - und nicht sehr effizient. So die Kritik von Umweltschützern.

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Ziemlich aufwendig sei das in Osterreich für Verpackungen eingerichtete Sammelsystem - und nicht sehr effizient. So die Kritik von Umweltschützern.

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Seit Oktober 1993 ist die Verpackungsverordnung (WO) in Kraft. Seitdem müssen Kunststoffverpackungen ebenso wie Glas oder Papier getrennt gesammelt und wiederverwertet werden. Vereinfacht ausgedrückt funktioniert das System so, daß jeder, der Verpackungen in den Verkehr setzt, diese auch wieder zurücknehmen muß. Der Letztverbraucher muß die Verpackungen in die dafür vorgesehenen Sammelsysteme einbringen. Er hat somit eine Rückgabeverpflichtung. Die Sammlung kann von den Firmen an einen Dritten abgegeben werden. Im Falle der WO ist dieser „Dritte” die ÄRA - die Altstoff Recycling Austria.

Innerhalb der ÄRA kümmern sich sogenannte „Branchenrecyclingge-sellschaften” um die Sammlung und Verwertung der einzelnen Materialien. So ist etwa für Kunststoff der „Österreichische Kunststoffkreis-lauf” (ÖKK) dafür verantwortlich. Seit Inkrafttreten der Verordnung monierten die Kritiker immer wieder, daß mit der ÄRA ein System geschaffen wurde, welches sich der öffentlichen Kontrolle weitgehend entzieht.

Die rechtliche Grundlage der Verpackungsverordnung findet sich im Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) in den Paragraphen 7 und 11. Darin werden Maßnahmen zur Abfallvermeidung angeführt. Somit kann die WO eigentlich als Maßnahme zur Abfallvermeidung gesehen werden.

Wird etwa die Definition der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt” des deutschen Bundestages zu Rate gezogen, dann sind unter Abfallvermeidung Maßnahmen an der Quelle der Abfallentstehung, die weitere Schritte der Verwertung und Entsorgung gar nicht erst notwendig machen, zu verstehen.

Auf den Verpackungsbereich umgelegt hieße das in erster Linie, daß weniger Verpackungen in Umlauf gelangen. Ein Ziel, das mit der Verpackungsverordnung zweifellos verfehlt wurde. Tatsächlich ist das Rest-müllaufkommen aus den Haushalten durch die WO geringfügig verringert worden. Die „Einsparungen” durch den Wegfall der Deponierung werden auf circa 100 Millionen Schilling geschätzt. Diese stehen jedoch in krassem Mißverhältnis zu den 2,6 Milliarden, die das ARA-System verschlingt, ohne Verpackungen einzusparen.

Wie den erst jetzt in Kurzfassung vorliegenden Quotenstudien für das Jahr 1994 zu entnehmen ist, stieg der gesamte inländische Verpackungsverbrauch gegenüber 1991 um 1,4 Prozent an. Neuere Untersuchungen weisen aber auch darauf hin, daß sich die Verpackungsmenge seit Inkrafttreten der WO nicht nur keineswegs verringert hat, sondern daß auch ein deutlicher Trend weg von Mehrwegverpackungen hin zu Einwegplastik festzustellen ist.

So wies die Grüne Umweltsprecherin Monika Langthaler darauf hin, daß der Anteil der Einwegverpackungen im Limonadenbereich in den letzten beiden Jahren (93 bis 95) von 45 auf 54 Prozent angestiegen ist.

Nächste Woche lesen Sie im Dossier: Fit in den Winter Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich bei Mineralwässern ab. Obwohl noch bis Ende 1997 das Glasflaschengebot für Mineralwässer gilt, konnte bei Sodawässern die Einweg-PET-Flasche rasante Zuwächse verzeichnen. Zwischen 1989 und 1995 stieg deren Anteil am Mineralwasserabsatz in Wien von drei auf fast 14 (!) Prozent. Generell ist seit Inkrafttreten der WO der Mehrweganteil sukzessive gesunken.

Im Abfallwirtschaftsgesetz ( 2, Abs. 2) ist der Grundsatz festgehalten, daß Abfälle dann zu verwerten sind, wenn dies ökologisch vorteilhaft, technisch möglich, die Mehrkosten der Verwertung im Vergleich zu anderen Verfahren nicht unverhältnismäßig sind und ein Markt dafür vorhanden ist.

Diese Fragen wurden vor dem Inkrafttreten der WO nur unzureichend bis gar nicht erörtert. Denn viele Verwertungsschienen sind derzeit ganz und gar nicht in der Lage, diese Erwartungen zu erfüllen. Problemkind Nummer eins ist der Kunststoffbereich, wo wohl kaum von einem sinnvollen Recycling gesprochen werden kann. Stattdessen bahnt sich ein neuer Verbrennungsboom an.

Die Zementindustrie hofft, durch den Einsatz von Plastik als Brennstoff ihre Energiekosten senken zu können und so der Konkurrenz aus dem Osten Paroli zu bieten. Ein Argument, dem Tristan Jorde vom Österreichischen Ökologie-Institut nicht viel abgewinnen kann. „Es ist nicht einzusehen, weshalb gutmeinende Konsumenten, die ihre Plastikabfälle sammeln, die marode Zementindustrie quersubventionieren sollen.”

Daß die ÄRA sich hier nicht stärker einmischt, erscheint kein Wunder zu sein - sitzt doch ein Vertreter der Zementindustrie im ARA-Aufsichts-rat. Für Tristan Jorde ist dies ein Beispiel für jene unvereinbaren wirtschaftlichen Verflechtungen, mit denen schleunigst aufgeräumt gehört.

Nachdem das ARA-System schon 1994 nur knapp dem Konkurs entgangen ist, kommt es nun auch juristisch ins Trudeln. Der Verfassungsgerichtshof hat im Oktober in einem Erkenntnis festgehalten, daß die Rückgabepflicht für Konsumenten gesetzwidrig sei. Für die Umweltjuristin Eva Glawischnig ein klares Indiz dafür, daß bei weiteren Klagen die

Verpackungsverordnung als ganzes aufgehoben werden könnte.

Gemeinsam mit Tristan Jorde fordert sie nun eine umfassende Reform der Verordnung. „Mit Alibireformen ist es nun nicht mehr getan.” Ihre Hauptforderungen sind neben klaren Mehrwegquoten für Verpackungen die Abspeckung der ÄRA zu einer „ARA-Light”, die sich nur mehr um die Sammlung von ökologisch sinnvoll verwertbaren Materialien wie Glas und Papier kümmern soll. Alle anderen Verpackungen würden einen „Roten Punkt” erhalten, der dem Konsumenten das klare Signal senden soll: Nicht sinnvoll verwertbar.

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