Über das Ziel hinausgeschossen

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Dennis Meadows warnt seit 34 Jahren die Welt davor, die Ressourcen weiterhin auszubeuten. Geändert hat sich seit Erscheinen seines Buches "Die Grenzen des Wachstums" vor allem eines: Die Verschwendung wurde schlimmer. Aber Meadows gibt nicht auf. Vorige Woche war er in Wien.

Und wir hatten doch Recht", sagt Dennis Meadows heute. Die Gewissheit, es immer schon gewusst zu haben, dürfte den Zukunftsforscher dennoch nicht sonderlich freuen. Denn es sind Ölknappheit, Naturkatastrophen, Hungersnöte und Umweltverschmutzung, die seine Prognosen bestätigen: Vor 34 Jahren haben er und sein Team in einer Aufsehen erregenden Studie für den Club of Rome "Die Grenzen des Wachstums" beschrieben. Vergangene Woche war der heute 64-Jährige auf Einladung des Club of Vienna und des Club of Rome in Wien, um über Klimawandel, Ölknappheit und eben die Grenzen des Wachstums zu referieren.

Sofort nach Erscheinen der Studie im Jahr 1972 war Kritik laut geworden. Schließlich baute die westliche Welt damals - wie heute - darauf, mittels unbegrenzten Wachstums unbegrenzten Wohlstand erreichen zu können. Meadows dagegen warnte, dass in dem begrenzte System Erde mit seinen begrenzten Ressourcen das Wachstum nicht ewig weitergehen könne.

Verdrehte Argumente

"Die Kritiker, die das nicht hören wollten, haben alle paar Jahre ihre Argumente geändert", erzählt Meadows lachend, "nur um immer wieder darauf hinzuweisen, dass wir uns geirrt haben." Zuerst habe es geheißen, es gebe gar keine Grenzen. Dann, dass es sie möglicherweise gebe, sie aber sehr weit weg seien. Als nächstes sei ihm erklärt worden, die Grenzen seien zwar doch nicht so weit weg, aber die Technologie werde alle Probleme lösen. Kaum sei absehbar gewesen, dass dem nicht so ist, seien die Märkte zu Problemlösern erkoren worden. "Und heute sagen mir die Kritiker: ,Die Märkte funktionieren zwar nicht, aber es ist ohnehin zu spät.'" Aber auch das sieht Dennis Meadows anders.

Immer wieder wurde der Bericht auch abgetan mit dem Argument, die Studie habe vorhergesagt, dass um das Jahr 2000 das Erdöl ausgehen würde. Da das nicht gestimmt habe, sei wohl auch der Rest der Untersuchung hinfällig. Die Studie hatte jedoch nur die damals bekannten Erdölvorräte genannt. Faktoren wie den Erdölverbrauch für die Zukunft fortzuschreiben, war nie ihr Ziel gewesen. Die Autoren wollten vielmehr mögliche Entwicklungen aufzeigen und Schlüsse daraus ziehen. "Wir haben nie behauptet, zu einem bestimmten Zeitpunkt werde das Erdöl ausgehen und dann gehe die Welt unter", stellt Meadows klar. Aber die Studie hätte gezeigt, dass immer mehr Geld nötig sein würde, um den Menschen eine bestimmte Menge etwa an Erdöl, Wasser und Nahrung bereit zu stellen. "1972 waren wir noch kurz davor, die Limits des globalen Systems zu erreichen, jetzt haben wir sie deutlich überschritte. 1972 hätte es genügt, das Wachstum zu stoppen. Heute müssen wir schrumpfen." Das zeige sich in der Ausbeutung erneuerbarer Ressourcen, der Überfischung vieler Gewässer, der hohen Umweltverschmutzung, den steigenden Schulden vieler Staaten, dem immer größer werdenden Unterschied zwischen Reich und Arm, der Instabilität des Ökosystems, die sich durch immer mehr und immer schwerere Naturkatastrophen zeige. Bald werde es unmöglich sein, das Geld aufzubringen, um dagegen anzukämpfen. Und während den meisten der derzeitigen Ölpreis von über 70 US-Dollar pro Barrel (55 Euro für 159 Liter) hoch vorkäme, "werden in wenigen Jahren Preise von 100, ja sogar 150 Dollar nicht ungewöhnlich sein", prognostiziert Meadows. "Das ist das Ende einer Industrie, die auf billige Energie angewiesen ist."

Eine Lösungsstrategie, eine neue Wirtschaftsordnung oder konkrete Handlungsanweisungen hat Meadows nicht parat. Nur so viel sei klar: "Politik und Markt sind unfähig, die Probleme zu lösen, weil sie zu kurzfristig denken." Auch von fortschreitender Technik und alternativen Formen der Energiegewinnung seien keine Wunder zu erwarten, betont der Forscher des renommierten Massachusetts Institute of Technology. Beides sei wichtig zur Unterstützung, aber in erster Linie gehe es darum, Gewohnheiten zu ändern. "Wir müssen uns damit abfinden, dass Wachstum, wie wir es kennen, so nicht mehr möglich sein wird." Er nennt einen Vergleich: "Stellen Sie sich vor, was sich in Österreich alles geändert hat zwischen dem Jahr 1900 und dem Jahr 2000: von der Monarchie zur Demokratie, von Landwirtschaftsstrukturen zum Industriestaat, von der Pferdekutsche zum Auto. Die Änderungen, die in den nächsten 20 Jahren auf uns zukommen, werden das alles in den Schatten stellen." Abzuwenden seien diese Änderungen nicht mehr. "Aber wir können uns aussuchen, ob wir die Regeln ändern oder ob die Regeln sich selber ändern."

Bis zum Gleichgewicht

Dabei betont Meadows aber, dass er keine Weltuntergangsszenarien predige. "Die Menschheit wird sich nicht selbst ausrotten, wenn sie so weitermacht wie bisher. Das Leben wird nur bald völlig anders sein." Sinkender Lebensstandard, Hungersnöte und Kriege würden die Weltbevölkerung verringern, bis wieder ein vernünftiges Gleichgewicht hergestellt sei.

Die Alternative sei eine Veränderung der Gewohnheiten, die schon bei der Geburtenkontrolle beginnen müsse: "Die Welt kann nicht sechs Milliarden Menschen ernähren." Energieeffizienz und Energie sparen seien weitere Schlüsselbegriffe auf dem Weg zu Nachhaltigkeit. Was diese Nachhaltigkeit aber genau sei, kann Meadows selbst nicht sagen: "Niemand weiß, was nachhaltige Entwicklung bedeutet. Wir wissen genau, was nicht nachhaltig ist. Aber es genügt leider nicht, alles nicht Nachhaltige zu eliminieren - unter dem Strich bleibt trotzdem nicht Nachhaltigkeit übrig."

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