Über die Verhältnisse leben

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Was 1972 lächerlich erschien, wollen heute noch viele nicht wahrhaben: Dem Wachstum sind Grenzen gesetzt. Dieses Jahrhundert wird sie zeigen.

Dass ungebremstes Wachstum der Wirtschaft und der Bevölkerung zu Umweltzerstörung und Verknappung von natürlichen Ressourcen führt, war eine These, die in den 1970er Jahren als lächerlich galt. Dennis L. Meadows versuchte mit seinen Co-Autoren Donella H. Meadows und Erich Zahn diese These zu widerlegen. Sie schrieben 1972 für die Denkfabrik "Club of Rome" das Buch Grenzen des Wachstums. Zu einer Zeit, in der sich nur wenige vorstellen konnten, dass der Einfluss des Menschen langfristig den Lebensraum Erde zerstören könnte. Heute ist klar, dass die Zerstörung der Umwelt und dadurch der Lebensgrundlage des Menschen nicht nur möglich, sondern bereits konkrete Ausmaße angenommen hat (siehe gehäufte Umweltkatastrophen). Die Furche traf Dennis L. Meadows zu einem Gespräch in Wien. Der Ökonom befasst sich noch immer mit dem Wachstum und dessen Auswirkungen auf Menschheit und Umwelt. Nun ist auch die deutsche Fassung seines 30-Jahre-Updates erschienen.

Zusammenhänge

Der Neuauflage liegt ebenfalls das Computermodell World3 zugrunde. Das Modell errechnet, wie Bevölkerungswachstum, wirtschaftliche Entwicklung, Umweltzerstörung und Ausbeutung von natürlichen Ressourcen untereinander agieren. Es liefert ein umfassendes Bild über mögliche Szenarien der Auswirkungen des durch den Menschen erzeugten Wachstums auf der Erde. Umfassend deswegen, weil es Zusammenhänge darstellt und sich nicht auf einen Bereich, wie zum Beispiel den Klimawandel, spezialisiert. Meadows ist sich mit seinen Co-Autoren Donella H. Meadows (gestorben 2001) und Jörgen Randers sicher, dass das vom Menschen hervorgerufene Wachstum in diesem Jahrhundert an seine Grenzen stoßen wird. In punkto Erdöl glaubt Meadows gar, dass der Zenit der Förderung bereits überschritten ist.

Für Meadows ist es höchste Zeit, etablierte Lebensstile zu überdenken, um einen Kollaps des wirtschaftlichen Systems zu vermeiden. Ihm geht es dabei nicht nur um das Finden neuer Technologien. Sondern vielmehr um einen Sinneswandel. Beispiel Verkehr: Das Fahren mit dem eigenen Pkw gilt weithin als "die" praktische und bequeme Fortbewegungsvariante. Doch der hierfür notwendige Verbrauch von fossilen Brennstoffen zerstört den Lebensraum Erde (Klimaerwärmung u.a. durch den CO2-Ausstoß). Meadows dazu: "Das Festhalten am aktuellen Lebensstil ist unter den sich anbahnenden neuen Bedingungen mit knappen Ressourcen nicht möglich." Eine Trendwende zu einem nachhaltigen und sparsamen Umgang mit Ressourcen müsse vollzogen werden - kurz, das Leben umweltschonender gestaltet werden. Dafür bedarf es Menschen mit langfristigen Perspektiven. Politiker, denen gerne Verantwortung übertragen wird, nur um selbst nicht handeln zu müssen, seien für einen Sinneswandel die falschen Ansprechpartner. Zu wichtig seien kurzfristige Ziele, wie das Gewinnen der kommenden Wahl. Unpopuläre Maßnahmen wie eine hohe Besteuerung von Erdölprodukten fänden da keinen Platz.

Der neue Weg

Doch ohne eine schmerzhafte Erfahrung werde sich die Weltbevölkerung nicht auf einen neuen Weg aufmachen. Meadows denkt beim Gesinnungswandel an das Sparen: "Wenn die Menschen gezwungen sind, Geld zu sparen, weil Erdölprodukte sehr teuer geworden sind, dann werden sie beim Einschränken ihres Verbrauches und beim Finden von Alternativen innovativ." Beim Verkehr sind für Meadows die Benützung von Gehsteigen oder öffentlichen Verkehrsmitteln Möglichkeiten, um den Ressourcenverbrauch sofort einzuschränken, ohne dass dafür neue Technologien nötig wären. Das klingt im Vergleich zu einem Auto, das umweltschonend mit einer Brennstoffzelle fährt, nicht spannend. Doch darum geht es dem Vordenker: Nicht auf Technologien warten, sondern jetzt das eigene Handeln überdenken.

Das 30-Jahre-Update thematisiert auch den Kampf gegen die Armut und beschreibt, dass wirtschaftliches Wachstum dafür allein nicht reicht. Der Spruch: "Die Reichen werden reicher und die Armen bekommen Kinder" treffe auf viele Kulturen zu, die ein gesellschaftliches Übereinkommen haben, das die Reichen mit Macht und Privilegien belohnt und die Armen bestraft. Dies zeige sich in ethnischer Diskriminierung, Steuerschlupflöchern für Reiche, minderwertiger Ernährung für Arme und elitärer Schulbildung. Den Armen "bleibt nur die Hoffnung, dass ihre Kinder für zusätzliches Einkommen sorgen". Armutsbekämpfung brauche eine Systemänderung. Arbeit müsse fair entlohnt werden und ein zunehmender Teil der Produktion direkt den Armen zugute kommen, vor allem in Form von Ausbildung und Beschäftigung.

Für die Autoren ein Schlüssel von vielen, um eine nachhaltige Gesellschaft zu formen, die nicht über ihre Verhältnisse lebt.

GRENZEN DES WACHSTUMS

Das 30-Jahre-Update

Von Donella H. Meadows, Jörgen Randers u. Dennis L. Meadows

Verlag Hirzel Stuttgart 2006

303 S., brosch., Euro 29,-

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