Über Wien nach Brüssel

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Die Übernahme der rumänischen BCR durch die Erste Bank wird in Rumänien im Zusammenhang mit den EU-Ambitionen des Landes gesehen: Man hofft, dass unter der österreichischen Präsidentschaft der Beitrittstermin 2007 fixiert wird.

Es war ein bisschen wie bei einer Oscar-Preisverleihung: Der rumänische Finanzminister Sebastian Vladescu kämpfte mit seiner Rührung, dann verkündet er dem übervollen Saal kurz vor Weihnachten, dass die österreichische Erste Bank den Rekordpreis von 3,251 Milliarden Euro für die rumänische Kommerzbank (bcr) zahlen werde. Vladescu leitet die staatliche Privatisierungskommission. "Es ist eine Rekordtransaktion in Rumänien und in Osteuropa überhaupt, und sie zeugt vom Vertrauen der ausländischen Investoren in unser Land", sagte er voller Stolz.

Spannend bis zuletzt

Nach einem spannenden Rennen, aus dem renommierte Banken wie die bnp Paris, die Deutsche Bank und die Raiffeisen Bank nach und nach ausgestiegen waren, hatte es am Ende noch zwei Interessenten gegeben: die Erste Bank und die portugiesische Millennium Bank. Andreas Treichl, Chef der Ersten, hatte nach eigenem Bekunden bis zuletzt geglaubt, dass die Portugiesen ein besseres Angebot vorlegen würden. Umso glücklicher war er mit dem Ergebnis. Die Investition sei für die Erste auch deswegen vorteilhaft, weil die Gefahr einer Übernahme dadurch wesentlich kleiner werde. "Dies ist ein wichtiger Grundstein für die Zukunft der Ersten Bank und ihrer Selbstständigkeit", sagte Treichl.

Bis spät in die neunziger Jahre hinein hatte es in Rumänien immer wieder gravierende Unregelmäßigkeiten bei der Privatisierung großer Staatsunternehmen gegeben, was abschreckend auf westliche Investoren gewirkt hatte. Kurz vor dem erhofften eu-Beitritt wollte der Staat nun alles richtig machen. "Es hat sich sehr viel getan in den letzten vier bis fünf Jahren, deswegen sind auch die Angebote viel besser als früher", lobt der österreichische Botschafter in Bukarest, Christian Zeileissen. Entsprechend schwierig war es für die Erste, sich am Ende durchzusetzen. Beim Verkauf der rumänischen Erdölgesellschaft Petrom im Jahr 2004 war es für die am Ende siegreiche omv noch deutlich leichter gewesen.

Wohin mit dem Geld?

Die 3,25 Milliarden Euro sind die größte Summe, die der rumänische Staat jemals auf einen Schlag erhalten hat. Zum Vergleich: Der Staatshaushalt weist jährliche Gesamteinnahmen von gerade einmal 14,3 Milliarden Euro aus. Was mit dem Geld aus Österreich geschehen soll, darüber gehen die Meinungen noch auseinander. Zur Wahl stehen: höhere Gehälter für Lehrer und Ärzte, der Bau von Straßen oder die Bildung von Rücklagen, um die Zinserträge dauerhaft nutzen zu können.

Premier Calin Popescu-Tariceanu und Staatspräsident Traian Basescu favorisieren Investitionen in die Infrastruktur des Landes. "Wir werden das Geld nicht einfach ins große Staatsbudget eingliedern, sondern eine detaillierte Liste mit Infrastruktur-Projekten vorlegen, die wir damit finanzieren werden", erklärte Premier Popescu-Tariceanu. Neben dem Bau von Straßen und Brücken sei auch an Investitionen in Schulen und Krankenhäuser gedacht.

Die Infrastruktur ist in Rumänien ein großes Wirtschaftshindernis. In dem 230.000 Quadratkilometer großen Land gibt es nur 200 Kilometer Autobahn. Die ohnehin schlechte Infrastruktur ist durch die schweren Überschwemmungen im abgelaufenen Jahr hart getroffen worden. Viele Brücken und ganze Landstraßen waren monatelang unbrauchbar.

Die Rekordinvestition der Erste Bank unterstreicht Österreichs Rolle als Top-Investor in Osteuropa. Seit 1990 haben österreichische Unternehmen nun über sieben Milliarden Euro in Rumänien investiert. Neben der Ersten zählen die Wiener Städtische, Raiffeisen, omv, Porsche Bank, Brau-Union und Schweighofer Holzindustrie zu den wichtigsten Investoren. "Mit seinen 22 Millionen Einwohnern ist Rumänien ein großer Markt, die Bedingungen für ausländische Investoren sind in den letzten Jahren viel besser geworden, und wir haben mehr Vertrauen, auch, weil wir es besser kennen als andere europäische Länder", erklärt Österreichs Botschafter Zeileissen das riesige Interesse an Rumänien. Die rumänische Presse spekuliert bereits über die Wiederkehr des Habsburgerreiches aufgrund der starken wirtschaftlichen Expansion nach Osteuropa. Im Bankensektor ist die österreichische Präsenz besonders stark: 30 Prozent des osteuropäischen Marktes sind in österreichischer Hand.

Katalysator für EU-Beitritt

Mit dem jüngsten Bankendeal verbindet sich in Rumänien auch die Hoffnung, Österreich könnte während seiner eu-Ratspräsidentschaft den Beitritt Rumäniens zum Jahre 2007 durchsetzen. "Diese Privatisierung wird den rumänischen Bankensektor stärken und den Beitrittsprozess zur eu erleichtern", sagte Finanzminister Vladescu. Dass Rumänien der eu beitreten wird, ist bereits im April 2004 festgelegt worden. Noch kann aber der Beitritt um ein Jahr von 2007 auf 2008 verschoben werden, falls das Land nicht genug Erfolge im Kampf gegen Korruption und für die Reform von Justiz und Verwaltung vorweist. Die eu-Kommission wird in den kommenden Monaten einen Fortschrittsbericht verfassen und ihn Mitte Mai dem eu-Parlament und dem eu-Ministerrat vorlegen. Mitte Juni, also noch während der österreichischen Präsidentschaft, wird über das genaue Beitrittsdatum für Rumänien und Bulgarien entschieden.

Einen direkten Zusammenhang zwischen dem Zuschlag für die Erste Bank und dem Beitrittstermin bestreitet der österreichische Botschafter, er fügt jedoch hinzu: "Aber der Beitritt 2007 ist von unserer Regierung erwünscht." Der stellvertretende Vorsitzende des deutsch-rumänischen Wirtschaftklubs, Giesbert Stalfort, ist der Auffassung, dass es "für den österreichischen Banksektor besonders wichtig ist, dass Rumänien bereits 2007 beitritt, denn damit entfielen viele Schwierigkeiten". Daher sei es im Interesse Österreichs, dass der Beitritt nicht verschoben wird.

Deutsche in Rumänien

"Österreich etabliert sich zwar als Top-Investor, aber auch die deutschen Investitionen sind im Wachsen", merkt Stalfort an. Seit 1990 investierten deutsche Unternehmen in Rumänien rund eine Milliarde Euro. Die deutschsprachigen Investoren seien besonders interessiert, da es in Rumänien weiterhin deutschsprachige Schul- und Studiengänge gibt, die seit Jahrzehnten vom rumänischen Staat gefördert werden. Auch nach dem Sturz des Kommunismus 1989, als der Großteil der Rumäniendeutschen auswanderte, wurden diese Studiengänge erhalten, so dass es besonders im westlichen Teil des Landes Tausende junge deutschsprachige Rumänen gibt, die Wirtschaft, Jus oder Informatik studiert haben. Städte wie Cluj (Klausenburg), Sibiu (Hermannstadt) oder Brasov (Kronstadt) haben nicht nur ihre rumäniendeutschen Namen beibehalten, sondern haben weiterhin deutschsprachige Gymnasien und Hochschul-Studiengänge.

Lockmittel Flat tax

Mit einem Wirtschaftswachstum von rund fünf Prozent im Jahr 2005 bleibt Rumänien weiterhin ein attraktives Land für Investoren. Der Wirtschaftsboom ist etwas geringer im Vergleich zum Jahr 2004, als das Wachstum acht Prozent überschritt. Dies sei vor allem auf die verheerenden Überschwemmungen zurückzuführen, die der Landwirtschaft einen harten Schlag versetzt haben, sagt Nationalbank-Chef Mugur Isarescu. Mit der Einführung einer Einheitssteuer von 16 Prozent und der Senkung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent Anfang des Jahres 2005 hat die rumänische Regierung viel gewagt, um noch attraktiver für Investoren zu werden.

Dafür wurde sogar der Vertrag mit dem Internationalen Währungsfonds (iwf) im Oktober auf Eis gelegt. Der iwf wollte Rumänien auf ein sehr kleines Haushaltsdefizit für 2006 von 1,5 Prozent verpflichten, was von der Regierung Tariceanu abgelehnt wurde. Mit einem derart geringen Budget-Defizit hätte die Regierung ihre Versprechungen gegenüber der eu nicht einhalten können, da eu-finanzierte Projekte vom Staat mitfinanziert werden müssen. "Ein Vertrag mit dem iwf ist keine Bedingung für den eu-Beitritt", hieß es in einer Mitteilung der Europäischen Kommission, was den Kurs der neuen Regierung letztendlich stützte. Immer noch nicht gebannt ist allerdings die Gefahr einer übermäßigen Inflation. Derzeit liegt die Rate bei 8,7 Prozent, während die Inflationsrate in den europäischen Ländern kaum 2,5 Prozent überschreitet.

Die Autorin ist Rumänien-Korrespondentin des Journalisten-Netzes n-ost.

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