Überleben - auch gegen den Trend

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Zum Dossier: Auf den Weltmärkten wachsen die Konzerne zu Riesenstrukturen zusammen. In abgeschwächter Form spielt sich ein Konzentrationsprozeß auch im Agrarsektor ab. In diesem Umfeld erscheint Österreichs kleinstrukturierte Landwirtschaft wie ein Relikt der Vergangenheit. Die Folge: Bei vielen Bauern macht sich Resignation breit. Andere aber suchen erfolgreich nach Auswegen ...

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Zum Dossier: Auf den Weltmärkten wachsen die Konzerne zu Riesenstrukturen zusammen. In abgeschwächter Form spielt sich ein Konzentrationsprozeß auch im Agrarsektor ab. In diesem Umfeld erscheint Österreichs kleinstrukturierte Landwirtschaft wie ein Relikt der Vergangenheit. Die Folge: Bei vielen Bauern macht sich Resignation breit. Andere aber suchen erfolgreich nach Auswegen ...

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Der Trend, in großen Einheiten zu produzieren, hält in Europas Landwirtschaft schon seit langem an. So kann man durch Einsatz von Maschinen und chemischen Produkten die Personalkosten gering halten. Diese Art der Herstellung kommt der Logik industrieller Produktionsweise entgegen. Sie ergibt eine laufende Nachfrage nach Investitonsgütern, regt den technischen Fortschritt an, ist ein interessierter Abnehmer für gentechnisch optimierte Pflanzen und Tiere und liefert einheitliche Produkte für die Weiterverarbeitung in großem Stil.

Aus dieser Sichtweise hat sich auch die Vorstellung entwickelt, daß ein wirtschaftlich entwickeltes Land mit nur zwei Prozent Bauern sein Auslangen finden könne. Soweit nur diese rein wirtschaftlichen Kriterien zum Zuge kommen, hat die Landwirtschaft im alpinen Raum also sicher ausgespielt. Und selbst die Zahl der Bauern in den österreichischen Gunstlagen dürfte noch um einiges abnehmen.

Die Trends zeigen jedenfalls, daß diese Logik derzeit in Österreich dominiert. Gab es 1980 noch 318.000 landwirtschaftliche Betriebe, so waren es 1997 nur mehr 252.000. Noch stärker, nämlich um mehr als 40 Prozent, ist die Zahl der Vollerwerbsbetriebe gesunken: von 134.000 auf 78.000. Aus dieser Sicht ist verständlich, daß sich in weiten Kreisen unserer Landwirtschaft eine tiefe Resignation breitmacht (Seite 14).

Ist in diesem Geschehen eine ökonomische Gesetzmäßigkeit am Werk, die nicht anders denkbar ist? Ist also die Erhaltung der kleinstrukturierten Landwirtschaft eine Art Nostalgie von Wirtschaftsromantikern?

Nein, antworten die Umweltschützer, aus ökologischen Gründen sei diese angepaßte Form der Landwirtschaft von höchster Aktualität. Denn agrarische Riesenstrukturen bedeuten Umweltzerstörung im großen Stil. Daher kein freier Welthandel für Agrarprodukte, wie die Demonstranten gegen die WTO-Verhandlungen in Seattle forderten. Ist deren Fehlschlag also das Vorzeichen einer stärkeren Berücksichtigung der Umweltanliegen? Zeichnet sich ein Umdenken in der Agrarpolitik ab?

Vielleicht eine gewisse Verschnaufpause. Sie wird wohl bis nach den US-Präsidentenwahlen dauern. Bis dahin mag sich der Druck in Richtung Liberalisierung der Agrarmärkte möglicherweise allerdings etwas verringern. Denn selbst in den USA, die bisher konsequent auf Industrialisierung der Landwirtschaft setzten, stehen viele Bauern am Rande des Ruins. Für ihre wichtigsten Produkte sind die Preise auf ein Rekordtief seit 20 Jahren gesunken. Die Folge: Einkommensverluste der Farmer von 17 Prozent gegenüber 1996, als der "Freedom to Farm Act", der die freie Marktwirtschaft auf den US-Agrarmärkten einführte, beschlossen wurde. Nun werden Nothilfen gewährt, Subventionen und Preisstützungen gefordert.

In der Landwirtschaft stößt nun einmal das Konzept von unbegrenztem Wachstum und fortgesetzter Effizienzsteigerung an Grenzen. Wer unmittelbar mit den natürlichen Gegebenheiten wirtschaften muß, kann diese nicht gänzlich durch Rationalisierung ausschalten. An dieser Schnittstelle zwischen Menschenwerk und Natur wird offenkundig, daß das freie Spiel der Kräfte - trotz vieler Meriten - nicht die Patentlösung schlechthin sein kann.

Damit ist nichts sensationell Neues gesagt. Denn daß Wirtschaften nachhaltig zu sein habe, gehört heute zum Stehsatz wirtschaftspolitischer Erklärungen. Nur fehlen die zur Umsetzung der Nachhaltigkeit notwendigen Instrumente. Sowohl das betriebs- als auch das volkswirtschaftliche Rechenwerk, das man im wesentlichen als Maßstab bei Entscheidungen heranzieht, mißt kurzfristige Erfolge. Die Langfristperspektive kommt zu kurz.

Welche Maßnahmen könnten nun aber dazu beitragen, daß nachhaltiges Wirtschaften in der Landwirtschaft unter den derzeitigen Bedingungen begünstigt wird? Neben den immer wieder geforderten Änderungen in der Steuerpolitik und der überfälligen Zurechnung von Umweltkosten wäre zu fordern, nicht alles, was an die Bauern gezahlt wird, unter dem Titel Subvention laufen zu lassen. So entsteht nämlich das falsche Bild vom Bauern als Bittsteller der Nation.

Mäht ein Landwirt Wiesen und Hänge im Interesse der Erhaltung des Landschaftsbildes, so gilt sein Entgelt als Subvention. Tatsächlich aber erbringt er eine von der Öffentlichkeit nachgefragte Leistung, die zum Beispiel im Interesse des Fremdenverkehrs liegt. Würde man einen Gewerbebetrieb mit dem Mähen beauftragen, so wäre das nicht nur teurer, sondern fraglos eine Leistung, die das Nationalprodukt erhöht. Gleiches hat für die Landwirtschaft zu gelten.

Ein weiterer Punkt: Immer anspruchsvoller werden die Hygiene-Vorschriften für die Verwertung agrarischer Erzeugnisse. Sie erschweren die Vermarktung der Milch- und Fleischprodukte in kleinen Einheiten und bezwecken vor allem auch, Waren fit zu machen, über Hunderte Kilometer zu reisen und wochenlang in Regalen zu liegen. Produkte darauf zu trimmen, ist aber nur eine der möglichen Optionen. Genauso gut könnte man fordern, Lebensmittel möglichst frisch zu verbrauchen. Eine solche Regelung würde die lokale Erzeugung, kurze Transporte und den regional strukturierten Handel begünstigen.

Und noch etwas: Ebenso wie die öffentliche Hand massiv in die Entstehung von wirtschaftlichen Großräumen in Form von Verkehrswegen und Kommunikationssystemen investiert, könnte sie sich das Überleben von Regionalstruktur durch entsprechende Investitionen zum Anliegen machen. Und ähnliches gilt für die Forschungsförderung, in der angepaßte Technologien nach wie vor zu kurz kommen. Zwar geschieht einiges in Sachen Dorferneuerung, aber offensichtlich reicht das nicht.

Solange es nicht zur einer Änderung der Wirtschaftspolitik kommt, bleibt es der privaten Initiative überlassen, das Überleben der kleinbäuerlichen Struktur des ländlichen Raumes zu begünstigen und dort die dafür notwendige Motivation auch gegen den Trend aufzubauen. Daß diese Alternative zur Resignation durchaus Erfolg haben kann, zeigen Erfahrungen im Raum Steyr-Kirchdorf in Oberösterreich (Seite 15).

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