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Umstrittenes Landesbudget

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Der burgenländische Landtag hat zwischen Weihnachten und Neujahr ein umstrittenes Landesbudget beschlossen. Bedenken gegen die Finanzpolitik der Regierung wurden von ÖVP-Abgeordneten deswegen erhoben, weil die Beilagen zum Landesvoranschlag einen Schuldenstand von 60 Millionen Schilling ausweisen und für das Jahr 1965 einen Gebarungsabgang von 50 Millionen Schilling angeben. Zweifelsohne ist mit dem Gebarungsabgang des vergangenen Jahres eine Grenze im Ausgabenrahmen erreicht, deren Überschreitung in den kommenden Jahren für das Land bedrohlich werden könnte. Auch die Landesregierungen müssen heute damit rechnen, daß wir vorläufig einer Zeit der wirtschaftlichen Stagnation entgegengehen. In solchen Zeiten werden durch eine hohe Schuldenlast die Mittel wirtschaftlicher Expansion erheblich eingeschränkt. Darum ist es verständlich, daß finanzpolitischer Leichtsinn nicht die rechte Antwort auf die wirtschaftspolitische Situation sein kann.

Keine Katastrophe

Freilich wäre es unsachlich, der Regierung und dem Finanzreferenten eine Finanzpolitik anzulasten, die man als Katastrophenpolitik bezeichnen müßte. Von einer „Finanzkatastrophe“ in der burgenlän-dischen Budgetpolitik zu sprechen, würde nicht der tatsächlichen Situation entsprechen. Jeder Wirtschaftsfachmann plädiert heute für eine langfristige Basis in der Finanzpolitik. Langfristiges Wirtschaftsdenken ist keine schlechte Politik. Es verlangt geradezu, daß „produktive Schulden“ gemacht werden; freilich bis zu einer klar gezogenen Grenze. Ohne Zweifel geht der Abgang im diesjährigen Landesbudget zum Teil auf langfristige Planungen zurück. Das Land muß auf dem Gebiet des Schulwesens und des sozialen Wohnbaues gewaltige Investitionen tätigen, um den ungeheuren Nachholbedarf zu decken. Außerdem haben die Hochwasserschäden der letzten Jahre die Landesfinanzen stark in Anspruch genommen. Nicht zuletzt hat das Land für die Kana-lisierung der Gemeinden, die wegen des Fremdenverkehrs rasch vorangetrieben werden muß, neue finanzielle Belastungen auf sich genommen.

Die Deckungslücken waren den Abgeordneten ebenso bekannt wie der Regierung. Jeder wußte, daß der Schulbau, die Hochwasserschäden und die Teuerungen, die inzwischen eingetreten sind, zusätzliche Millionen fordern. Über Einsparungen hatte sich, wie es scheint, niemand Gedanken gemacht. Das Ressortdenken, das die Sozialisten seit Jahren anprangern, konnte weder abgebaut noch überwunden werden. Dazu hat keine Fraktion angesichts der kommenden Landtagswahlen Mut und Zivilcourage. Welcher Landesrat würde zustimmen, daß die Mittel seines Referates gekürzt werden zugunsten eines Schwerpunktvorhabens, das in das Ressort eines Kollegen von der anderen Partei fällt, so daß dieser mehr Geld vergeben könnte. Das politische Prestige der Landesräte ist das größte Hindernis, das Ressortdenken zu überwinden.

Die Rolle eines Jongleurs

So mußte der Finanzreferent große Kunststücke vollbringen und die Rolle eines gewiegten Jongleurs übernehmen, um den Landeshaushalt einigermaßen so zu erstellen, daß alle Regierungsmitglieder zufrieden waren und ohne Prestigeeinbuße zustimmen konnten. Er mußte, ob er wollte oder nicht, dem Landtag das Budget mit dem erwähnten Abgang vorlegen. Es war sehr merkwürdig, daß schon während der Landtagsdebatte von einem Nachtragsbudget die Rede war. Daraus ergibt sich, daß die Regierung Budgetpolitik nicht erst zwei Monate vor der Beschlußfassung des Landeshaushaltes betreiben darf. Sie muß schon während des ganzen Jahres mit aller Gründlichkeit und Genauigkeit die Grundlagen des Budgets erarbeiten. Man darf hoffen, daß der Appell des Generalredners der ÖVP, des 2. Landtagspräsidenten Hans Erhardt, an den Finanzreferenten, einen Sanierungsplan zur Gesundung der Landesfinanzen zu erstellen, im Schoß der Regierung ein entsprechendes Echo finden wird. Der Landtag selbst wird die Regierung rechtzeitig daran erinnern müssen. Zumindest darf man von der ÖVP-Fraktion erwarten, daß sie die Regierung darauf aufmerksam macht, eine gewissenhafte Budgetpolitik zu betreiben. Aus ihren Reihen kamen ja auch die Vorwürfe an die SPÖ, daß seit Bögls Zeiten etwas sorglos Finanzpolitik betrieben wird. Freilich trägt die erste Regierungspartei die letzte Verantwortung für die Budget- und Finanzpolitik des Landes.

Während der Debatte meldete sich Landeshauptmann Kery von der Regierungsbank aus zu Wort und deutete dabei sehr vorsichtig an, daß hohe Beträge im Budget für Subventionen verschiedener Art ausgeworfen werden, die den Landesaushalt schwer belasten. Er sprach sich für eine Überprüfung des Subventionswesens aus. In der Tat können die Finanzen nur dann saniert werden, wenn zuvorderst alle Ausgabensätze streng überprüft werden. Es muß dabei untersucht werden, ob eine Ausgabe zur Erfüllung der Pflichten des Landes unabweisbar und vertretbar ist. Vielleicht wird es notwendig sein, vorübergehend die Schwerpunkte des Entwicklungsprogramms der Regierung zu reduzieren und Kürzungen vorzunehmen, so weit dies nur irgendwie vertretbar ist, um Subventionen auf ein Mindestmaß zu beschränken. Dabei wird dem Landtag eine wichtige Kontrollfunktion zukommen.

Wahlgeschenke

Es gehört zum Recht des Landtages, Mittel nicht nur bereitzustellen, sondern auch zu kürzen und einzuschränken. Vor allem sollte verhindert werden, daß das Landesbudget 1968, das kurz vor den kommenden Landtagswahlen beschlossen wird, nicht ein Budget der Wahlgeschenke an die Gemeinden wird, mit der Tendenz „für jede Gemeinde etwas“, um sich die Stimmen zu sichern. Bei der Durchsicht des Landesvoranschlages 1967 kann man sich des Eindruckes nicht verwehren, daß man diesmal schon

ähnliche Absichten verfolgte. Immer wieder stößt man darauf, daß 20.000 oder 40.000 Schilling einer Gemeinde für ein Projekt, das in die Millionen geht, zur Verfügung gestellt werden.

Es besteht kein Zweifel, daß auch in der Landespolitik an Stelle der überalteten Haushaltspraxis eine neue treten muß. In der Regierung und unter den höheren Beamten wird es notwendig sein, eigene Ausschüsse einzurichten, die sich mit langfristiger Finanzplanung befassen. Auch die Abgeordneten müssen sich mit diesen Problemen gründlich in Zukunft auseinandersetzen, damit sie bei Budgetdebatten zur Finanzpolitik für oder wider Stellung nehmen können. Bei der letzten Landtagsdebatte wichen die Abgeordneten den schwierigen Budgetproblemen aus und begnügten sich meistens mit Schlagworten wie etwa „Schuldenpolitik“ oder „Entwicklungsprogramm“. Die Planungsaufgaben kann das Entwicklungsland Nr. 1 in Österreich nicht den zuständigen Regierungsmitgliedern mit ihren Sekretären und einigen Finanzbeamten überlassen.

Neue Grundlagen

Freilich wird man sich auch der Erkenntnis nicht verschließen können, daß der höhere Beamtenapparat schrittweise auf neue Grundlagen gestellt werden muß. Mit Juristen allein wird man bei den unumgänglichen Planungsaufgaben nicht auskommen. Zu ihnen müssen die Wirtschaftswissenschaftler, Soziologen und Raumplaner kommen. Auch die administrative Leistungsfähigkeit des Finanz- und Planungsapparats gilt es zu erhöhen. Neben der Finanzplanung auf jeweils vier bis fünf Jahre hinaus wird man auch an der Verwaltungsreform nicht vorbeigehen können. Wenn der Finanzreferent oder die ganze Regierung diese Anliegen einer zeitnahen und zukunftsorientierten Politik in Angriff nimmt, dürfen sie auf Unterstützung der öffentlichen Meinung rechnen. Die Popularität einer Regierung ist immer dann am größten, wenn sie den Blick auf die Zukunft lenkt und den Ehrgeiz hat, den Haushalt auszugleichen. Dies gelingt freilich nur, wenn der Ressortpartikularismus abgebaut, eine Rangordnung der Aufgaben akzeptiert und eine Einigung über echte wachstumsfördernde Investitionen in der Wirtschaft des Landes erzielt wird.

Nach der Meinung verschiedener Beobachter der Budgetdebatte aus beiden Regierungsparteien hat der Landtag noch immer nicht jenes politische und geistige Niveau erreicht, das man von ihm angesichts der Schicksalhaftigkeit der politischen Aufgaben des Landes erwarten muß. Es werden in letzter Zeit Schritte unternommen, die Klubarbeit zu intensivieren, iie Abgeordneten ausreichend zu informieren und mit den landespolitischen Problemen zu konfrontieren. Alle diese Initiativen haben eine begrenzte Wirksamkeit, wenn nicht zugleich bei der Auslese der Abgeordneten strengere Maßstäbe in jeder Hinsicht angelegt werden.

Bei Landtagswahlen geht es nicht bloß um die Spitzenpersönlichkeit für den Stuhl des Landeshauptmannes; ebenso wichtig sind die Männer, die in den Landtag einziehen. „Profllsorge“ für den Landtag wäre viel aktueller und dringender als die „Imagesorge“ im Hinblick auf die beiden Spitzenkandidaten. Die Parteien selbst müssen alles tun, um von ihren Spitzenkandidaten die viel beredete „Profilneurose“ fernzuhalten. Es ist gut und notwendig, die Persönlichkeiten, mit denen die Parteien zum Wahlkampf antreten, herauszustreichen, publizistisch hervorzuheben und sie populär zu machen. Aber man muß sich auch hüten, unbewußt einem Personenkult Vorschub zu leisten, der letztlich jeder Persönlichkeit Mißkredit bringt und der Demokratie auch abträglich ist.

Schatten des Wahlkampfes

Inzwischen sind einige Wochen vergangen. Der Weihnachtsfriede prägt nicht mehr das Klima der burgenländischen Landespolitik. Wie es scheint, wirft ein harter und erbarmungsloser Wahlkampf seine drohenden Schatten voraus, obwohl die Landta*swahlen erst im März 1968 stattfinden werden.

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