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Unser Handelspartner Schweiz

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Wenn die Messe in Dornbirn jeweils Im Juli ihre Pforten öffnet, um dem Ausland und Innerösterreich ein Bild von der Leistungsfähigkeit der Textilindustrie in „Vorderösterreich“ jenseits des Arlberg zu geben, ist auch der Zeitpunkt gekommen, an dem die öffentliche Meinung ihre Blicke nach der Schweiz richtet, um die beiderseitigen Handelsbeziehungen einer Prüfung zu unterziehen. Die Bilanz war bisher immer ungewöhnlich günstig; denn die Schweiz gehört unbestritten zu den wichtigsten Handelspartnern Österreichs, obwohl das Volumen im Vorjahr nur sechs Prozent des Gesamtvolumens erreicht hat. Beim Import stand die Schweiz mit fünf Prozent knapp an fünfter Stelle nach Groß- i

britannien, aber weit vor Frankreich, beim Export mit 7,2 Prozent nach Italien, jedoch vor der Sowjetunion. Ungeachtet des relativ kleinen Rahmens liegt die Bedeutung des Güteraustausches darin, daß die Schweiz während dreier Jahrzehnte ihre Maschinenindustrie und ihre chemische Industrie in hervorragender Weise ausgebaut hat.

Das Volumen des Warenverkehrs (siehe Tabelle „Unser Handel mit der Schweiz“) erfuhr in den vergangenen Jahren eine außerordentliche Steigerung, weil sich beide Staaten einer starken Expansion ihrer Exporte erfreuten und die gemeinsame Zugehörigkeit zur Europäischen Freihandelsassoziation zu einem beschränkten Zollabbau führte, der das Interesse aller Unternehmungen auf die Beziehungen zur benachbarten Alpenrepublik lenken mußte. Allerdings haben sich — durchaus in Übereinstimmung mit einer allgemeinen europäischen Tendenz — in jüngster Zeit die Zuwachsraten verringert. Immerhin sind die Importe aus der Schweiz, die 1961 eine Erhöhung um 13,5 Prozent erzielt hatten, auch im Vorjahr noch um 10,8 Prozent gestiegen, eine Entwicklung, von der fast alle Warengruppen profitierten. Leichten Schwankungen unterlagen Garne, Kunstfasern und Baumwollgewebe. Unter den wichtigsten Kategorien erreichten im Verlauf der beiden Jahre 1961 und 1962 die höchsten Zuwachsraten natürlich Maschinen, elektrische Apparate, Uhren und Pharmazeutika. Störend wirkten einige Handelsspannen und gelegentlich eine unterschiedliche Preisbildung; denn die hohen Preise für Schuhe und Kleidung, typische Merkmale des österreichischen Wirtschaftslebens, können sich auf lange Frist kaum halten.

Ein größeres Angebot

Von größter Wichtigkeit ist natürlich der Export nach der Schweiz, der 1961 um 34,3 Prozent und 1962 um 25,7 Prozent gestiegen ist, weil Österreich die Vorzüge der Freihandelszone mit Umsicht und Energie viel früher ausgenützt hat als alle anderen Mitglieder der EFTA. Da die industrielle

Produktion in manchen Zweigen an den Grenzen ihrer Kapazität angelangt ist, handelt es sich heute nicht um eine neue Expansion, vielmehr um eine Stabilisierung und Konsolidierung. Außerdem sind gerade bei den Lieferungen nach der Schweiz neue Tendenzen wirksam, da neben den wichtigsten Exportgütern - Eisen und Stahl, Holz und Textilien — seit kurzem auch andere Waren an das Blickfeld rücken. So betrugen im Verlauf zweier Jahre die Zuwachsraten bei Papier einschließlich Papierwaren 47,8, Metallwaren 88,3, elektrischen Apparaten 125,6 und Kleidung 167,6 Prozent. Daneben vermoch^n auch Kupfer, Magnesit und Aluminium, Glaswaren, Kunststoffe und elektrischer Strom ihren

Absatz zu vergrößern. Einen Sonderfall bildete im Vorjahr der Export von 33.096 Tonnen Weizen zu 55,7 Millionen Schilling. Unter Schwankungen litten Molkereiprodukte. Zellulose bewegte sich unaufhaltsam auf einer absteigenden Linie.

Zwischen EFTA, EWG und Übersee

Der Außenhandel der Schweiz zeigt verblüffende Parallelen mit Österreich, nämlich das Übergewicht der EWG und das relativ kleine Volumen der EFTA. Von Jänner bis Mai umfaßten die Bezüge der EWG ohne Griechen-

land 64,7 Prozent und aus der EFTA mit Finnland 13,5 Prozent des Gesamtimportes, die Lieferungen nach der EWG 42,8 Prozent und nach der EFTA 17,9 Prozent des Gesamtexportes. Der wesentliche Unterschied gegenüber Österreich bestand daher gar nic'it in den Relationen, sondern in dem geographisch bedingten Umstand, daß Frankreich im Außenhandel der Schweiz eine wichtige, dagegen im Warenverkehr Österreichs leider eine untergeordnete Rolle spielt. Außerdem ist der Güteraustausch der Schweiz mit Asien, Afrika und Amerika, besonders mit den Vereinigten Staaten, ungewöhnlich lebhaft. Dazu kommt noch der Vorteil, daß die Exporte der Schweiz im wesentlichen auf Uhren und Textilien, Erzeugnissen der chemischen und pharmazeutischen Industrie (19,5 Prozent) sowie vor allem auf Maschinen (24,4 Prozent) ruhen, somit auf Kategorien, die in einer „Überkonjunktur“ als krisenfest und besonders begünstigt gelten. Zuletzt besitzt die Schweiz in allen Kontinenten ein sehr dichtes Netz von Filialen und Vertretungen, während Österreich seine künftige Stellung in Übersee erst Schritt um Schritt erobern muß, wo-

bei seine kaufmännische Korrespondenz, die sich natürlich ständig erweitert, noch immer mit Sprachschwierigkeiten zu kämpfen hat. Anderseits verfügt Österreich neben einer hoch-

stehenden Landwirtschaft über Erze, Erdöl und Magnesit, Holz, Kohle und Wasserkräfte, eine hervorragende Rohstoffbasis, um die uns viele Länder beneiden.

War der Winter schuld?

Vor kurzem hielt Bundesrat Dr. Hanf Schaffner, der Leiter des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements, ir Basel einen Vortrag über die handelspolitische Stellung der Schweiz, dei eine bessere Orientierung bot als weitläufige statistische Daten. Bundesrat Schaffner erklärte wörtlich: „Dank dem fortschreitenden Abbau der Handels- und Zahlungsbarrieren, aber auch dank unserer im jüngst vergangenen Jahrzehnt vergleichsweise besseren monetären Disziplin und dem im Verhältnis zum Ausland längere Zeit geringeren Preis- und Kostenanstieg vermochte sich die schweizerische Warenausfuhr binnen einem Dezennium, nämlich zwischen 1952 und 1962, zu verdoppeln. Rechnen wir den Ausfuhrwert in Franken konstanter Währung, so erforderte die Exportverdopplung zwölf Jahre. Mit einer Exportkopfquote von etwas mehr als 1700 Franken nahm die Schweiz unter allen Staaten der Erde den zweiten Rang ein. Einzig Belgien war uns hierin voran. Seit 1938 hat sich die schweizerische Ausfuhrquote konstanter Währung beinahe verdreifacht. Bemerkenswert erscheint, daß hinsichtlich des Exportes nach Übersee unser Land die höchste Kopfquote Europas verzeichnet, was die Behauptung, daß nicht allein unser Kontinent, sondern die ganze Welt, der Gemeinsame Markt der Schweiz sei, auch handelsstatistisch untermau-

ert. Auf der Einfuhrseite steht die Schweiz hinsichtlich der Kopfquote eindeutig an erster Stelle.“

Der unsichtbare Export

Damit erinnerte der Leiter des Volkswirtschaftsdepartements gerade im richtigen Augenblick an die fundamentale Tatsache, daß unmittelbar vor der Grenze Vorarlbergs ein ungewöhnlich kauf- i und kapitalkräftiger Absatzmarkt liegt, der gegenwärtig dank eines enorm gestiegenen lokalen Konsums in eine regelrechte Importschwemme geraten ist. Dabei spielen die rund 700.000 Fremdarbeiter eine wichtige Rolle, die nicht nur ernährt werden müssen, sondern auch ständig Geschenke, besonders Schokoladen und Textilien, an ihre Angehörigen in Italien, Spanien und Griechenland senden, ein neuer Zweig des „unsichtbaren Exportes“.

Die Importschwemme zeigte sich natürlich in der Statistik, da (siehe Tabelle „Außenhandel der Schweiz“) während fünf Monaten, Jänner bis Mai, gemesssen an der analogen Periode des Vorjahres, der Gesamtimport um fünf, der Import aus der EFTA um 7,2 und der Import aus der EWG um 8,8 Prozent gestiegen ist. Dagegen erlitt der österreichische Export nach der Schweiz, den Daten der Eidgenössischen Oberzolldirektion zufolge, von Jänner bis Mai einen Rückschlag

um 5,8 Prozent, doch lassen sich für den weiteren Ablauf des Jahres daraus noch immer keine verbindlichen Schlußfolgerungen ziehen. Der Winter war unverhältnismäßig lang und beschwerlich, so daß die Exporte, nicht zuletzt wegen der langen Transportstrecken, vielfach erst wieder im April in ihre normalen Rahmen einlenken konnten. In diesem Zusammenhang enthielten die jüngsten „Mitteilungen der Österreichischen Nationalbank“ eine bemer-

kenswerte Feststellung: „Es ist zu ver muten, daß die Schwächeerscheinunger zu Jahresbeginn doch vornehmlich au saisonale Einflüsse — unter anderen auf den langen strengen Winter -zurückzuführen waren und wohl nich auf einen generellen Umschwung dei Konjunktur. Damit sollen jedoch dii schon seit langem bestehenden und ge-rade in dieser gespaltenen Konjunktui stärker hervortretenden Strukturprobleme unserer Wirtschaft nicht baga^ tellisiert werden.

Der Wandel der Exportstruktur isi gerade beim Warenverkehr mit dei Schweiz sichtbar, weil neuerdings dis österreichischen Lieferungen von Eisen Stahl und NE-Metallen, Holz, Zellulose und elektrischen Apparaten sinken, dagegen von Textilien und Kleidung, Maschinen und Metallwaren, Glas-, Schuh- und Lederwaren sowie von Kunststoffen, Futtermitteln und elektrischem Strom einen Aufschwung nehmen. Stabil bleiben vorerst nui Papier und Kautschukwaren. Zweifellos hat sich die. Konkurrenz verschärft. Vielfach wiirde aber auch darauf hingewiesen, daß Verhandlungen mit Brüssel über eine beschränkte Assoziierung oder einen vollwertigen Beitritt zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft stets mit Reflexen verbunden bleiben. Für Handel, Gewerbe und Industrie steht dann nämlich plötzlich der Gemeinsame Markt im Mittelpunkt aller Interessen, während andere Länder vorübergehend vernachlässigt werden.

Jedenfalls gilt für Österreich nach wie vor die traditionelle Feststellung, daß die Chancen des Exportes nach der Schweiz noch lange nicht voll ausgenützt sind.

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