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Unser Salz für Europa

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DAS SALZKAMMERGUT BIETET IN DIESEN TAGEN dem Besucher ein spätwinterüich-trost- loses Bild. Auf schneelosen Hängen steht noch das dürre Gras des Vorjahres, und die Natur scheint trotz der warmen Temperaturen dem nahen Einzug des Frühlings nicht zu trauen. Hat auch der Frühling in der Natur seinen endgültigen Einzug noch nicht gehalten, so ist ein anderer Frühling in das Salzkammergut eingezogen: ein wirtschaftlicher

Frühling, der diesem uralten Kernland des österreichischen Salzbergbaues neuen Aufschwung und eine große Zukunft verheißt.

Der Bergbau in den österreichischen Salzlagerstätten hat einer ganzen Kulturepoche, der Halistatt- zeit, den Namen gegeben, im Mittelalter haben Kriege um dieses Salzlend stattgefunden, und nicht zuletzt ist der Name Salzkammergut, der sich von der fürstlichen Schatzkammer herleitet, ein Beweis für die Bedeutung des Salzbergbaues in Österreichs Wirtschaft.

SALZBERGBAU UND SALZGEWINNUNG IN SUDHÄUSERN wird in Österreich nicht zentral betrieben, sondern die historischen Lagerstätten werden in den alten Salzgebieten in der bisherigen, schon seit Jahrhunderten geübten Form, abgebaut. Das führte dazu, daß Österreichs Salzbergbau heute unter einer sehr starken Zersplitterung leidet: derzeit gehören den österreichischen Salinen fünf Bergbau- und vier Hüttenbetriebe an — Hall in Tirol, Hallein, Bad Ischl, Hallstatt und Bad Aussee als Bergbau — und Hall in Tirol, Hallein, Aussee und Ebensee als Sudbetriebe. Das Schwergewicht des Bergbaues liegt klar im Salzkammergut, in den drei dort befindlichen Bergbauen werden 78,8 Prozent der gesamten österreichischen Salzproduktion erzeugt.

Die Gewinnungstechnik im Salzbergbau ist seit Jahrhunderten weitgehend unverändert. Dadurch, daß nach dieser Gewinnungsform die Salzlager in Stollenfarm aufgeschlossen werden müssen, lassen sich wohl in der bergmännischen Arbeit durch den Einsatz von Maschinen Rationalisierungsmaßnahmen durchführen, aber der bergbauliche Aufwand an Stollen- und Schachtbauten bleibt im Verhältnis zur Soleproduktion im großen und ganzen gleich. Dazu kommt in Österreich, daß die einzelnen Abbaustellen eine sehr unterschiedliche Ergiebigkeit aufweisen, was wiederum zu großen Differenzen in der Arbeitsproduktivität der einzelnen Bergbaubetriebe führt. Politische und regio- nalpolitische Gründe haben es bisher unmöglich gemacht, die Produktion zu konzentrieren und so wenigstens im Sudverfahren die Vorteile größerer Betriebseinheiten zu nutzen.

HÄLT MAN SICH DIESE SCHWIERIGKEITEN vor Augen, so ist es erstaunlich, daß es den österreichischen Salinen trotzdem gelungen ist, in den Jahren 1955 bis 1965 die Arbeitsproduktivität im Bergbau zu verdoppeln und in den Hüttenbetrieben sogar auf das Zweieinhalbfache zu steigern: Obwohl der Belegschaftsstand von 1645 im Jahre 1955 auf 1163 im Jahre 1965 sank, konnte im gleichen Zeitraum die erzeugte Salzmenge von 106.103 Tonnen auf 185.421 Tonnen gesteigert werden. Zwei Faktoren haben diese enorme Produktivitätssteigerung ermöglicht: die bemerkenswert rasche Zunahme der Nachfrage nach Sole und Salz, die auch weiterhin eine starke Aufwärtstendenz zeigt und die Rationalisierungen im Arbeitseinsatz, die ohne Entlassungen nur durch den natürlichen Abgang durch freiwillige Austritte und Pensionierungen bei einer strikten Aufnahmesperre durchgeführt wurden. Die Zunahme der Nachfrage ist vornehmlich bedingt durch den steigenden Bedarf an Industriesalz, das allein eine Zuwachsrate von jährlich rund neun Prozent zu verzeichnen hat, während der Absatz von Speisesalz und Viehsalz konstant blieb.

SO GÜNSTIG DIESE ENTWICKLUNG AUCH AUSSIEHT, auf der Preisseite zeigen sich dennoch erhebliche Nachteile. Während die Erlöse aus dem Speisesalz etwa das Dreieinhalbfache der Produktionskosten ausmachen, so decken die Preise für Industriesalz nur 44 Prozent der tatsächlichen Erzeugungskosten. Die zunehmende Verlagerung des Absatzes zugunsten des Industriesalzes führte zu einer Änderung in der Erlösentwicklung. An eine stärkere Preiserhöhung des Industriesalzes ist aber im Hinblick auf die Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Industrie nicht zu denken. Österreichs Industrie könnte das Salz zwar im, Ausland billiger kaufen, aber die Transportkosten sind viel zu hoch.

Obwohl der Absatz seit der Vorkriegszeit (1938) auf das Doppelte gestiegen ist, hat sich der Monopol- ertrag viel ungünstiger entwickelt. Er hat im Jahr 1962 eine Höhe von 33 Millionen Schilling erreicht, ist jedoch aus den erwähnten Gründen im Jahr 1965 auf 18 Millionen Schilling gesunken. Größenordnunigsmä- ßig sind derzeit etwa mehr als zwei Fünftel des Gewinnes aus dem Speisesalzabsatz zum Ausgleich der Verluste bei den Industrielieferungen notwendig. Der Salzpreds wurde seit dem Jahre 1951 gehalten, obwohl inzwischen nicht ziuletzt auf dem Lohnsektor wesentliche Kosten- erhöhunigen eingetreten sind. Zusammen mit dem Sozialaufwand entfällt rund ein Drittel der Kosten auf Löhne und Gehälter, und rund ein Fünftel auf Pensionen. Erst in weiterem Abstand folgen die übrigen Kostenfaktoren.

Weitere Rationalisierungen scheinen fast ausgeschlossen, jedenfalls könnte bei Beibehaltung der bisherigen Produktionsmethoden eine bestimmte Kostengrenze nie unterschritten werden, da insbesondere die Aufwendungen für die Bezüge der Belegschaft ständig steigen und allein zwischen 1952 und 1965 eine Steigerung von 182 Prozent erfahren haben.

DIE SALINENVERWALTUNG MUSSTE ALSO NEUE WEGE GEHEN, wollte sie den traditionsreichen österreichischen Salzbergbau erhalten. Österreichs Salz ist Sudsalz: das in der Gewinnung teuerste Salz. Während Meersalz durchschnittlich nur 30 bis 50 Schilling je Tonne kostet, stellt sich Steinsalz auf 60 bis 100 Schilling, Sudsalz aber auf 350 bis 400 Schilling! Österreich produziert derzeit freilich noch eine Tonne Salz für 690 Schilling. Hier eine Reduktion der Kosten durchzuführen, schien ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft. Dabei kamen den österreichischen Überlegungen die Erfahrungen anderer Länder, ins besondere der Niederlande, nun zugute.

In Holland, das bis zum ersten Weltkrieg noch kein Salz produzierte, gelang es mittels eines neuen Verfahrens — des Bohrlochsoleverfahrens — innerhalb der letzten Jahre eine ungeheure Salzproduk- tion aufzubauen, so daß man Holland heute als das führende Land in der Salzproduktion auf dem Kontinent ansprechen kann.

Bei diesem Bohrlochsoleverfahren wird eine Bohrung in das Salziager niedergebracht (in eine Tiefe, die 2000 bis 3000 Mieter sein bann, wie in Holland, oder auch nur zirka 270 Meter, wie bei den bisherigen österreichischen Probebohrungen in Bad Ischl) und Wasser eingepumpt, das wie bei den traditionellen Sinkwerken das Salz auslaugt und einen wachsenden Hohlraum schafft. Der große Vorteil dieses Verfahrens gegenüber der bisherigen Technik liegt im Wegfall der Kosten für Stollenbauten. Auch kann eine solche Pumpe von nur wenigen Leuten bedient werden, so daß eine einzige Pumpe bis zu 150 Leute im konventionellen Verfahren ersetzen kann.

Es ist nun der österreichischen Delegation unter der Führung des Generaldirektors der östertei- chischen Salinenverwaltung, Dr. Mitterauer, zu danken, die Bedeutung dieses Verfahrens für Österreich erkannt zu haben. Nun blieb noch das große Problem offen, ob dieses Verfahren bei den österreichischen Salzlagerstätten anwendbar sein wird. Die schweren Bohrgeräte konnten jedenfalls nicht in Berg- lagen transportiert werden; es hing alles davon ab, Salzlager in Tallagen zu finden. Hier machte man nun eine für Geologen revolutionäre Entdek- kung: in den Becken von Bad Ischl, Goisem, Gosau, Abtenau und Win- dischgarsten wurden solche Hoffnungsfelder festgestellt — teilweise in Gegenden, wo man auf Grund bisheriger geologischer Anschauung niemals Salz vermutet hätte.

INZWISCHEN HABEN DIE ERSTEN BOHRUNGEN STATTGEFUNDEN. Abentau erwies sich als Fehlschlaig, während die Probebohrungen in Bad Ischl und Win- dischgarsten von Erfolg begleitet waren: In 270 Meter Tiefe stieß man auf ein mächtiges Salzlaiger. In Bad Ischl haben die ersten Probebohrungen auch bereits zu Befürchtungen der Gemeinde wegen möglicher Lärmerregung geführt, doch dürften diese Befürchtungen eher übertrieben sein, da ja nur die Bohrung selbst, nicht aber der Betrieb mit stärkerer Lärmentwicklung verbunden ist. Trotzdem wird die Leitung der Versuchsbohrungen auf den Ischler Fremdenverkehr Rücksicht nehmen und die Bohrungen zeitlich entsprechend abstimmen. Trotz des bisherigen Erfolges ist die letzte Hürde immer noch nicht genommen; denn noch steht nicht fest, ob die Salzlager wegen der Vermengung mit anderen Mineralien, insbesondere Tonen, in rentabler Weise genützt werden können, besteht doch die Gefahr, daß die aufgeschwemmten Mineralien die Bohrleitung verlegen könnten.

Vorsichtig sind auch die Auskünfte über die durch das neue Verfahren notwendigen Investitionen. So standen für Bohrversuche in den letzten beiden Jahren nur 15 Millionen Schilling zur Verfügung, ein sehr geringer Betrag, bedenkt man, daß eine Bohrung — die Maschinen werden übrigens von der ÖMV ausgeliehen — 2,5 bis 3 Millionen Schilling kostet. Allerdings werden nach vorsichtigen Schätzungen die Erzeugungskosten für Salz durch die neue Produktionsweise auf 30 Prozent der derzeitigen Kosten gesenkt werden können. Hand in Hand mit der neuen Solegewinnung soll dann auch die Zentralisation der Sudanlagen gehen. Wo das neue, geplante Sudhaus (Kostenpunkt zirka 100 Millionen Schilling) stehen wird und wann es gebaut wird, getrauen sich selbst die größten Optimisten nicht zu sagen.

EIN GUTES EINVERNEHMEN MIT DER BELEGSCHAFT und die gemeinsamen Beratungen der anstehenden Probleme machen es auch möglich, die offenen Fragen mit der Belegschaft für alle zufriedenstellend zu lösen. Für viele der Beschäftigten ist es Tradition, in der Saline oder im Bergbau zu arbeiten, und die Kinder der Beschäftigten sind durch die im Rahmen der Rationalisierungsmaßnahmen verfügte Aufnahmesperre hart getroffen worden; jetzt steigen mit der möglichen Ausweitung der Produktion durch die neuen Verfahren auch wieder die Chancen einer Ausweitung des Belegschaftsstandes.

Noch läßt sich der Zeitpunkt nicht absehen, an dem Österreichs Salzproduktion auf das neue Verfahren umgestellt sein wird, doch läßt sich heute schon unschwer feststellen. Diese Entwicklung wird Österreich wieder in die erste Reihe der salzproduzierenden Länder stellen, wie einst, als die erste Soleleitung nach Ebensee im Jahre 1607 die erste ihrer Art in Europa war, und wie am Beginn des vorigen Jahrhunderts, als die erste Schienenbahn Österreichs für den Salztransport von Linz nach Budweis gebaut wurde.

Der Bedarf an Salz ist jedenfalls vorhanden und wird im In- und Ausland weiter steigen. Bereits heute könnte Österreich Salz nach Bayern und in die CSSR liefern; diese Chancen werden bei gesenkten Produktionskosten und dadurch möglichen niederen Preisen noch steigen. Wenn auch Sudsalz immer teurer sein wird als Meeres- und Steinsalz, so wiegen die günstige Lage Österreichs (im Umkreis von 700 Kilometern gibt es keine Salzvorkommen!) und die Reinheit unseres Salzes diese Kostendifferenz auf. Österreichs Salzbergbau ist im Begriffe, neue Wege zu gehen, Wege, auf denen Österreichs Salz nach Europa rollen wird.

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