Verkehr muss teurer werden

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Größere Distanzen zu überwinden, gehört heute zum Alltag. Dementsprechend gefordert, ja vielfach überfordert ist das Verkehrssystem. Wie wird es in einer Zeit der leeren Kassen seinen Aufgaben gerecht werden?

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Größere Distanzen zu überwinden, gehört heute zum Alltag. Dementsprechend gefordert, ja vielfach überfordert ist das Verkehrssystem. Wie wird es in einer Zeit der leeren Kassen seinen Aufgaben gerecht werden?

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Für die meisten von uns ist die tägliche Fahrt zum Arbeitsplatz eine Selbstverständlichkeit, samstägliche Einkäufe in den Zentren am Stadtrand sind fixer Bestandteil unserer Wochenplanung, am verlängerten Wochenende steht eine Fahrt zum 80 Kilometer entfernten Wochenendhaus ins Waldviertel auf der Tagesordnung - natürlich mit dem Pkw. Und der Urlaub wird zum Entfernungs-Marathon.

Daneben werden - oft abseits unserer unmittelbaren Wahrnehmung - Mengen von Gütern bewegt, zur Produktion, zur Füllung der Regale in den Supermärkten, und schließlich am Ende der Kette zur Beseitigung von Altstoffen. Der Verkehr hält den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kreislauf am Leben. Verkehr braucht Straßen und Schienen.

Doch auch Engpässe im Verkehr sind fixer Bestandteil unserer Alltagserfahrung: Der Stau oder zähflüssige Verkehr an der Stadteinfahrt ist so regelmäßig, dass sein Ausbleiben Überraschung hervorrufen würde. Auch der öffentliche Verkehr scheint keine überzeugende Alternative zu sein; Verspätungen der Bahn, versäumte Anschlüsse und zuwenig Sitzplätze in Bussen - wir haben uns mittlerweile daran gewöhnt. In der durchökonomisierten Wirtschafts- und Lebenweise ist Zeit gleich Geld. Gerade im Güterverkehr spielen die Transportzeiten eine große Rolle; die Bahn hat systembedingt bei raschen Transporten das Nachsehen.

Nach einer kürzlich vorgestellten Staustudie für den Zentralraum Linz gehen pro Jahr rund acht Millionen Stunden durch Staus verloren. Das sind etwa 15 Prozent der gesamten Fahrzeit. Die dafür anfallenden Kosten lassen sich mit 2,5 bis 3 Milliarden Schilling beziffern. Vergleichbare Zustände sind auch in den anderen Zentren an der Tagesordnung. In der Urlaubszeit und an verlängerten Wochenenden hören wir mit Interesse von kilometerlangem Verkehrsstillstand und stundenlangen Wartezeiten.

Straßen und Bahnverbindungen werden gelegentlich mit Adern verglichen; wichtige Verbindungen des Verkehrs gelten als Rückgrat der Erschließung; "Hauptschlagadern" binden Wirtschafträume an Bezugs- und Absatzmärkte an. Mit diesen aus dem menschlichen Körper entliehenen Vergleichen sollen Zusammenhänge aufgezeigt und Verständnis geweckt, und auf die Bedeutung des Verkehrs in einer dynamischen Wirtschaft als Basis eines gedeihlichen Gemeinwesens aufmerksam gemacht werden. Die Botschaft lautet: Das System ist krank, wenn nicht rasch Abhilfe geschaffen wird, ist ein letaler Ausgang unvermeidlich!

Wann ist eine Lösung der Probleme zu erwarten ? Die aktuelle Budgetentwicklung betrifft alle Sektoren. Es wäre vermessen zu glauben, der Verkehr käme ungeschoren davon.

Jedem aufmerksamen Verkehrsteilnehmer fallen auf Anhieb einige Projekte ein, die seit Jahren (wenn nicht Jahrzehnten) geplant, wiederholt verworfen, immer wieder umgeplant, neu aufgelegt, von den Politikern mehrmals versprochen worden sind, deren Inbetriebnahme jedoch immer noch nicht absehbar ist. Der Planungsüberhang ist groß und ständig werden neue Projekte ins Gespräch gebracht. Kann unter dem drohenden Sparstift darauf verzichtet werden? Dazu ist festzustellen, dass sich die Rahmenbedingungen des Verkehrs nicht so sehr verändert haben, dass bisher wichtige und gegen Widerstände verfolgte Maßnahmen plötzlich überflüssig wären. Die logische Folge wird wohl sein, die Zeiträume für deren Realisierung zu verlängern.

Doch die Angelegenheit wird noch vertrackter. Der Verkehr hat seinen Plafond noch lange nicht erreicht! Nahezu alle Prognosen kommen übereinstimmend zur Erkenntnis, dass vor allem die großräumigen Ströme im Güterverkehr und der Pkw-Verkehr in den Ballungsräumen zunehmen werden.

Verkehrswege: 320 Milliarden Schulden Die Grundfrage lautet wohl: Sind die Strukturen richtig? Offensichtlich ist der Handlungsspielraum der Politik deutlich geringer, als so manche Macher wahrhaben wollen. Allein unter dem Titel des Ausbaues der Verkehrswege ist der Bund mit rund 320 Milliarden Schilling in der Kreide, das sind rund 40.000 Schilling pro Österreicher. Zusätzlich als wichtig erkannte Projekte würden den Betrag noch einmal um 150 Milliarden ansteigen lassen.

Der Finanzbedarf ist gigantisch. Nach den Unterlagen zum Bundesverkehrswegeplan und zusätzlicher Maßnahmen in den Zentralräumen können die Kosten aller Verkehrsprojekte mit mindestens 500 Milliarden Schilling beziffert werden. Auch wenn bei nüchterner Betrachtung manche Planungen eher als überzogen beurteilt werden können, und deren Dringlichkeit als gering eingestuft wird, verbleibt eine nahezu unvorstellbare Summe. Nach Informationen aus dem zuständigen Ministerium wird an einer neuen und alle Verkehrsträger umfassenden Prioritätenreihung gearbeitet.

Der durch Finanzierungsengpässe erzwungene Realitätssinn ist allerdings kein österreichisches Spezifikum. Ganz im Gegenteil: seit Jahren werden in Westeuropa mit den transeuropäischen Netzen (TEN) kontinentumspannende Infrastrukturen entwickelt, die in den Räumen der ehemaligen Oststaaten durch die paneuropäischen Korridore ergänzt werden sollen.

Doch auch in Brüssel wachsen die finanzpolitischen Bäume nicht in den Himmel. Den jährlich von der EU-Kommission vorgelegten Fortschrittsberichten zu den TEN ist zu entnehmen, dass die Realisierungsschritte deutlich hinter den Planungen zurückbleiben; maßgebende Ursachen: Finanzierungsengpässe und Planungsschwierigkeiten.

Nicht nur im Investitionsbereich wird es enger, auch die laufenden Ausgaben werden den Rotstift spüren. Die jährlichen Kosten des öffentlichen Personennahverkehrs, wie Bahn, Bus und Straßenbahnen zusammengefasst genannt werden, werden mit rund 25 Milliarden Schilling beziffert, von denen ungefähr die Hälfte durch Tarifeinnahmen gedeckt sind. Der restliche Teil kommt aus verschiedenen Töpfen, wie Abgangsdeckung aus den Haushalten der Eigentümer, Querfinanzierung aus anderen Versorgungsbereichen (z.B. Strom) oder aus sonstigen Zuschüssen.

Die Schwierigkeit der Situation ist nicht zu übersehen: Der öffentliche Verkehr ist unverzichtbar, in den Städten zur Straßenentlastung, in den ländlichen Räumen zur Mindestversorgung und für den Schülertransport, die Möglichkeiten zur Rationalisierung sind weitgehend ausgeschöpft und die Kosten steigen. Andererseits können auch die Tarife nur begrenzt erhöht werden, sollen die Kunden gehalten, oder gar neue gewonnen werden. Das finanzierungspolitische Ei des Kolumbus ist noch nicht gefunden.

Wie ist der Knoten zu lösen? In der autokritischen Diskussion war in letzter Zeit gelegentlich der Beitrag zu hören, wir hätten zu viel Verkehr, weil seine Kosten (eigentlich Preise) zu niedrig seien. Dieses Argument ist grundsätzlich nicht zu entkräften. Den aktuellen Signalen ist zu entnehmen, dass in Zukunft die privaten Verkehrskosten (im weitesten Sinne) ansteigen werden. Das sollte nicht als Katastrophe gesehen werden, ganz im Gegenteil: Bereits bisher wurde ein Teil der Verkehrskosten von der Allgemeinheit getragen. Die Zuordnung dieser Externalitäten zu den Verursachern bewirkt eine Verteuerung der Fahrten, mittel- bis längerfristig eine Dämpfung der Verkehrszunahmen und letztlich eine Wohlfahrtssteigerung.

Appelle, Konzepte, Politik und Planung haben bisher die Eigendynamik des Verkehrssystems wenig beeinflusst. Vielleicht kann ein stetiges Anziehen der Preise jene Effizienzsteigerung bewirken, ohne die keine Nachhaltigkeit erreichbar ist.

Der Autor ist Leiter der Abteilung Verkehrskoordination des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung.

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