Der Untersuchungsausschuss des Parlaments hat offengelegt, wie sehr es einzelnen Akteuren an den Schnittstellen von Politik und Wirtschaft, von Politik und Recht daran fehlt, Trennlinien zu akzeptieren. Der Schaden an Misstrauen ist da.
Jede Zeit hält sich für eine des Umbruchs, so wohl auch die unsere. Wir sind zudem umgeben von Unübersichtlichkeit und Unklarheit, von Komplexität und Interdepenzen also, wie es jene gerne ausdrücken, die mithilfe der Begrifflichkeit ihrer Beschreibung der Gegenwart noch einen persönlichen Stempel aufzudrücken versuchen, der dann den Geschichtsschreiber adelt. Krisenerscheinungen prägen jedenfalls den Alltag, namentlich auch eine Krise des Vertrauens. Dieser haben wir uns zu stellen.
Versucht man denn die Ursachen dieser Vertrauenskrise zu erhellen, stößt man auf einen enormen Mangel an Unterscheidungsvermögen. Auf die Unfähigkeit Einzelner, Trennlinien zu ziehen. Wir mussten erleben, wie es an der Schnittstelle von Politik und Wirtschaft plötzlich daran fehlte, zwischen öffentlich und privat zu unterscheiden. Zwischen dienen und bedienen.
Verdienstvolle Arbeit - mit Flurschaden
Der parlamentarische Untersuchungsausschuss hat eine Verteilungs- und Bedienungsmaschinerie bloßgelegt, die offenbar mentalitätsgetrieben war. So mancher Geber und Nehmer hat erforderliche Trennlinien so lange weggewischt, bis keine Haltung, kein Anstand mehr erkennbar waren. Der Katalog ethisch basierter Verhaltensregeln scheint das zu bestätigen, denn offensichtlich war er notwendig.
Allerdings ist auch an der Schnittstelle von Gesetzgebung und Rechtsprechung zu erleben, wie das Unterscheidungsvermögen einzelner Akteure schwindet und diese die Gewaltenteilung geradezu auszuhebeln versuchen. Bei aller verdienstvollen Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses: Gesetzgebung und Rechtsprechung dürfen nicht in eins zusammenfallen. So wie innerhalb der Rechtsprechung auch nicht der staatsanwaltschaftliche Ankläger und der Richter in einer Person zusammenfallen dürfen. Genau das ist aber im Untersuchungsausschuss passiert. Aus dem Grunde mangelnden Unterscheidungsvermögens. Mit dem Flurschaden, dass das Vertrauen aller in eine derartige Einrichtung im selben Maße abnimmt, in welchem der Staat ihres untadeligen Funktionierens bedürfte.
Grenzüberschreitungen ähnlicher Art ereigneten sich jüngst auch an der Schnittstelle von Politik, Recht und Öffentlichkeit. In Ungeduld über den als unzureichend empfundenen Fortgang gerichtlicher Verfahren pflegen manche Medien nicht mehr mit dem Umstand eines Prozesses zu titeln, sondern mit der möglichen Höchststrafe. Oder zumindest implizit mit der Forderung, Haft zu verhängen. Die legitime Kritik- und Kontrollfunktion wird dabei, gelinde gesagt, etwas überschritten. Das ist ein Schaden für die von derartigen Berichten Betroffenen, für den Rechtsstaat und für die Glaubwürdigkeit der jeweiligen Medien. Diese befördern damit den auch sie betreffenden Vertrauensverlust. Einfach, weil sie nicht unterscheiden können.
Vorschuss an Misstrauen
Sollen Begegnungen gelingen, und dazu gibt es wirklich keine wünschenswerte Alternative, bedürfen sie des Vertrauens der daran Beteiligten. In die Ehrlichkeit, in die Sachlichkeit, in die Offenheit über die Motivlage des jeweils anderen. Erst dieses Vertrauen schafft die Grundlage für Berechenbarkeit, Verlässlichkeit. Doch der unter Gutmeinenden übliche Vertrauensvorschuss wird dank der Realisten jetzt durch einen Vorschuss an Misstrauen ersetzt. Das Gemeinwohl verkommt zur Phrase, mit dem Eigeninteresse kaschiert wird. Vor allem an den Schnittstellen von Politik und Wirtschaft. Das häuft sich in jenem Ausmaß, in welchem das Unterscheidungsvermögen verloren geht.
Die Rufe nach mehr an Werten und nach Ethik gelten Analytikern des jeweiligen Zeitgeschehens längst als Zeichen einer Krise. Hört man sich um, besteht kein Zweifel daran, dass wir gegenwärtig auch eine Vertrauenskrise durchleben. Wie so oft sind es die Guten, die hinter den Miesen aufzuräumen haben. Auch so ein Unterschied, auf den hinzuweisen ist.
* claus.reitan@furche.at