Verteilungs- und Klassenkampf

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Bereits bei einem geringeren Aufkommen an höchst unterschiedlichen Begriffen könnte die Übersicht schon verloren gehen: In der gegenwärtigen Auseinandersetzung um die Energie- und die Klimapolitik werden Ökologie und Ökonomie gegeneinander in Stellung gebracht, wird die Kerntechnik mit Katastrophen gegenverrechnet, wird Bioenergie mit Hungersnöten in Zusammenhang gebracht, gilt manchen der Schutz des Klimas als Killer der Arbeitsplätze. So viel an Durcheinander ist selten. Im gegenwärtig offenen Zeitfenster zwischen dem Ende der Begutachtung und der parlamentarischen Beschlussfassung der Novelle zum Ökostromgesetz treiben sich Akteure und Interessenvertreter in eine Diskussion, die eines belegt: Es geht um einen enorm bedeutsamen Verteilungskampf auf dem Energiesektor. Und manchen geht es - sozusagen im Vorbeigehen - um eine Runde im Klassenkampf.

Unzulässige Verknüpfungen

Bio oder nicht bio, das ist die Frage. Die Europäische Union will den Ausstoß an Kohlendioxid vermindern, schreibt daher die stufenweise Steigerung der Beimischung von Biosprit vor. Dieser wird aus Getreide erzeugt, was die Polemik auslöst. Das treibe, so behauptet etwa die Arbeiterkammer, wegen der Spekulation die Preise für Lebensmittel in die Höhe, was in ärmeren Ländern Hungerkrisen bedeute. Und das, so erklärt der AK-Direktor Werner Muhm, "ist der falsche Weg, unsere Energieversorgung zu sichern“. So etwas sitzt. Das hieße, Afrika hungert, weil Europa Auto fährt. Oder andersum ausgedrückt: Das Ethanol der Reichen ist das Brot der Armen. Muhm hätte recht, gäbe es den von ihm behaupteten Zusammenhang. Der besteht aber nicht. Der Grund für seine verzogene Polemik ist ein anderer, wie er anderorts ohnedies einräumt: Er will keine weitere Förderung für die Landwirtschaft.

Die Agrarier und ihre Vertreter wollen noch höhere Tarife für abgelieferte Bioenergie. Wie viel Cent je Kilowattstunde fester oder flüssiger Biomasse es künftig sein werden ist eben Gegenstand der gegenwärtigen parlamentarischen Behandlung der Novelle des Ökostromgesetzes und der darauf aufbauenden Ökostromverordnung. Die Arbeiterkammer ist dagegen, sowohl den Ackerbau zu fördern als auch die Verarbeitung der Feldfrüchte zu Energie. Dort liegt der Kern des Problems.

Die Petro-Industrie hat kaum ein Interesse daran, dass die Land- und Forstwirtschaft wieder in die Energieproduktion zurückkehrt. Das wollen auch ihre politischen Gegner nicht. Und für diese ist ökonomischer Druck auf die Land- und Forstwirtschaft noch immer das Mittel erster Wahl, um die Agrarier politisch einzubremsen.

Wesentlich ist die Energiewende

Im Getümmel dieser Verteilungs- und Klassenkämpfe drohen die Beteiligten und die Betroffenen, das Große, das Wesentliche aus den Augen zu verlieren: Die erforderliche Wende in der Energiepolitik. Es ist und bleibt unvernünftig, Erdöl zu verheizen und für Antrieb zu verbrennen. Alternativen dazu werden längst entwickelt, auch in Österreich teils erfolgreich umgesetzt. Erdöl ist ein begrenzt verfügbarer, äußerst kostbarer Rohstoff, dessen intelligentere Verwendung in zahlreiche Facetten von Wirtschaft, Medizin und Alltag hineinreicht. Die Kernenergie hat sich nicht zuletzt wegen ungeklärter Endlagerung radioaktiven Abfalls als Irrweg erwiesen. Der übrigens noch teuer werden wird, allerdings erst für die nächsten Generationen. Die Vertreter der Bioenergie argumentieren plausibel, man möge doch deren Energieproduktion in ihrer Forschung, Entwicklung und Anwendung ebenso fördern wie jene aus Rohöl oder Kernspaltung. Und das über Jahrzehnte hinweg. Tatsächlich würde dies die Energiewende mit sich bringen. Diese wurde in Expertisen entwickelt und in Programmen als Ziel festgelegt. In der Novelle zum Ökostromgesetz sollte sich das neuerlich wiederfinden.

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